von Stefan Labesius
Im Rechtsstreit um die GPL-widrige Verwendung von Software-Code in der Software VMware ESXi 5.5.0 hat das Landgericht Hamburg die Klage des Softwareentwicklers Christoph Hellwig erstinstanzlich abgewiesen (Urt. v. 8.7.2016 – 310 O 89/15). Mit seiner Klage macht Hellwig im Wesentlichen Urheberrechte an Bearbeitungen am Linux-Kernel geltend, die ihrerseits in den Kernel des ESXi 5.5.0 (vmklinux) eingegangen sind, und – was streitig ist – mittels VMware-eigener API in den „vmkernel“ übernommen wurden.
Für die Frage, ob insoweit ein „derivative work“ i. S. d. Ziff. 2 der GPL v2 vorliegt, kommt es daher darauf an, welche Rolle die formale Trennung der jeweiligen Code-Bestandteile sowie deren Interaktion (insbes. dynamische Verlinkung) spielt. Die Software-Bearbeitungen selbst betreffen v. a. SCSI-Implementierungen.
Da Hellwig nur für eigene Bearbeitungen Rechte beanspruchen kann, ist im Verfahren v. a. entscheidend, in welchem Umfang ihm Urheberbearbeitungsrechte (vgl. § 3 UrhG) zustehen, ob der entsprechende Code von VMware übernommen wurde, wann beim „vmkernel“ von einem „derivative work“ auszugehen ist und welche Softwarebestandteile mit übernommenem GPL-Code daher ebenfalls der GPL unterfallen müssen. Mit den letzteren Fragen setzte sich das Gericht jedoch gar nicht auseinander. Denn es sieht bereits weder die Bearbeiterurheberrechte, die Schutzfähigkeit der Bearbeitungen, noch die Übernahme von Code in ESXi 5.5.0 als nachgewiesen an. Zum Beleg seiner Urheberschaft sowie von Quellcode-Übernahmen hatte Hellwig u. a.
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Auszüge aus dem Git-Repository des Linux-Kernels, in dem jeder einzelne
Entwicklungsbeitrag nachvollzogen werden könne, sowie entsprechender blame-Dateien,
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diejenigen Quellcode-Bestandteile, die von ihm bearbeitet worden sind, sowie
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umfangreiche Quellcodecode-Vergleiche, aus denen die übernommen Quellcode-Bestandteile bestimmbar seien
vorgelegt.
Angesichts dieses klägerischen Vortrags und der ausführlichen Darstellung in den Urteilsgründen zu den streitgegenständlichen Software-Komponenten (insbes. Patches), an denen Hellwig eigene Rechte geltend macht, erstaunt es zunächst, dass sich das Landgericht in keiner Weise mit einer tatsächlichen Vermutung für eine Schutzfähigkeit auseinandergesetzt hat. Denn diese Vermutung greift insbesondere auch bei Softwarebearbeitungen (vgl. BGH, Urt. v. 20.9.2012 – I ZR 90/09, Rn. 28 ff. – UniBasic-IDOS) und ist v. a. bei über längere Zeit entwickelter komplexer Software anzunehmen (vgl. BGH, Urt. v. 3.3.2005 – I ZR 111/02, Rn. 12 – Fash 2000) bzw. bereits dann, wenn Software für eine Portierung auf ein anderes System geändert wird (vgl. BGH, Urt. v. 20.9.2012 – I ZR 90/09, Rn. 25 – UniBasic-IDOS).
Vergleichbares gilt für die Urhebervermutung nach § 10 Abs. 1 UrhG, die auch für den Nachweis der Bearbeiterurheberschaft greift (vgl. BGH, Urt. v. 26.2.2009 – I ZR 142/06, Rn. 32 – Kranhäuser). Insoweit hätte es nahe gelegen, dass sich das Landgericht z. B. mit der für die Praxis relevante Frage auseinandersetzt, inwieweit Angaben zum Programmierer in Git-Repositories für die Annahme der Urhebervermutung bei Software-Bearbeitungen ausreichen können.
Auch im Lichte der bisherigen Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Darlegung von Tatsachen – z. B. für den Beleg von Schutzfähigkeit oder Rechteinhaberschaft – erscheint die Auffassung des Landgerichts, dass bereits kein nachvollziehbarer Vortrag vorläge, nicht unproblematisch. So genügt es in der Regel, wenn vom Kläger Tatsachen vorgetragen werden, die sein Bearbeiterurheberrecht am Code als entstanden erscheinen zu lassen. Vielmehr ist dann das Gericht – v. a. im Bestreitensfalle oder bei sonstigen Unklarheiten – gehalten, zunächst in die Beweisaufnahme einzusteigen, um dort gegebenenfalls weitere Einzelheiten zu ermitteln (vgl. BGH, Beschl. v. 7.4.2016 – I ZR 168/15, Rn. 16). Dementsprechend hätte es sich an dieser Stelle angeboten, auch bei der Vorlage eines Quellcode-Vergleichs, die behaupteten Quellcode-Übernahmen durch ein Sachverständigen-Gutachten überprüfen zu lassen.
Denn sollte sich die Auffassung des Landgerichts über die Anforderungen für den Nachweis von Bearbeitungsurheberrechten, der Schutzfähigkeit der bearbeiteten Teile sowie der Code-Entnahmen durchsetzen, dürfte es in Zukunft für Entwickler kaum möglich sein, eigene Bearbeiterurheberrechte an lizenzwidrigen Quellcode-Änderungen gerichtlich geltend zu machen.
Daher hat Hellwig zwischenzeitlich Berufung zum OLG Hamburg eingelegt (Az. 5 U 146/16).