EuGH differenziert beim Kopierschutz von Videospielen

Von: Prof. Dr. Axel Metzger

 

Der Europäische Gerichtshof hat sich am 23.1.2014 in der Rechtssache Nintendo gegen PC Box (C-355/12) erstmals zu Kopierschutzsystemen bei Videospielen geäußert. Danach unterfallen Videospiele den allgemeinen Vorschriften der Richtlinie 2001/29 zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft, ungeachtet des Umstands, dass für die im Spiel enthaltenen Computerprogramme zusätzlich auf die Richtlinie 2009/24 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen abzustellen ist. Konsequenz ist, dass beide Richtlinien nebeneinander Anwendung finden und sich der Rechtsinhaber die jeweils günstigere Regelung aussuchen kann. Den Begriff der "wirksamen technischen Maßnahme" im Sinne von Art. 6 Abs. 3 versteht der Gerichtshof dabei weit. Auch technische Maßnahmen, die sich aus Informationen auf dem Datenträger und auf der Konsole zusammensetzen, fallen in den Schutzbereich der Richtlinie. Der Schutzumfang ist jedoch nicht unbegrenzt, sondern untersteht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Umgehung von Schutzmaßnahmen kann nur untersagt werden, wenn nicht andere Maßnahmen zur Verfügung stehen, die zu geringeren Beschränkungen führen und trotzdem einen vergleichbaren Schutz bieten. Einzubeziehen ist dabei auch, ob die fraglichen Umgehungsmaßnahmen vor allem zu Urheberrechtsverletzungen oder vor allem für sonstige, das Urheberrecht nicht verletzende Zwecke eingesetzt werden, etwa um die Konsole für nicht lizenzierte Spiele Dritter verwenden zu können. 

Die Entscheidung ist von grundsätzlicher Bedeutung, weil sie die Relevanz des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beim Rechtsschutz von technischen Maßnahmen betont. Bei der genauen Bestimmung des Rechtsschutz sind die Beeinträchtigungen der Nutzer durch die Verwendung entsprechender Systeme zu beachten. Werden Vorrichtungen und Erzeugnisse, die zur Umgehung verwendet werden, vor allem für nicht rechtsverletzende Zwecke verwendet, kann der Rechtsschutz entfallen oder zumindest eingeschränkt werden. Eine entsprechende Abwägung entspricht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Im Rahmen von Art. 6 der Richtlinie 2001/29 überrascht sie aber, weil die Umgehung von Schutzmaßnahmen zur Erreichung legitimer Zwecke im Wege der Selbsthilfe an sich nicht vorgesehen ist. Jedenfalls im Bereich der Urheberrechtsschranken muss sich der Nutzer vielmehr an den Rechtsinhaber wenden, um die zur Umgehung der technischen Maßnahme erforderlichen Mittel zu bekommen, siehe Art. 6 Abs. 4. Geht es um völlig "urheberrechtsfreie" Zwecke, hier das Spielen nicht lizenzierter Spiele auf einer Konsole, dann kann nach der jetzt getroffenen Entscheidung die Selbsthilfe jedoch auch zulässig sein. Dies schränkt den Rechtsschutz von technischen Maßnahmen erheblich ein.

Interessant ist hier der Vergleich zur US-Entscheidung Universal Studios v. Reimerdes aus dem Jahr 2000 (111 F. Supp. 2d 294), in welcher ein New Yorker Bundesgericht die Umgehung eines Kopierschutzsystems für DVDs ("CSS") mit dem Ziel, DVDs auch auf nicht lizenzierten DVD-Spielern abspielen zu können, untersagte. Dass der nicht lizenzierte DVD-Spieler mit Linux betrieben wurde, rührte die Richter damals nicht. "DeCSS" wurde trotz des an sich legitimen Zwecks verboten. Der EuGH verfolgt mit der aktuellen Entscheidung einen abweichenden Ansatz: Legitime Zwecke können die Umgehung von technischen Maßnahmen rechtfertigen. Das verdient Zustimmung, die genauen Grenzen dieses Ansatzes müssen aber noch ausgelotet werden.