Videoüberwachung: EuGH bejaht Geltung der Datenschutz-Richtlinie im semi-privaten Umfeld

Der EuGH hat heute ein Urteil zum persönlichen Geltungsbereich der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG gefällt. Auch Privatpersonen müssen die Datenschutzgesetze beachten, wenn sie im Rahmen einer Videoüberwachung das Geschehen auf öffentlichen Straßen aufnehmen.

In dem Vorlageverfahren ging es um einen Bürger der Tschechischen Republik, der nach mehreren Fällen von Sachbeschädigung an seinem Wohnhaus eine Videokamera angebracht hatte. Sie zeichnete den Eingang seines Hauses sowie die davorliegende Straße und den Eingang des gegenüberliegenden Hauses auf. Als es im Herbst 2007 wieder zu einem Vorfall kam, bei dem eine Fensterscheibe des Hauses mittels einer Schleuder beschossen und zerstört wurde, konnten die mutmaßlichen Täter durch die Aufnahmen identifiziert werden.

Einer der Verdächtigen beantragte daraufhin die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Videoanlage. Im Rahmen der für den Datenschutz zuständigen Verwaltungsgerichtsbarkeit (und nicht der Strafgerichtsbarkeit im Verfahren gegen die Verdächtigten) wurde vom tschechischen Obersten Verwaltungsgericht dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob für diesen Einsatz europäisches Datenschutzrecht zu beachten ist oder ob dessen Ausnahme für Datenverarbeitungen zu privaten Zwecken greift.

Konkret geht es um Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 95/46/EG (sog. Datenschutz-Richtlinie). Als Ausnahme zum in Art. 3 Abs. 1 definierten Anwendungsbereich wird dort im zweiten Spiegelstrich festgelegt, dass die Richtlinie keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten findet, die „zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen wird.“ In das deutsche Recht wurde dies weitgehend wortgleich in § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG umgesetzt.

Im Erwägungsgrund 12 der Richtlinie findet sich zu den ausschließlich persönlichen oder familiären Tätigkeiten die Konkretisierung „wie zum Beispiel Schriftverkehr oder Führung von Anschriftenverzeichnissen“.

Der EuGH hat die Ausnahmeregel in Art 3 Abs. 2 der Richtlinie eng ausgelegt. Er hat zunächst in Übereinstimmung mit der allgemeinen Auffassung festgestellt, dass Videoaufnahmen personenbezogene Daten sind, sofern sie die Identifikation der Personen ermöglichen.

Es betont unter Bezugnahme auf seine Google Spain betreffende Entscheidung vom Mai 2014 die Absicht der Richtlinie, ein hohes Niveau des Schutzes der Grundrechte zu gewährleisten. Entscheidend war im konkreten Fall, dass die Videoüberwachung auch den öffentlichen Straßenraum und den Eingang des gegenüberliegenden Hauses umfasste. Bei der vom EuGH vorgenommenen und auf die Richtlinie gestützten engen Auslegung sind dies keine ausschließlich persönlichen oder familiären Tätigkeiten.

 

Damit löst der EuGH eine Frage rein datenschutzrechtlich, die in Deutschland zum Teil durch das Zivilrecht gelöst wurde. Die Lücke, die durch die Ausnahme für persönliche / familiäre Tätigkeiten bestand und weiter besteht, wurde teils durch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gelöst. Gerade im jungen Problemfeld der Zulässigkeit von Dash-Cams wurde hierzu vermehrt vertreten, dass solche anlassunabhängigen Aufnahmen gegen das Persönlichkeitsrecht der anderen Verkehrsteilnehmer verstößt (vgl. AG München: Verstoß gegen das Recht am eigenen Bild, Beschl. v. 13.08.2014 - Az.: 345 C 5551/14; über den Weg des Datenschutzes VG Ansbach: Dashcams sind grundsätzlich datenschutzwidrig, im konkreten Fall wurde jedoch wegen eines Formfehers entschieden, Urteil vom 12.8.2014 - AN 4 K 13.01634). Siehe hierzu auch kanzlei-lachenmann.de/videokameras-autos-sog-dashcams-sind-rechtswidrig mit weiteren Nachweisen.

 

Das Urteil dürfte aber nicht nur für private Videoüberwachungsanlagen und die aktuelle Diskussion um Dash-Cams Bedeutung haben. Auch für den boomenden Markt für HD-Drohnen und private Falschparker-Jäger wie „Knöllchen-Horst“ dürfte der Bewegungsspielraum stark eingeschränkt sein.