"Berliner Rede": Bundesjustizministerin unterstützt freie Lizenzmodelle

von Prof. Dr. Axel Metzger
 
Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger hat in ihrer vielbeachteten "Berliner Rede zum Urheberrecht" vom vergangenen Montag nicht nur einen lesenswerten Rundumschlag zu vielen der aktuellen rechtspolitischen Fragestellungen des Urheberrechts geliefert, sie hat sich auch mit freien Lizenzmodellen im Sinne der GNU GPL und der Creative Commons Lizenzen sowie mit Open Access auseinandergesetzt. Die Passagen sind lesenswert, auch weil sie in der Argumentation der Ministerin einen zentralen Platz einnehmen. "Zugang, Zugriff, 'Access' sind die Schlüsselbegriffe unserer Ära", heißt es gleich zu Beginn. Und: "GNU- oder Creative-Common-Lizenzen sind eine großartige Sache, um die breite Nutzung digitaler Medieninhalte zu ermöglichen. Aber auch dieses System funktioniert eben nur auf der Basis des Bestimmungsrechts des Urhebers über die Nutzung seines Werkes." Man darf für die kommenden Jahre also auf ein offenes Ohr der Ministerin für die besonderen Anforderungen der freien Lizenzmodelle an das Urheberrecht hoffen.

Der Zeitpunkt des Grundsatzreferats ist gut gewählt, beginnen doch in Kürze die Anhörungen des Bundesjustizministeriums zum "Dritten Korb". Auch das ifrOSS ist hierzu eingeladen und wird sich an den vier anberaumten Terminen beteiligen. Trotz mancher Kritikpunkte an einzelnen Aspekten der "Berliner Rede zum Urheberrecht" überwiegt insgesamt die positive Stoßrichtung. Interessant ist bereits die Gesamtstruktur der Argumentation. Das "Ja, aber" nimmt seinen Ausgang bei den Chancen der digitalen Revolution für den Zugang zu Inhalten und Technologien und setzt als "Aber" in den ersten beiden Prämissen das Selbstbestimmungsrecht der Urheber entgegen. Hier finden sich die Verweise auf freie Lizenzmodelle. Diese stünden nicht im Widerspruch zu den Grundideen des Urheberrechts, sondern basierten auf diesen.
 
Allerdings, so die Ministerin, müsse auch die wirtschaftliche Grundlage für die kreative Betätigung gesichert werden. Diese dritte Prämisse stützt der Text wiederum auf eine Anlehnung an die Grundlage der freien Lizenzmodelle: "Im Englischen hat das Wort 'free'
zwei Bedeutungen. Es bedeutet zum einen "frei" im Sinne von politischer und  gesellschaftlicher Freiheit. Es bedeutet zum anderen auch 'kostenfrei', gratis. Das Internet muss freiheitlich bleiben, aber es muss nicht zwingend gratis sein." Die Ministerin und ihr Stab haben zur Vorbereitung der Rede fleißig die Texte von Richard Stallman und anderen studiert. Das betrifft nicht nur die Diktion des Texts, sondern auch manche generelle Aussage im Folgenden, wenn die Rede von den Verwertern ist (erstmals auf S. 4 der pdf-Version): "Im Zentrum des Urheberrechts stehen der kreative Mensch und sein Werk, nicht einzelne Geschäftsmodelle." Und: "Wir wollen keine Schonräume schaffen für Geschäftsmodelle, deren Zeit abgelaufen ist." 
 
Man sollte das Justizministerium beim Wort nehmen. Die aktuelle Reformagenda des Urheberrechts wird vielfache Gelegenheiten bieten, den Worten Taten folgen zu lassen. Die einzelnen Argumente zum Leistungsschutzrecht der Verleger, zu ACTA, zur Verschärfung der Rechtsdurchsetzung etc. deuten daraufhin, dass man im Justizministerium einen fairen Interessenausgleich sucht. Den beteiligten Kreisen ist zu raten, die "Berliner Rede zum Urheberrecht" in den kommenden Monate bei sich zu haben, um an geeigneter Stelle auf die Grundpositionen der Ministerin zu verweisen.