Wie und zu welchem Zeitpunkt kommt es zum Abschluss eines Lizenzvertrages?

Wichtig ist der genaue Zeitpunkt für den Abschluss des Lizenzvertrages, da ab diesem Zeitpunkt die Bestimmungen der Open Source-Lizenz mit ihren Rechten und Pflichten wirksam werden. Die Lizenzverträge werden der Software regelmäßig in einer eigenen Datei beigefügt, zumeist „License“ oder „Copying“ genannt. Erhält ein Nutzer die Software samt Lizenzdatei, wird dadurch noch kein Lizenzvertrag geschlossen. Nach deutschem Vertragsrecht sind dafür zwei übereinstimmende Willenserklärungen erforderlich, die »Angebot« und »Annahme« genannt werden. Außerdem muss der Vertragsinhalt für einen wirksamen Vertragsschluss eindeutig bestimmbar sein.

Das Vertragsangebot des Lizenzgebers liegt in dem beigefügten Lizenzvertrag und ist damit einfach bestimmbar. Wer Software unter einer Open Source-Lizenz anbietet, macht ein Vertragsangebot an jeden, der dieses annehmen möchte. Der jeweilige Vertragspartner muss dabei nicht bekannt sein. Die Situation ist vergleichbar mit einem Aufsteller von Zigarettenautomaten, der ebenfalls jedem den Verkauf von Zigaretten anbietet, ohne dass er die jeweiligen Kunden kennen müsste (oder dies wollte).

Wann erfolgt aber die Annahme dieses Angebotes? Weder der Download der Software noch der Zeitpunkt der Übergabe einer Distribution genügt den gesetzlichen Voraussetzungen für einen Vertragsschluss, da der Nutzer im Regelfall zu diesem Zeitpunkt noch keine Kenntnis vom Lizenztext haben kann. Damit eine Open Source-Lizenz mit allen ihren Bestimmungen wirksamer Vertragsinhalt werden kann, muss der Lizenznehmer in zumutbarer Weise den Vertragstext lesen können und diesen zudem in einer nach außen „sichtbaren“ Handlung annehmen. Übereinstimmend mit diesen gesetzlichen Erfordernissen wird etwa in der GPLv2 davon ausgegangen, dass der bloße Erwerb der Software noch nicht zu einer Anwendbarkeit der GPL führt. In Ziffer 5 GPLv2 heißt es: »You are not required to accept this License, since you have not signed it. However, nothing else grants you permission to modify or distribute the Program or its derivative works«. Ein Nutzer kann also ein Open Source-Programm erwerben und benutzen, ohne einen Lizenzvertrag abgeschlossen zu haben. Der entscheidende Grund dafür liegt darin, dass die Verpflichtungen der meisten Open Source-Lizenzen erst dann greifen, wenn die Software verändert oder weitergegeben wird. Für die bloße Benutzung der Software ist die Annahme der meisten Open Source-Lizenzen daher nicht notwendig.

Die Annahme des Angebots auf Abschluss des Open Source-Lizenzvertrags erfolgt somit in der Regel erst, wenn der Erwerber von den besonderen Befugnissen aus einer Open Source-Lizenz Gebrauch machen möchte. Die Vertragsannahme erfolgt dabei in den allermeisten Fällen „konkludent“, d.h. durch schlüssiges Handeln. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Software bearbeitet oder an Dritte weitervertrieben wird. Ein Nutzer zeigt dadurch, dass er mit der GPL einverstanden ist (da er diese Handlungen ansonsten nicht vornehmen dürfte).
 
Hinweis
Diese FAQ basiert auf den FAQs des vom ifrOSS herausgegebenen Kommentars „Die GPL kommentiert und erklärt“, der im Verlag O'Reilly erschienen ist.

 
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