Affero GPL veröffentlicht - die neue Standardlizenz?

Von Dr. Till Jaeger
 
Die Free Software Foundation hat am 19. November 2007 die neue Version 3 der GNU Affero General Public License (AGPL) veröffentlicht. Diese neue Lizenz in der Familie der GNU-Musterlizenzen unterscheidet sich von der GPLv3 dadurch, dass auch bei einem ASP- bzw. SaaS-Angebot (bzw. einer anderen Form des Remote-Zugriffs über ein Netzwerk) der Quellcode zugänglich gemacht werden muss. Dieser Aspekt ist gerade bei Webapllikationen von praktischer Bedeutung. Die AGPL schützt die Freiheiten der Entwickler in dieser Hinsicht damit weitergehend als die GPL. Es fragt sich daher, ob sich die AGPL als neue Standardlizenz durchsetzen kann.

Hintergrund:

Die GPLv2 enthält keine explizite Regelung zur Zulässigkeit der Nutzung von GPL-Programmen im Wege des ASP. Zumeist wurde die Auffassung vertreten, dass die Lizenz auch diese Nutzungsmöglichkeit umfasst, jedenfalls soweit die betreffenden Programme nach Kenntnis von dieser neuen Nutzungsart entwickelt wurden. Unterschiedlich wurden aber die Pflichten bewertet, die sich für den ASP-Anbieter aus der GPL ergeben. Während in Deutschland überwiegend die Ansicht vertreten wurde, dass die Lizenzbedingungen - also insbesondere die Pflicht zur Zugänglichmachung des Quellcodes - auch bei der ASP-Nutzung eingreifen, ging man in den USA davon aus, dass bei einem ASP-Angebot keine besonderen Pflichten entstehen. Hier betrachtet die FSF die ASP-Nutzung ohne Übermittlung einer Kopie der Software eine interne Angelgeneheit des Anbieters. Dies führte dazu, dass einem Anbieter von Webanwendungen die Änderung der GPL dahingehend erlaubt wurde, dass auch bei einer Netzwerknutzung der Sourcecode zugänglich zu machen ist. Nach dem Namen des Unternehmens, der Affero Inc., wurde die Lizenz Affero General Public License (Version 1) genannt. Sie unterscheid sich von der GPLv2 durch die Ergänzung in Ziffer 2 d):

d) If the Program as you received it is intended to interact with users through a computer network and if, in the version you received, any user interacting with the Program was given the opportunity to request transmission to that user of the Program's complete source code, you must not remove that facility from your modified version of the Program or work based on the Program, and must offer an equivalent opportunity for all users interacting with your Program through a computer network to request immediate transmission by HTTP of the complete source code of your modified version or other derivative work.

Die neue GPLv3 stellt nunmehr explizit klar, dass die Lizenzpflichten nur erfüllt werden müssen, wenn bei der Nutzung auch eine Kopie der Software übertragen wird. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass nahezu alle Lizenzpflichten an dem Begriff des "convey" anknüpfen und dieser wie folgt definiert wird: To “convey” a work means any kind of propagation that enables other parties to make or receive copies. Mere interaction with a user through a computer network, with no transfer of a copy, is not conveying. Um gerade auch für Entwickler von Webapplikationen die Verwendung der überarbeiteten Lizenz zu ermöglichen, wurde die AGPL der GPL weitgehend angeglichen.

Die beiden Lizenzen unterscheiden sich inhaltlich vor allem durch ihre jeweilige Kompatibilitätsklausel in Ziffer 13. So regelt Ziffer 13 AGPL sowohl die Pflicht zur Zugänglichmachung des Quellcodes als auch die Kompatibilität mit der GPL:

13. Remote Network Interaction; Use with the GNU General Public License.
Notwithstanding any other provision of this License, if you modify the Program, your modified version must prominently offer all users interacting with it remotely through a computer network (if your version supports such interaction) an opportunity to receive the Corresponding Source of your version by providing access to the Corresponding Source from a network server at no charge, through some standard or customary means of facilitating copying of software. This Corresponding Source shall include the Corresponding Source for any work covered by version 3 of the GNU General Public License that is incorporated pursuant to the following paragraph.
Notwithstanding any other provision of this License, you have permission to link or combine any covered work with a work licensed under version 3 of the GNU General Public License into a single combined work, and to convey the resulting work. The terms of this License will continue to apply to the part which is the covered work, but the work with which it is combined will remain governed by version 3 of the GNU General Public License.

Die AGPL sieht also explizit eine Kompatibilität mit der GPL vor. Wie sich wiederum aus Ziffer 13 GPLv3 ergibt, setzt sich die AGPL als "stärkere" Lizenz durch, wenn eine Software vertrieben wird, die sich aus AGPL- und GPL-Bestandteilen zusammensetzt:

13. Use with the GNU Affero General Public License.
Notwithstanding any other provision of this License, you have permission to link or combine any covered work with a work licensed under version 3 of the GNU Affero General Public License into a single combined work, and to convey the resulting work. The terms of this License will continue to apply to the part which is the covered work, but the special requirements of the GNU Affero General Public License, section 13, concerning interaction through a network will apply to the combination as such.

Um Software unter der alten Affero General Public License, Version 1, unter der neuen Version 3 nutzen zu können, wurde eigens eine Affero General Public License, Version 2, geschaffen, die auf Version 3 verweist. Grund für diese Vorgehensweise dürfte sein, dass die AGPL anders als ihre Vorgängerin offiziell in die GNU-Lizenzfamilie aufgenommen wurde und damit auch das "GNU" im Namen führt.

Es wird interessant zu beobachten sein, ob Softwareprojekte nunmehr von der GPL auf die AGPL wechseln, um zu vermeiden, dass Dritte das Copyleft dadurch umgehen, dass sie Weiterentwicklungen nur noch im Wege des ASP bzw. SaaS anbieten und dabei den Quellcode proprietär halten.

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