Europäisches Parlament berät über Richtlinie zur Softwarepatentierung

Von Dr. Till Jaeger
 
Das Europäische Parlament berät derzeit im Ausschuss für Recht und Binnenmarkt über Änderungen zum Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen (KOM(2002)92 - 2002/0047 (COD). Der Richtlinienentwurf wurde am 20. Februar 2002 dem Europäischen Parlament von der Kommission vorgelegt. Das Europäische Parlament hat daraufhin Arlene McCarthy als Berichterstatterin eingesetzt, um im Ausschuss für Recht und Binnenmarkt den Richtlinienvorschlag zu überarbeiten. Die Berichterstatterin hat nach eigenem Bekunden die Argumente der Wirtschaft sowie der "Open Source-Bewegung" sorgfältig geprüft.

Zu den bemerkenswertesten Änderungsvorschlägen des Ausschusses für Recht und Binnenmarkt, die vom Europäischen Parlament noch als eigene Position akzeptiert werden müssen, gehören die folgenden Punkte:

    • Erwägungsgrund 12 soll dahingehend ergänzt werden, dass es für eine Patentierbarkeit nicht ausreichen soll, dass computerimplementierte Erfindungen per se zum Gebiet der Technik gehören. Es wird vielmehr ein (weiterer) technischer Beitrag zum Stand der Technik gefordert. Damit soll die Patentierbarkeit von Geschäftsmethoden und ähnlichen Verfahren ausgeschlossen werden, nur weil sie mittels Software umgesetzt werden. Allerdings sollen Erfindungen auch nicht von der Patentierbarkeit ausgeschlossen werden, nur weil sie die Nutzung eines Computerprogramms erfordern.
    • Der neu eingefügte Erwägungsgrund 13a stellt klar, dass der erforderliche technische Beitrag nicht schon darin liegen kann, dass die neue Methode auf einer Vorrichtung wie einem Computer angewendet wird. Damit soll eine Patentierbarkeit ausgeschlossen sein, wenn der neue Beitrag alleine keinen technischen Charakter hat.
    • Der ebenfalls neue Erwägungsgrund 13b soll eine Umgehung des Grundsatzes, wonach nur neue Beiträge zur Technik patentierbar sein können, durch geschickte Formulierung der Patentansprüche verhindern.
    • Erwägungsgrund 13b betont klar, dass Algorithmen (im mathematischen Sinne) von Natur aus nicht patentierbar sind. Eine Methode, die die Benutzung eines Algorithmus umfasst, könne aber unter der Voraussetzung patentierbar sein, dass die Methode zur Lösung eines technischen Problems angewandt wird. Allerdings würde ein für eine derartige Methode gewährtes Patent kein Monopol auf den Algorithmus selbst verleihen. In einem neu eingefügten Art. 4a wird diese Schranke der Patentierbarkeit explizit ausformuliert.
    • Es wird eine Änderung des Erwägungsgrundes 14 dahingehend vorgeschlagen, dass die "Richtlinie keine grundsätzliche Änderung bedeutet und den Status quo bei der Patentierbarkeit von computerimplementierten Erfindungen nicht verändert." Allerdings heißt es in diesem Erwägungsgrund auch, dass "Tendenzen entgegengewirkt" werden solle, wonach Geschäftsmethoden als patentfähig erachtet werden. So formuliert, zielt das Europäische Parlament offenkundig nicht nur auf ein Mehr an Transparenz, sondern auch auf eine Beschränkung der extensiven Auslegungspraxis des Europäischen Patentamtes (EPA).
    • Art. 3 des Richtlinienentwurfes, wonach "die Mitgliedstaaten sicher stellen, dass eine computerimplementierte Erfindung als einem Gebiet der Technik zugehörig gilt", soll ersatzlos gestrichen werden, um zu vermeiden, dass der unklare Zweck dieser Vorschrift zu einer Ausweitung der Patentierbarkeit genutzt wird.

Hintergrund:

Die Patentierbarkeit von Software gehört zu den größten rechtlichen Problemfeldern, denen die Entwickler Freier Software ausgesetzt sind. Anders als beim Urheberrechtsschutz, der die konkrete Programmierung betrifft und damit kaum einmal zu einer ungewollten Verletzungshandlung führt, besteht beim Patentschutz, der ein technisches Verfahren oder Erzeugnis betrifft und unabhängig von der konkreten Umsetzung des jeweiligen Codes besteht, stets die Gefahr einer unbewussten Verletzungshandlung. Zwar sind "Programme für Datenverarbeitungsanlagen" nach Art. 52 EPÜ bzw. § 1 PatG "als solche" nicht patentfähig, aber die extensive Auslegung der Patentämter und Gerichte in den letzten Jahren sowie das "Vorbild" der Patentierungspraxis in den USA haben zunehmend die Angst entstehen lassen, dass eine freie Programmierung wegen zahlreicher patentierter Algorithmen und der damit verbundenen rechtlichen Risiken nicht mehr möglich sei. Zu dieser Angst hat die Rechtsunsicherheit darüber beigetragen, was als "Software als solche" anzusehen ist und wo die Grenzen der Patentierbarkeit liegen.
Damit ist der Ansatz des Richtlinienvorschlags zu begrüßen, für mehr Transparenz und Rechtssicherheit durch eine klare Beschreibung der Grenzen der Patentierbarkeit zu sorgen. Allerdings wurden auch Stimmen laut, die befürchten, dass durch den Richtlinienentwurf, wie er durch die Kommission vorgelegt wurde, "amerikanische Zustände" eingeführt werden sollen. Dem entsprechend wird die Entstehung der "Softpat"-Richtlinie durch den FFII und die Eurolinux-Initiative kritisch begleitet.
Sollte sich das Europäische Parlament die Vorschläge des Ausschusses für Recht und Binnenmarkt zu eigen machen, würde der Inhalt der Richtlinie stärker als zuvor auf das Ziel Rechtsklarheit beschränkt. Weitergehende Fragen, etwa dazu, ob und in welchem Umfang Softwarepatente überhaupt innovationsfördernd sein können, ob abweichende Schutzfristen erforderlich sind oder Ausnahmen für den Bereich der Open Source Software, blieben damit außen vor und der weiteren Diskussion überlassen. Studien dazu haben das Intellectual Property Institute in London (Study "The Economic Impact of Patentability of Computer Programs") sowie das Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht in München zusammen mit dem Fraunhofer Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung in Karlsruhe (Studie "Mikro- und makroökonomische Implikationen der Patentierbarkeit von Softwareinnovationen") vorgelegt. Ein Kurzgutachten der Forschungsgruppe Internet Governance mit dem Titel "Sicherheit in der Informationstechnologie und Patentschutz für Software Produkte - Ein Widerspruch ?" wurde vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegeben und konkrete Empfehlungen zur Patentierungspolitik. Arlene McCarthy rät hier zu einer verstärkten Beobachtung der Auswirkungen von Softwarepatente auf kleine und mittlere Unternehmen.
Die Entscheidung über die Softpat-Richtlinie erfolgt im Mitentscheidungsverfahren nach Art. 251 EGV. Danach kann der Rat der Europäischen Union die Änderungsvorschläge des Europäischen Parlaments nur insgesamt übernehmen. Geschieht dies nicht und akzeptiert das Europäische Parlament auch nicht den Gemeinsamen Standpunkt des Rates, wird ein Vermittlungsverfahren einberufen oder das Verfahren scheitert insgesamt. Bis zum Erlass der Richtlinie könnte es also noch zu zahlreichen Änderungen kommen, allerdings ähnelt der Vorentwurf des Rates bereits weitgehend dem Parlamentsentwurf.