Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments entscheidet über Kommissionsvorschlag zur Softwarepatentierung

Von Dr. Till Jaeger

In dem höchst umstrittenen Gesetzgebungsverfahren der Europäischen Union zur Patentierung von Software hat der Ausschuss für Recht und Binnenmarkt des Europäischen Parlaments am 17. Juni 2003 über die vorgelegten Änderungsvorschläge entschieden. Mit 19 zu 9 Stimmen wurden die von der Berichterstatterin Arlene McCarthy (Labour, UK) erarbeiteten Änderungen zum Richtlinienentwurf der Kommission vom 20. Februar 2002 angenommen (vgl. dazu die Nachrichten der Woche vom 24.3.2003, 7.4.2003 und 11.3.2002).

Laut Bericht des Ausschusses sind die folgenden relevanten Änderungen zu dem Kommissionsentwurf und den bisher vorgelegten Änderungsvorschlägen des Rechtsausschusses und des Rates beschlossen worden:

    • Zunächst sollen die Erwägungsgründe 5 und 7a klarstellen, dass es lediglich die Aufgabe der Richtlinie zur Softwarepatentierung ist, die bislang bestehende Patentierbarkeit von "computerimplementierten Erfindungen" nach dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) zu vereinheitlichen und einheitliche Auslegungsrichtlinien dafür zu schaffen. Damit wird deutlich, dass die geplante Richtlinie nicht eine Grundsatzentscheidung pro oder contra Softwarepatente trifft, sondern die bestehenden Interpretationsunterschiede in den Mitgliedsstaaten aufheben soll. Erwägungsgrund 7a verweist - richtigerweise - darauf, dass Änderungen an den bislang bestehenden Regelungen des EPÜ nur durch die Vertragsstaaten des EPÜ vorgenommen werden kann (die nicht mit den Mitgliedsstaaten der EU identisch sind).
    • Die Erwägungsgrunde 11 und 12 versuchen deutlicher als bislang zu machen, was für eine Softwarepatentierung erforderlich ist, nämlich dass die Erfindung neu sein soll, gewerblich anwendbar und einen technischen Beitrag zum Stand der Technik liefern muss. Fehlerhaft geht der Ausschuss aber davon aus, dass "computerimplementierte Erfindungen" stets zum Gebiet der Technik gehören (vgl. Nachricht der Woche vom 7.4.2003 mit den Änderungsvorschlägen des ifrOSS). Damit wird die Frage, ob überhaupt eine Erfindung auf dem Gebiet der Technik vorliegt, umgangen und die damit verbundenen Probleme auf die Frage verlagert, ob die Erfindung einen technischen Beitrag zum Stand der Technik leisten muss, oder ob auch andere Neuerungen - etwa auf dem Gebiet der Geschäftsmethoden - zusammen mit einem irgendwie gearteten technischen Beitrag ausreichen können. Immerhin hebt die Begründung zu den Änderungen in Erwägungsgrund 12 sowie in Erwägungsgrund 13a ausdrücklich hervor, dass nicht-technische Beiträge wie bei Erfindungen im Bereich der Geschäftsmethoden nicht zu einer Patentierbarkeit führen, nur weil sie durch Software umgesetzt werden.
    • Die Erwägungsgründe 13b - 13d sollen den Besorgnissen der Softwarepatent-Gegner entgegenkommen und stellen klar, dass Algorithmen an sich nicht monoplisierbar sind und auch eine Kombination mit technischen Aspekten nicht dazu führen kann, dass nicht-technische Inhalte patentierbar werden. Auch Erwägungsgrund 14 dient diesem Zweck und betont, dass die Richtlinie nur der Rechtssicherheit und -klarheit diene, aber keine Ausweitung der Patentierbarkeit zur Folge haben soll. Im Gegenteil: Tendenzen zur Ausweitung auf Geschäftsmethoden sollen Grenzen gesetzt werden. Die Vorschläge des Rechtsausschusses enthalten damit einige hilfreiche Auslegungsgesichtspunkte, die hilfreich sein mögen, die extensive Spruchpraxis der Patentämter und Gerichte einzudämmen. Allerdings ist es wenig sinnvoll, den Fokus allzu sehr auf Patente für Geschäftsmethoden zu legen - die nach allgemeiner Ansicht in Europa ohnehin nicht patentierbar sind - und andere wesentliche Bereiche aus der klassischen Softwareentwicklung in den Hintergrund treten zu lassen.
    • Erwägungsgrund 16 stellt die in ihrer Pauschalität kaum vertretbare These auf, der Schutz geistigen Eigentums sichere und erzeuge Arbeitsplätze in Europa. Gerade dies ist für die Softwarewirtschaft in Bezug auf Patente bestritten und bislang nicht nachgewiesen. Die Ausführungen des Rechtsausschusses verharren hier auf bloßem Behauptungsniveau.
    • Löblich ist, dass die Änderungsvorschläge des Rechtsausschusses einige der Diskrepanzen zwischen den Erwägungsgründen zur Richtlinie und den eigentlichen Regelungen aufheben, die noch den Richtlinienentwurf der Kommission geprägt hatten. So soll Art. 3 gestrichen werden, wonach die Mitgliedsstaaten dafür zu sorgen haben, dass computerimplementierte Erfindungen per se als dem Gebiet der Technik zugehörig angesehen werden. Art. 4a enthält einen expliziten Ausnahmekatalog, wonach die bloße Nutzung eines Computers allein noch nicht zu einem technischen Beitrag führt. Algorithemen und Geschäftsmethoden seien daher nicht patentierbar.
    • Der neu vorgeschlagene Art. 6a stellt klar, dass mit Patenten nicht die Herstellung von Interoperabilität zwischen Computersystemen oder Netzwerken verhindert werden darf.

Hintergrund:

Auch das weitere Gesetzgebungsverfahren der Richtlinie zur Softwarepatentierung wird die Gemüter bewegen. Es ist davon auszugehen, dass noch einige Veränderungen im Mitentscheidungsverfahren im Zusammenspiel zwischen Kommission, Rat und Europäischem Parlament vorgenommen werden. Der vorliegende Vorschlag enthält etliche Verbesserungen, die nicht zuletzt dem Druck von Initiativen wie Eurolinux und dem FFII zuzuschreiben sind. Allerdings erreicht der Richtlinienentwurf auch weiterhin das selbstgesteckte Ziel nicht, für mehr Rechtssicherheit und -klarheit zu sorgen, da weiterhin keine positive Definition dessen gegeben wird, was patentierbar sein soll (vgl. dazu Art. 3 des ifrOSS-Vorschlages).