Entwurf für eine europäische Open Source Lizenz erstmals der Öffentlichkeit präsentiert

Von Till Kreutzer

Auf einem Workshop im Rahmen des Linuxtages haben Mitarbeiter des EU-Programms IDABC (Interoperable Delivery of European eGovernment Services to public Administrations, Business and Citizens) einen ersten Entwurf für die European Union Public Licence (EUPL) vorgestellt. Die Arbeiten an dem Entwurf gehen auf eine Initiative unter der Leitung der EU-Kommission (Generaldirektion Unternehmen und Industrie) zurück. Die EUPL wurde vorrangig für Software erstellt, die im Zuge des IDABC-Programms entwickelt wurde. Sie soll zudem dem übergeordneten Zweck dienen, "rechtliche Interoperabilität" herzustellen, um die gemeinsame Nutzung von Software aus dem öffentlichen Sektor zu unterstützen. Auch soll mit der Bereitstellung einer "offiziellen" europäischen Open Source Lizenz der Einführung unterschiedlicher (unter Umständen inkompatibler), nationaler Open Source Lizenzen entgegengewirkt werden.

Hintergrund:

Der Bedarf nach einer eigenen, einer europäischen Freien Software Lizenz, wurde anhand des Groupware-Tools CIRCA evaluiert. Die Software soll der gemeinsamen Nutzung von Dokumenten durch europäische und externe Institutionen dienen. Sie steht bis dato nicht unter einer Open Source Lizenz,was die Frage aufwarf, ob und unter welchen Bedingungen eine Freigabe als Open Source sinnvoll erscheint. CIRCA soll wiederum als Referenzobjekt dienen, um die Anforderungen an die EUPL zu ermitteln.

Bevor die Arbeiten an dem Entwurf für die EUPL begannen, wurde durch eine Expertengruppe eine umfangreiche Studie erstellt, in der die Anforderungen für die Open Source Lizenzierung von Software durch die Europäische Kommission am Beispiel von CIRCA untersucht wurden. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass keine der existierenden Freien Software Lizenzen (GPL, BSD, MPL et cetera) diese Anforderungen vollständig erfüllt. Während die Verfasser der Studie an den BSD-Lizenzen den fehlende Copyleft-Effekt bemängeln, wird der GPL ein "viraler Effekt" sowie mangelde Kompatibilität mit dem Europäischen Rechtsrahmen (etwa im Hinblick auf das Fehlen einer ausdrücklichen Lizenzierung des "making available rights") unterstellt. Die MPL wird wiederum vor allem von daher als ungeeignet angesehen, da diese das Recht des Staates Kalifornien für anwendbar erklärt.

Die EUPL soll laut der Studie in erster Linie die folgenden Anforderungen erfüllen: Copyleft-Effekt; Haftungsregelungen, die mit dem geltenden Recht vereinbar sind; hundertprozentige Vereinbarkeit mit dem EU-Rechtsrahmen; verbindliche Geltung verschiedener Sprachversionen (unter anderem Französisch, Englisch und Deutsch).

Ein Blick in den Entwurf der EUPL lässt einen eigenständigen Ansatz erkennen, in dem sich neben herkömmlichen auch neue Elemente für Freie Softwarelizenzen finden. Grob lässt sich die EUPL - wie die GPL - den Lizenzen mit strengem Copyleft-Effekt zuordnen. Ziff. 5, in der der Copyleft-Effekt geregelt ist, sieht keine Ausnahmen von der Regel vor, dass Bearbeitungen (Derivative Works) unter die EUPL gestellt werden müssen. Ungewöhnliche Wege schlägt die Lizenz etwa bei der Frage des Lizenzgebers ein. Während nach den weitaus meisten Open Source Lizenzen (unter anderem der GPL) jeder Nutzer die Rechte direkt vom Rechteinhaber erhält, sieht der EUPL-Entwurf in Ziff. 6 vor, dass die Einräumung der Rechte in Lizenzketten erfolgt. Das bedeutet, dass jeder, der eine EUPL-Software weitergibt, selbst zum Lizenznehmer wird. Während ein solches "Unterlizenzierungsrecht" keine absolute Neuerung für Open Source Lizenzen darstellt (auch die MPL sieht ein solches vor, vgl. etwa deren Ziff. 2.1.a), ist Ziff. 11 der EUPL bislang ohne Vorbild. Hiernach soll jeder, der ein EUPL-Programm weitergibt, Informationspflichten erfüllen und zum Beispiel seinen Namen, seine Adresse und andere persönliche Daten angeben müssen. In der Diskussion während des IDABC-Workshops wurden aus dem Auditorium Bedenken geäußert, dass hiermit eine anonyme Verbreitung von EUPL-Programmen unmöglich gemacht werde. Patrice-Emmanuel Schmitz, der gemeinsam mit Jean-Paul Triaille die Autoren der Lizenz auf dem Workshop vertrat, begründete die Regelung mit zwingenden Informationspfichten aus dem Europäischen Recht (der so genannten E-Commerce Richtlinie 2000/31/EG).

Der EUPL-Entwurf ist entgegen der Ankündigung auf dem Workshop auf der IDABC-Webseite bislang nicht zu finden. Er soll jedoch zeitnah veröffentlicht und zur Diskussion gestellt werden. Es steht zu erwarten, dass sowohl über die Frage, ob eine eigene europäische Lizenz überhaupt benötigt wird als auch über das Regelungsmodell der Lizenz im Einzelnen noch reichlich Diskussionsbedarf besteht. Jedenfalls dürfte es nicht einfach werden, dem globalen Ansatz, eine Freie Software Lizenz für Europa zu entwickeln, gerecht zu werden.