Dritter Diskussionsentwurf für die GPLv3

Von Till Kreutzer und Dr. Axel Metzger
 
Die Free Software Foundation (FSF) hat am gestrigen Mittwoch einen dritten Vorentwurf für die Neufassung der wichtigsten Freien Software Lizenz, der GPL, veröffentlicht. Der Entwurf sieht einige wichtige Veränderungen gegenüber den bisherigen Entwürfen vor. Unter anderem reagiert die FSF auf den Deal zwischen Novell und Microsoft durch eine veränderte Patentklausel.

 

Ein schwieriger Reformprozess

Die Vorarbeiten zur Überarbeitung der General Public Licence (GPL) gehen voran. Allerdings nicht so schnell, wie ursprünglich geplant. Eigentlich hatte die FSF vor, schon im ersten Quartal 2007 eine finale Fassung der neuen Lizenz zu präsentieren. Stattdessen wurde jetzt erstmal ein weiterer Diskussionsentwurf veröffentlicht. Die FSF erklärt die Verspätung mit der unvorhergesehenen Bekanntgabe des zwischen Novell und Microsoft im November 2006 bekannt gegebenen Abkommens. Dies bringe „gravierende Gefahren für die Nutzer von Freier Software mit sich.“ Man habe sich Zeit gelassen, um Mechanismen zu entwickeln, die solche Vereinbarungen verhindern und starke Verteidigungsmöglichkeiten gegen die hiermit einhergehenden Gefahren bereitstellen.
Der dritte Vorentwurf enthält erneut eine Vielzahl von Änderungen gegenüber seinem Vorgänger aus dem Sommer 2006. Diese sind teils sprachlicher und teils inhaltlicher Natur. Um die Übersicht zu gewährleisten, stellt die FSF sowohl eine Fassung bereit, in der die Änderungen hervorgehoben sind, als auch einen Kommentar zu den wichtigsten Neuerungen.

Paracopyright

Als Paracopyright überschreibt die FSF ihre Kommentare zu den Regelungen über technische Schutzmaßnahmen (DRM). In Ziffer 3 des Entwurfs findet sich eine Klausel, nach der es untersagt ist, die durch die GPL gewährten Nutzungsfreiheiten durch technische Schutzsysteme einzuschränken. Absatz 1 der Bestimmung besagt, dass kein GPL-Programm als Bestandteil einer technischen Schutzmaßnahme anzusehen sein soll. Anders als im zweiten Diskussionsentwurf verweist die Klausel nicht mehr auf eine Definition für technische Schutzmaßnahmen im US-amerikanischen Digital Millenium Copyright Act (DCMA). Dies könne – so der Kommentar der FSF zu dieser Änderung – den falschen Anschein erwecken, das auf die Lizenz in jedem Fall US-amerikanisches Copyright anzuwenden sei. Nunmehr findet sich ein Hinweis auf die Bestimmungen des WIPO Copyright Treaty (WCT), was dem Ziel einer wirklichen „globalen Lizenz“ sicher näher kommt.
Nach dem zweiten Absatz von Ziffer 3 soll jeder, der ein GPL-Programm verbreitet auf seine Ansprüche gegen die Umgehung von DRM-Systemen verzichten. Hierdurch sollen die in vielen Teilen der Welt eingeführten restriktiven Umgehungsverbote entschärft werden. Der Verzicht gilt nur insoweit, als die durch die GPL gewährten Nutzungsfreiheiten durch Umgehungsverbote eingeschränkt würden.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Streichung der umstritten Bestimmung zu „encryption keys“ in Ziffer 1 am Ende. Die Vorschrift hatte für Proteste gesorgt, weil sie so verstanden werden könnte, als wären auch private Verschlüsselungsmechanismen wie Signaturen und Ähnliches umfasst. Die Vorschrift findet sich nun in klarer gefassten Formulierungen in Ziffer 6 am Ende wieder.

Patentklauseln

Tiefgreifende Änderungen haben die Klauseln zu Softwarepatenten in Ziffer 11 der Lizenz erfahren. Interessant ist in diesem Zusammenhang zunächst die Definition von „essential patent claims“ in Ziffer 0. Es ist nunmehr klargestellt, dass sich die Patentlizenzen der „contributor“ nur auf solche Patente aus ihrem Portfolio beziehen, die für die Nutzung der von ihnen erstellten Fassung des Programms erforderlich sind. Kommt es später zu Veränderungen an dem Programm, so führt dies nicht automatisch zur Einbeziehung weiterer Patente. Die vorherigen Entwürfe hatten dies nicht klargestellt.
Wichtig ist auch die nunmehr ausdrückliche Einbeziehung von künftigen Nutzern des Programms, die ihre Kopie nicht direkt vom Patentinhaber erhalten haben. Ziffer 11 Absatz 4 stellt klar, dass die Patentlizenzen auch diese Nutzer einbeziehen.
Für Diskussionsstoff dürfte vor allem die direkt auf den Microsoft-Novell-Deal bezogene neu aufgenommen Klausel in Ziffer 11 Absatz 5 sorgen. Schon kurz nach Bekanntgabe des Abkommens zwischen Microsoft und dem Mutterunternehmen des bekannten Linux-Distributors SUSE Linux – Novell – äußerten FSF-Vertreter erhebliche Bedenken. In dem Vertrag hatten die beiden Software-Unternehmen einander zugesagt, die Kunden des anderen nicht wegen Softwarepatentverletzungen zu belangen. Richard Stallman, Gründer der FSF, kündigte seinerzeit an, den Text der GPLv3 zu ändern, um solche, für die Nutzer von Freier Software seiner Ansicht nach gefährliche, Deals zukünftig auszuschließen. Dies will man nun mit einer neu gefassten Patentklausel erreichen. Durch Absatz 5 wird Distributoren von GPL-Programmen ausdrücklich verboten, Vereinbarungen wie im Fall Novell-Microsoft einzugehen. Verstößt ein Open-Source-Distributor gegen diese Regel, verliert er nach Ziffer 8 der neuen GPL sämtliche Rechte zur Nutzung und Verbreitung des Programms. Diese Klausel bezieht sich allerdings nur auf künftige Vereinbarungen entsprechenden Inhalts. Ob die Klausel tatsächlich gegen alle denkbaren Formen entsprechender Verträge hilft, bleibt freilich der weiteren Entwicklung vorbehalten.

Automatisches „Wiederauferstehen“ der Lizenz

Eine aus Sicht des deutschen Rechts wesentliche Änderung in der GPLv3 betrifft die Folgen von Rechtsverletzungen. Nach Ziffer 4 der aktuellen GPLv2 verliert ein Nutzer automatisch seine Rechte aus der Lizenz, wenn er gegen deren Pflichten verstößt. In den ersten Entwürfen für die GPLv3 wurde dieser automatische Rechtsverlust gestrichen (siehe neue Ziffer 8). Stattdessen soll der Rechteinhaber die Lizenz in solchen Fällen nur noch kündigen können.
Hintergrund für die Änderung ist eine Besonderheit des US-amerikanischen Rechts. Hiernach wird der Rechtsverstoß nicht „geheilt“, wenn ein Nutzer sich im Anschluss wieder lizenzkonform verhält. Er kann also nicht automatisch eine neue Lizenz zur Nutzung der GPL-Software erhalten. Nach deutschem Recht ist dies nicht so, dafür hat der automatische Verlust der Nutzungsrechte wesentliche Vorteile, wenn ein Rechteinhaber (etwa ein Programmierer) gegen den Verletzer vorgehen will. Denn hierfür bedarf es nach der geltenden Lizenzversion gerade keiner aufwändigen vorherigen Benachrichtigung oder Kündigung. Die Kündigungslösung wird entsprechend von verschiedener Seite kritisiert. Dennoch hält auch der neue Entwurf hieran fest. Es wurde lediglich eine Regelung eingeführt, nach der sich die Lizenz eines Rechtsverletzers automatisch erneuert, wenn es sich um einen ersten Verstoß gehandelt hat, der innerhalb von dreißig Tagen behoben wurde. Nach deutschem Recht ist eine solche Bestimmung – wie gesagt – nicht notwendig, da jeder Rechtsverletzer ohne weiteres jederzeit eine neue Lizenz erwerben kann, wenn er sich lizenzkonform verhält. Aufgrund der genannten Nachteile bei der Verfolgung von Lizenzverstößen würde es sich aus deutscher Sicht also um eine Verschlechterung der Lizenz gegenüber der GPLv2 handeln.

Weitere Schritte der Internationalisierung

Hervorzuheben sind die weiteren Schritte in Richtung einer international tragfähigen Lizenz, welche die FSF gemacht hat. Ziffer 15 Absatz 3 enthält eine neue Vorschrift zur Haftung und Gewährleistung. Bekanntlich sind die weitgehenden Ausschlüsse in der heute gültigen GPLv2 nach deutschem Recht schlicht unwirksam. Natürlich kann es nicht wünschenswert sein, die strengeren deutschen und europäischen Regelungen nunmehr weltweit durchzusetzen. Entscheidend ist, dass der Anwender der Lizenz in Deutschland statt der unwirksamen vertraglichen Bestimmung die passenden gesetzlichen Regeln anwendet. Diese finden sich bei einer kostenlosen Überlassung im Schenkungsrecht. Der neu eingefügte Absatz unterstützt diesen Ansatz, wenn auch nicht im Sinne einer durchsetzbaren harten Vertragsklausel.
Die Berücksichtigung anderer Rechtsordnungen zeigt sich auch in Ziffer 7, welcher die Erlaubnis zur Aufnahme zusätzlicher Verpflichtungen stark zurückfährt. Ausnahmen sind hier nur noch im Interesse der Übereinstimmung mit dem anwendbaren „lokalen“ Recht zulässig.
Dass die DRM-Vorschriften in Ziffer 3 nunmehr auf die WIPO-Verträge statt den DMCA verweisen, wurde bereits erwähnt. Eine entsprechende Lösung sollte auch für Ziffer 6 Absatz 2 gefunden werden, der in der jetzigen Fassung auf den US-amerikanischen Magnuson-Moss Warranty Act verweist.

Wie geht es weiter?

Die FSF hat den weiteren Ablauf bis zur Veröffentlichung der endgültigen GPLv3 bereits festgelegt. Der aktuelle Entwurf steht nun drei Monate zur Diskussion. Danach wird eine weitere Vorfassung präsentiert, über die noch einmal dreißig Tage lang diskutiert werden darf. Danach soll die Endfassung veröffentlicht werden, was bedeuten würde, dass mit der dritten Auflage der General Public Licence noch dieses Jahr zu rechnen wäre. Die ersten Reaktionen auf den neuen Entwurf deuten auf ein versöhnliches Ende des Reformprozesses hin. Linus Torvalds, der „Vater“ des Linux-Kernels zeigte sich spontan erfreut: „Ich bin sehr angetan von dem neuen GPLv3-Entwurf“, soll sich der Starentwickler gegenüber dem Nachrichtendienst CNet geäußert haben. Über die vorherigen Entwürfe hatte sich Torvalds sehr kritisch eingelassen. Auch Bruce Perens hält das Risiko eines Folking zwischen GPLv2 und GPLv3-Befürworten in einem Diskussionsbeitrag auf slashdot für letztlich nicht sehr hoch: „I don't think they have to worry about adoption. They have all of the FSF-owned software going to GPL3, which means that you can't really make a distribution without accepting GPL3. And most likely things like Samba, MySQL, Solaris and other Sun offerings, essentially anything owned by people who don't want the trick that Novell and Microsoft pulled to apply to them. I think that will be a lot of people. In the end, it might even be the kernel team. But that will take 1 to 2 years to play out.“ Für die freie Softwarewelt wäre die einheitliche Nutzung einer Lizenzversion sicher besser.