Widerstand gegen Softwarepatente wächst

Von Dr. Till Jaeger
 
Die polnische Regierung hat sich am 16.11.2004 in einer öffentlichen Erklärung von dem am 18.05.2004 im Rat der Europäischen Union vereinbarten Kompromiss distanziert (vgl. dazu die Nachricht der Woche v. 24.05.2004). In dem Text heißt es: "Polen kann den Text, auf den sich der EU-Rat am 18. Mai 2004 einigte, nicht unterstützen". Es werden "unzweideutige Regelungen" verlangt, die eine Patentierung von Geschäftsmethoden und Funktionalitäten von Computerprogrammen ermöglichen.
Weiterhin wurde das Community-Projekt "Grokline - Patent Project" neu ins Leben gerufen. Ziel dieser vom Open Source Risk Management (zu der Versicherung siehe auch die Nachricht der Woche v. 26.04.2004) unterstützten Initiative ist es, die im Zusammenhang mit der Migration der Stadt München auf Linux als problematisch eingestuften Patente daraufhin zu überprüfen, wie die patentierte Erfindung entwickelt wurde und welche vorbestehenden Techniken bestanden. Letztlich wird eine historische Informationssammlung angestrebt, die der Überprüfung der Neuheit der Erfindung und ihrer Erfindungshöhe dient.

Hintergrund:

Die Gesetzgebung auf europäischer Ebene für eine "Richtlinie zur Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen" bewegt weiterhin die Gemüter. Die Richtlinie wird im Mitentscheidungsverfahren nach Art. 251 EGV verabschiedet. Dabei muss eine gemeinsame Position von Rat und Europäischem Parlament gefunden werden. Nachdem das Parlament die ursprüngliche Position des Rates stark überarbeitet hatte, war der Rat in einem vorläufigen (ratsinternen) Kompromiss weitgehend zu seinem Entwurf zurückgekehrt. Da die Stimmen Polens für diesen Kompromiss erforderlich sind, ist nun mehr denn je offen, wie der Rat entscheiden wird. Zudem steht noch die Zustimmung des Europäischen Parlaments in zweiter Lesung aus. Wie dessen Position nach den Europawahlen in der jetzt bestehenden Zusammensetzung aussehen wird, ist ebenfalls unklar.
Während der politische Prozess sich weiter verzögert, versuchen private Initiativen, der zunehmenden Rechtsunsicherheit entgegenzutreten. Neben Freistellungsinitiativen großer Anbieter von Open Source Software wie Novell und Sun, ist mit dem Grokline-Projekt nun ein neuer Ansatz getreten. Dort soll die rege Beteiligung von Programmierern bei der Recherche der Unix-Entwicklung im SCO-Streit als Vorbild dienen und auch für die Recherche bei Patenten fruchtbar gemacht werden. Begrüßenswert ist dabei, dass mit einer Faktensammlung mehr Sachlichkeit und eine bessere Informationsbasis geschaffen werden kann.