Die Urheberrechtsgesetz-Novelle 2003 in Österreich, Teil II

Von: Dr. Julia Küng

(Dr. Julia Küng ist WMA am Institut für Arbeitsrecht und Sozialrecht der Universität Innsbruck)
 
Die folgenden Ausführungen zeigen wichtige Gesetzesänderungen durch die UrhG-Novelle 2003 in Österreich auf. Während in der Nachricht der Woche vom 29.6.2003 ausschließlich auf Bestimmungen eingegangen wurde, die für Software Relevanz haben, gilt das Interesse diesmal ausgewählten Normen, die für andere Werke zur Anwendung kommen. Dabei werden u.a. Spezialfragen wie jene nach der Privatkopie bei durch technische Schutzmaßnahmen gesicherten Werken oder bei widerrechtlich erstellten Vorlagen (Raubkopien) angeschnitten.

Die Regelung der Vervielfältigung zum eigenen und zum privaten Gebrauch

Im Bereich der Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch (§ 42 öUrhG) brachte die UrhG-Nov 2003 einige Änderungen mit sich. Während bislang erlaubt war, einzelne Vervielfältigungsstücke zum eigenen Gebrauch auf jedem Trägermaterial herzustellen, wurde dieses Recht nun insofern eingeschränkt, als dies nur noch auf Papier oder einem ähnlichen Träger zulässig ist (§ 42 Abs. 1 öUrhG). Die Herstellung einzelner Vervielfältigungsstücke auf anderen Trägern ist nach der neuen Rechtslage jedoch gestattet, wenn diese von einer natürlichen Person zum privaten Gebrauch und weder zu unmittelbaren noch zu mittelbaren kommerziellen Zwecken unternommen wird (§ 42 Abs. 4 öUrhG).
Ein weiterer Fall des eigenen Gebrauchs ist in § 42 Abs 3 öUrhG vorgesehen. Dieser erlaubt die Herstellung einzelner Vervielfältigungsstücke zum eigenen Gebrauch von Werken, die im Rahmen der Berichterstattung über Tagesereignisse veröffentlicht wurden, schränkt dieses Recht aber auf die analoge Nutzung ein. Der Gesetzgeber will diese Einschränkung jedoch nicht allzu eng angewendet wissen - so ist nach den Materialien auch das Einscannen von Papiervorlagen erlaubt, zumal dadurch nur das Abbild der Vorlage wiedergegeben und aufbewahrt wird. Auch nach Umsetzung der Info-Richtlinie besteht das Recht, einzelne Vervielfältigungsstücke für den eigenen Gebrauch zu Zwecken der Forschung herzustellen, auf anderen Trägern als Papier oder ähnlichem jedoch nur, soweit dies zur Verfolgung nicht-kommerzieller Zwecke gerechtfertigt ist (§ 42 Abs. 2 öUrhG).
Beibehalten wurde das Recht für Schulen und Universitäten, für eine bestimmte Klasse bzw. Lehrveranstaltung im erforderlichen Umfang Kopien herzustellen und zu verbreiten, soweit die Werke ihrer Beschaffenheit und Bezeichnung nach nicht für den Schul- oder Unterrichtsgebrauch bestimmt sind. Neu ist allerdings auch hier die Differenzierung nach dem Träger- so ist die Herstellung und Verbreitung von Kopien auf einem anderen Material als Papier oder ähnlichem nur erlaubt, wenn sie zu nicht-kommerziellen Zwecken erfolgt (§ 42 Abs. 6 öUrhG). Erhalten blieb das Recht zur Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch von Sammlungen - der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtungen, welche Werkstücke sammeln, dürfen eine einzige Kopie jedes eigenen Werkstücks herstellen und diese unter den selben Voraussetzungen wie das kopierte Werkstück an seiner statt ausstellen, verleihen und benützen (§ 42 Abs 7 Z 1 öUrhG) und von veröffentlichten, jedoch entweder nicht erschienenen oder vergriffenen Werken einzelne Vervielfältigungsstücke herstellen und diese ebenfalls bis zum (Wieder)Erscheinen ausstellen, verleihen und benützen (§ 42 Abs. 7 Z 2 öUrhG). Nach Umsetzung der Info-Richtlinie sind solche Kopien auf Papier oder ähnlichem Material immer noch zu jedem Zweck erlaubt, auf anderen Trägern jedoch nur zu weder mittelbar noch unmittelbar wirtschaftlichen oder kommerziellen Zwecken.
Im Wesentlichen inhaltlich unverändert blieb die Bestimmung, dass keine Vervielfältigung zum eigenen oder privaten Gebrauch vorliegt, wenn die Kopie dazu hergestellt wird, das Werk der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (vorbehaltl. Abs. 6 und 7, s.oben). Die zum eigenen oder privaten Gebrauch erstellte Kopie darf auch nicht dazu verwendet werden, das Werk der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (§ 42 Abs. 5 öUrhG).
Die Vervielfältigung ganzer Bücher oder Zeitschriften - gleichviel ob die Vorlage das Original oder selbst eine Kopie darstellt - war schon vor der Novelle 2003 stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig. Nunmehr musste diese Bestimmung aufgrund der Richtlinie auch auf Musiknoten ausgedehnt werden, von denen bislang einzelne Vervielfältigungsstücke zum eigenen Gebrauch gemacht werden durften. Die Vervielfältigung dieser Werke durch Abschreiben und die Vervielfältigung nicht erschienener oder vergriffener Werke bleibt jedoch - nunmehr unter Einbeziehung der Musiknoten - weiterhin erlaubt (§ 42 Abs. 8 Z 1 öUrhG). Den der Öffentlichkeit zugänglichen Einrichtungen, die Werkstücke sammeln, stehen außerdem die Rechte nach § 42 Abs. 7 Z 1 öUrhG zu (s. oben). Ebenfalls und ausnahmslos nur mit Einwilligung des Berechtigten sind die Ausführung eines Werkes der Baukunst nach einem Plan oder Entwurf oder der Nachbau eines solchen Werkes zulässig (§ 42 Abs. 8 Z 2 öUrhG).
Gem. § 42a öUrhG ist es gestattet, auf Bestellung einzelne Vervielfältigungsstücke zum eigenen Gebrauch eines anderen herzustellen, wenn dies unentgeltlich geschieht. Die entgeltliche Herstellung einzelner Vervielfältigungsstücke zum eigenen Gebrauch eines anderen ist jedoch auch zulässig, wenn die Vervielfältigung mit Hilfe reprographischer oder ähnlicher Verfahren vorgenommen wird, wenn ein Werk der Literatur oder Tonkunst durch Abschreiben vervielfältigt wird oder wenn es sich um die Herstellung einzelner Vervielfältigungsstücke von Werken, die im Rahmen der Berichterstattung über Tagesereignisse veröffentlicht werden, zum eigenen Gebrauch handelt.
Achtung: § 42 öUrhG gilt für Computerprogramme nicht (§ 40d öUrhG). Bei diesen besteht genauso wie vor der Novelle kein Recht auf eine Privatkopie im Sinne einer freien Werknutzung (nur Kopien durch den zur Benutzung Berechtigten soweit für die bestimmungsgemäße Benutzung notwendig bzw. Sicherungskopien nach den selben Kriterien, vgl § 40d öUrhG).
Das Gesetz definiert nicht, was unter "einzelnen Vervielfältigungsstücken" zu verstehen ist. Der OGH hat entschieden, dass damit keine zahlenmäßige Obergrenze gemeint ist, sondern dass auf den Zweck der Herstellung der Vervielfältigungsstücke im Einzelfall abzustellen ist. So wurde von der Rechtsprechung die Herstellung von 19 Vervielfältigungsstücken noch unter die "Herstellung einzelner Vervielfältigungsstücke" subsumiert (OGH 26.1.1993, 4 Ob 94/92, MR 1993, 65).
Die neue freie Werknutzung für "Flüchtige und begleitende Vervielfältigungen" wurde in der Nachricht der Woche v. 29.6.2003 ausgeführt.

Personen mit Behinderung

Eine neue freie Werknutzung wurde auch für Menschen mit Behinderung eingeführt. So gestattet § 42d öUrhG die nicht-kommerzielle Vervielfältigung eines erschienenen Werks für Personen mit Behinderung ebenso wie die nicht-kommerzielle Verbreitung des Werks an diese in einer für sie geeigneten Form, soweit ihnen der Zugang zum Werk durch sinnliche Wahrnehmung erheblich erschwert oder unmöglich ist. Der Urheber hat dafür einen Anspruch auf angemessene Vergütung, der nur durch Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden kann.

Technische Schutzmaßnahmen und Vervielfältigung zum eigenen und zum privaten Gebrauch

Nach § 90c neu öUrhG kann der Inhaber eines Ausschließungsrechts, der wirksame technische Maßnahmen verwendet, um eine Verletzung seines Rechts zu verhindern oder einzuschränken, auf Unterlassung und Beseitigung des widerrechtlichen Zustands klagen, wenn diese Maßnahmen von einer Person umgangen werden, der bekannt ist oder den Umständen nach bekannt sein muss, dass sie dieses Ziel verfolgt. Dieses Recht steht ihm auch gegen Personen zu, die Umgehungsmittel herstellen, einführen, verbreiten, verkaufen, vermieten und zu kommerziellen Zwecken besitzen, die für den Verkauf oder das Vermieten von Umgehungsmitteln werben oder Umgehungsdienstleistungen erbringen. Gem. § 90c Abs. 2 öUrhG sind wirksame technische Maßnahmen iSd Bestimmung alle Technologien, Vorrichtungen und Bestandteile, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, die angeführten Rechtsverletzungen zu verhindern oder einzuschränken und diesen Schutzzweck auch erfüllen. Darunter fallen ausschließlich folgende Maßnahmen: eine Zugangskontrolle, ein Schutzmechanismus (Verschlüsselung, Verzerrung oder sonstige Umwandlung des Werks) oder ein Mechanismus zur Kontrolle der Vervielfältigung. Umgehungsmittel bzw Umgehungsdienstleistungen sind gem. § 90c Abs. 3 öUrhG Vorrichtungen, Erzeugnisse oder Bestandteile bzw. Dienstleistungen, die den Gegenstand einer Verkaufsförderung, Werbung oder Vermarktung mit dem Ziel der Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen bilden, die außer der Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen nur einen begrenzten wirtschaftlichen Zweck oder Nutzen besitzen oder die hauptsächlich zur Umgehung (oder deren Erleichterung) wirksamer technischer Maßnahmen entworfen, hergestellt, angepasst oder erbracht werden. Neben dem Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch stehen dem nach dieser Norm in seinem Recht Verletzten bis auf den Anspruch auf angemessenes Entgelt alle zivilrechtlichen Mittel gegen Urheberrechtsverletzungen zur Verfügung (vgl. § 90c Abs. 4 öUrhG). Außerdem droht dem Rechtsbrüchigen eine Verurteilung gem. § 91 öUrhG. § 90c öUrhG gilt gem. Abs. 5 nicht für Computerprogramme, da diese in § 90b öUrhG einer gesonderten Regelung zugeführt wurden (vgl. Nachricht der Woche v. 29.6.2003).
Es stellt sich nun die Frage, wie solche durch wirksame Schutzmaßnahmen geschützte Werke in Bezug auf das Recht zur Vervielfältigung zum privaten Gebrauch zu behandeln sind.
Der österreichische Gesetzgeber hält in den Gesetzesmaterialien fest, dass ein Recht zur freien Werknutzung nicht zur Umgehung wirksamer technischer Schutzmaßnahmen berechtigt. Er geht jedoch davon aus, dass technische Maßnahmen praktisch so gestaltet sein werden, dass die Vervielfältigung zum privaten Gebrauch möglich sein wird, hat sich aber ansonsten dazu entschlossen, die technische Entwicklung und die damit eventuell einhergehenden auftretenden Probleme abzuwarten und erst dann entsprechend legistisch zu reagieren.
Der neue Schutz von Kennzeichnungen (§ 90d öUrhG) wurde bereits in der Nachricht der Woche v. 29.6.2003 erläutert. Der strafrechtliche Schutz wurde auf die neuen Bestimmungen ausgedehnt. Gem. § 91 Abs. 1 1. S öUrhG wird nunmehr u.a. mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bestraft, wer technische Maßnahmen iSd § 90c öUrhG umgeht oder gegen den Schutz von Kennzeichnungen (§ 90d öUrhG) verstößt.

Die Rechtmäßigkeit der Vorlage

Die Problematik der Rechtmäßigkeit der Vorlage für die freie Werknutzung (Privatkopie) ist nach wie vor gesetzlich ungeregelt. Es kann daher nur versucht werden, aus Rechtsprechung und Literatur eine Tendenz zu ersehen. Der OGH hat in einer E vom 17.3.1998 ("Figur auf einem Bein") ausgesprochen, dass die zulässige Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch voraussetzt, dass sie mit Hilfe eines rechtmäßig erworbenen Werkstücks erfolgt, gleichviel um welche Art von Erwerb (entgeltlich oder unentgeltlich) es sich handelt. Noch keine E findet sich bislang zur Rechtmäßigkeit der Vervielfältigung zum eigenen Gebrauch einer rechtswidrig hergestellten Vorlage. Die bislang nur spärlich vorhandene Literatur zu dieser Frage ist jedoch überwiegend der Ansicht, dass Kopien einer widerrechtlich erstellten Vorlage nicht rechtmäßig zum eigenen Gebrauch kopiert werden können, dass also eine freie Werknutzung an diesen nicht besteht.