Die Urheberrechtsgesetz-Novelle 2003 in Österreich

Von Dr. Julia Küng

(Dr. Julia Küng ist WMA am Institut für Arbeitsrecht und Sozialrecht der Universität Innsbruck)
 
Nun ist es soweit, auch Österreich hat - aufgrund der vorzeitigen Beendigung der XXI. Legislaturperiode verspätet - die Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft vom 22. Mai 2001 (Abl. Nr. L 167 vom 22. Juni 2001, S 10) umgesetzt (öBGBl. I 32/2003). Das Hauptanliegen der am 1. Juli 2003 in Kraft tretenden UrhG-Novelle 2003 besteht darin, die Nutzung von geschützten Werken im Internet zu regeln. Ein vollkommen neuer Rechtsschutz gegen die Umgehung technischer Schutzmaßnahmen, welche die Verletzung von Rechten verhindern sollen, wurde geschaffen sowie ein Schutz für spezielle Angaben in elektronischer Form (Kennzeichnungen) eingeführt. Außerdem wurden der Katalog der freien Werknutzungen einer Bearbeitung unterzogen sowie die Vorschriften betreffend die Rechtsdurchsetzung angepasst.

Im Folgenden werden ausschließlich jene Bestimmungen dargestellt, die im Bereich der Software von besonderem Interesse sind:

- § 15 Abs. 1 öUrhG stellt nun klar, was jahrelang Anlass zu juristischen Kontroversen bot: Der Urheber hat das ausschließliche Recht, sein Werk zu vervielfältigen und dies nicht nur, wenn die Vervielfältigung dauerhaft, sondern auch wenn sie nur vorübergehend ist. Es kommt somit auch der vorübergehenden Vervielfältigung (zB beim Programmlauf) urheberrechtliche Relevanz zu.

- Durch § 18a öUrhG wird mit dem Zurverfügungstellungsrecht ein neues Verwertungsrecht eingeführt. Danach ist ausschließlich der Urheber berechtigt, sein Werk (prinzipiell jeder Art) drahtgebunden oder in drahtloser Form der Öffentlichkeit so zur Verfügung zu stellen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist. Hiervon umfasst sind nur interaktive Verwertungshandlungen, da der österreichische Gesetzgeber das Recht der nicht-interaktiven öffentlichen Wiedergabe als bereits vom Senderecht (§ 17 öUrhG) und vom Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 18 Abs. 3 2. Fall öUrhG) umfasst befindet. Die Streitfrage, ob die Nutzung von Werken und Leistungen in digitalen Netzen als Vervielfältigung und Verbreitung oder aber als öffentliche Wiedergabe (Sendung) zu beurteilen ist, ist damit im Sinne der letztgenannten Variante entschieden. Von diesem "right of making available" ist insbesondere das Bereitstellen von Werken zum Abruf durch die Öffentlichkeit auf Websites betroffen. Es bleibt zu betonen, dass das Recht der Zurverfügungstellung nicht etwa dadurch auch jemand anderem zusteht, dass der Urheber sein Werk erstmals öffentlich und interaktiv angeboten hat (z.B. ein Computerprogramm zum Download), d.h. dieses Recht erschöpft sich nicht. Um jemand anderen zur Vornahme dieser Handlung zu berechtigen, ist die Erteilung einer (nicht ausschließlichen) Werknutzungsbewilligung bzw. die Einräumung eines (ausschließlichen) Werknutzungsrechts durch den Urheber erforderlich. § 18a öUrhG stellt auf das Erfordernis der "Öffentlichkeit" ab. Diese ist im Internet regelmäßig gegeben. Es kommt nicht darauf an, ob diese Öffentlichkeit tatsächlich von der Zurverfügungstellung Kenntnis erlangt, es genügt, dass das Werk der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.

- § 41 a öUrhG stellt fest, dass die vorübergehende Vervielfältigung zulässig ist, wenn diese flüchtiger oder begleitender Art ist, sie einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens bildet, ihr alleiniger Zweck in der Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler oder in einer rechtmäßigen Nutzung liegt und sie keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung hat. Der erste Fall trifft insbesondere auf die bloße Durchleitung zu. Im zweiten Fall ist die rechtmäßige Nutzung angesprochen. Rechtmäßig ist jedenfalls die vom Urheber erlaubte Nutzung. Von einer solchen ist beispielsweise bei der Bereitstellung eines Computerprogramms zum Download durch den Urheber auszugehen. Mit § 41a öUrhG wird verhindert, dass die Bestimmung des § 15 Abs. 1 öUrhG zu permanenten Verletzungen des öUrhG führt. Es handelt sich um die Einführung einer neuen freien Werknutzung.

- Nach § 81 Abs. 1a öUrhG steht dem in einem Ausschließungsrecht Verletzten die Unterlassungsklage nun nicht nur gegen den Verletzer selbst oder gegen denjenigen, von dem eine Verletzung droht, sondern auch gegen den Vermittler (Provider), dessen Dienste zur Vornahme dieser Rechtsverletzung genützt werden, zu. Unter bestimmten Umständen (Ausschluss der Verantwortlichkeit nach den §§ 13 bis 17 ECG) ist dieser abzumahnen, bevor er geklagt werden kann. Dasselbe gilt sinngemäß für den Beseitigungsanspruch gem. § 82 öUrhG.

- § 86 Abs. 1 Z 1 öUrhG dehnt den Anspruch auf angemessenes Entgelt bei unbefugter Benutzung eines Werks nach den dem Urheber vorbehaltenen Verwertungsarten auf die Zurverfügungstellung gem. § 18 a öUrhG aus.

- § 87 Abs. 4 öUrhG bestimmt, dass dem Verletzten im Falle der Zuwiderhandlung gegen das Zurverfügungstellungsrecht ein Anspruch auf Herausgabe eines vom Verletzenden erzielten Gewinns zusteht.

- § 87b öUrhG behandelt das Recht auf Auskunft. Der neu hinzugekommene Abs. 2 verpflichtet u.a. Personen, die im geschäftlichen Verkehr durch die Herstellung oder Verbreitung von Kopien unbefugt ein Werk der Literatur (dazu zählen gem. § 2 Z 1 öUrhG auch Computerprogramme) auf eine nach dem UrhG dem Rechteinhaber vorbehaltene Verwertungsart benutzen, dem Verletzten Name und Anschrift Dritter, die an der Herstellung oder am Vertrieb der Vervielfältigungsstücke beteiligt waren, ebenso wie deren Vertriebswege preiszugeben, wenn dies nicht unverhältnismäßig im Vergleich zur Schwere der Verletzung ist. Der ebenfalls neue Abs. 3 erlegt dem Vermittler (Provider), dessen Dienste zu einer Verletzung eines Ausschließungsrechts nach dem öUrhG verwendet wurden, die Pflicht auf, dem Verletzten Name und Adresse des Verletzers mitzuteilen.

- § 90b öUrhG sieht einen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch gegen Personen vor, die Mittel in Verkehr bringen oder zu Erwerbszwecken besitzen, welche allein dazu bestimmt sind, die Umgehung technischer Mechanismen, die zum Schutz eines Computerprogramms bestehen, zu erleichtern. Neben weiteren zivilrechtlichen Konsequenzen (bis auf den Anspruch auf angemessenes Entgelt stehen dem Berechtigten alle zivilrechtlichen Mittel gegen Urheberrechtsverletzungen offen) zieht die Verletzung dieses Rechts auch strafrechtliche Folgen gem. § 91 Abs. 1 S 1neu öUrhG (s. unten) nach sich.

- § 90d öUrhG regelt den Schutz von Kennzeichnungen. Darunter sind in formaler Hinsicht Angaben in elektronischer Form - ob verschlüsselt oder unverschlüsselt - zu verstehen, die mit einer Kopie des urheberrechtlich geschützten Werks verbunden sind oder im Zusammenhang mit dem Werk gesendet, öffentlich wiedergegeben oder der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich zu den formalen Kriterien müssen inhaltliche Voraussetzungen erfüllt sein, nämlich, dass die Angaben in der Bezeichnung des Werks, des Urhebers oder eines sonstigen Rechtsinhabers bestehen (soweit alle diese Angaben von diesem sonstigen Rechtsinhaber stammen) oder diese die Modalitäten und Bedingungen für die Nutzung des Werkes festlegen. Werden solche Kennzeichnungen entfernt oder verändert, kann der Berechtigte ebenso auf Unterlassung und Beseitigung klagen, wie wenn Kopien verbreitet, zur Verbreitung eingeführt, für eine Sendung, eine öffentliche Wiedergabe oder eine öffentliche Zurverfügungstellung verwendet werden, von denen die Kennzeichnung unbefugter Weise entfernt bzw. deren Kennzeichnung geändert wurde. Dieser Anspruch besteht jedoch nur gegen Personen, die die genannten Handlungen unbefugt und wissentlich vornehmen und denen bekannt ist (oder den Umständen nach bekannt sein muss), dass sie dadurch die Verletzung eines nach dem öUrhG ausschließlich dem Berechtigten zustehenden Rechts veranlassen, ermöglichen, erleichtern oder verschleiern. Neben dem Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch stehen dem nach dieser Norm in seinem Recht Verletzten bis auf den Anspruch auf angemessenes Entgelt alle zivilrechtlichen Mittel gegen Urheberrechtsverletzungen zur Verfügung (vgl. § 90d Abs. 4 öUrhG). Außerdem droht dem Rechtsbrüchigen eine Verurteilung gem. § 91 Abs. 1 S 1 neu öUrhG.

- § 91 Abs. 1 1. S öUrhG schließlich weitet den strafrechtlichen Schutz auf die neuen Bestimmungen aus. So wird nun u.a. mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bestraft, wer technische Maßnahmen iSd § 90b öUrhG umgeht, oder gegen den Schutz von Kennzeichnungen (§ 90 d öUrhG) verstößt.

Würdigung:

Einige der Rechtssicherheit dienende und wünschenswerte Klarstellungen wurden durch diese UrhG-Novelle getroffen. So waren explizite Regelungen der vorübergehenden Vervielfältigung ebenso wie der Bereitstellung von Werken im Internet hoch an der Zeit. Für den Bereich der Open Source Software speziell interessant ist der neue umfassende (zivil- und strafrechtliche) Schutz von digitalen Kennzeichnungen, da hier beispielweise das Recht des Urhebers auf Nennung seines Namens, auf Weitergabe der Lizenzbedingungen ohne Änderungen durch den Anwender von besonderer Bedeutung sind. Besonders begrüßenswert im Rahmen dieser Novelle wäre eine den modernen Bedürfnissen entsprechende Ausgestaltung bzw Anpassung des Urhebervertragsrechts gewesen. Diese bleibt abzuwarten.