Provider müssen Auskunft über Kundendaten ohne richterliche Anweisung erteilen

Von Till Kreutzer
 
Das Landgericht Stuttgart hat in einem Beschluss (Az. 13 Qs 89/04) gegen T-Online entschieden, dass Internet Service Provider (ISPs) im Rahmen staatsanwaltschaftlicher Ermittlungverfahren verpflichtet sind, auch ohne vorherige richterliche Entscheidung Kundendaten herauszugeben, wenn der Verdacht einer Straftat (hier: Verbreitung pornografischer Inhalte) vorliegt.

Hintergrund:

Wie privatwirtschaftliche Unternehmen (zum Beispiel die Musikindustrie) hat auch die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Internet-Delikten häufig das Problem, dass die Identität eines (potentiellen) Rechtsbrechers nicht mit den zur Verfügung stehenden Informationen ermittelt werden kann. Häufig kann zwar die IP-Adresse des jeweiligen Nutzers in Erfahrung gebracht, nicht aber ein Bezug von der IP-Adresse zu einer bestimmten Person hergestellt werden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Nutzer sich meist über dynamisch vergebene IP-Adressen ins Netz einloggen. Die Daten, wer sich zu welchem Zeitpunkt über eine bestimmte IP ins Netz eingewählt und dort (unter Umständen rechtswidrige) Handlungen begangen hat, stehen nur den Providern zur Verfügung. Daher können die Staatsanwaltschaften in vielen Fällen zunächst nur gegen Unbekannt ermitteln und sind in Bezug auf die Identifizierung des Verdächtigen auf Informationen von den ISPs angewiesen. Die Internet-Provider sind zur Herausgabe von Kundendaten jedoch nur im Rahmen eines komplizierten Regelungsgefüges verpflichtet bzw. berechtigt.

Nach den Regelungen der Strafprozessordnung (§§ 100g, 100 h StPO) müssen Telekommunikationsverbindungsdaten von einem Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen grundsätzlich nur auf richterliche Anordnung herausgegeben werden. Dies gilt jedoch nicht für so genannte Bestandsdaten, also solche, die nach § 3 Abs. 3 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) "für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung, Änderung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses über Telekommunikationsdienstes erhoben werden". Solche Bestandsdaten müssen nach den §§ 95, 111, 113 Abs. 1 TKG vom Telekommunikationsdiensteanbieter auf Verlangen der zuständigen Stellen auch ohne vorherige richterliche Anweisung herausgegeben werden, soweit dies (u.a.) für die Verfolgung von Straftaten erforderlich ist. In dem Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart war vor diesem gesetzlichen Hintergrund also streitentscheidend, ob und unter welchen Umständen es sich bei Name und Anschrift des Teilnehmers (nur) um Bestandsdaten handelt. Darüber hinaus hatte das Gericht darüber zu entscheiden, ob nach den gesetzlichen Regelungen auch Bestandsdaten nur dann ohne vorherige richtliche Anordnung herausgegeben werden müssen, wenn diese nicht dem Fernmeldegeheimnis unterliegen (eine solche zusätzliche Anforderung könnte sich aus § 113 Abs. 1 Satz 3 TKG ergeben).

Das Landgericht Stuttgart hat, wie schon das Amtsgericht Stuttgart in der ersten Instanz, entschieden, dass es sich bei Name und Adresse eines Teilnehmers um Bestandsdaten handele, soweit die Staatsanwaltschaft selbst bereits über die Verbindungsdaten (also zu welcher Zeit ein Nutzer, dem eine bestimmte, ebenfalls bekannte, IP-Adresse zugeordnet war, bestimmte Handlungen vorgenommen hat) verfügt. Seien diese Verbindungsdaten bereits bekannt, handele es sich bei Namen und Adresse des Nutzers nur noch um reine Bestandsdaten und das Auskunftsverlangen der Staatsanwaltschaft sei ohne richterliche Anordnung zu erfüllen.

Hätte diese Entscheidung Bestand, hieße dies, dass ISPs den Staatsanwaltschaften bei Internet-Vergehen im Normalfall die gewünschten Kundeninformationen ohne vorherige richterliche Prüfung der Sachlage herauszugeben hätten. Denn meistens werden die Staatsanwaltschaften über die IP-Adresse (die technisch überprüft werden kann) und die potentiell rechtswidrigen (Nutzungs-)Handlungen informiert sein. Die Entscheidung könnte damit Auswirkung nicht nur auf die Verbreitung pornografischer Inhalte, sondern auch auf Verfahren entfalten, die Urheberrechtsverstöße (etwa das Anbieten geschützter Musik in Tauschbörsen) betreffen. Denkbar wäre zudem, dass der Beschluss des Landgerichts Stuttgart Signalwirkung für die Debatte um zivilrechtliche Auskunftsansprüche für (Urheber-)Rechtsinhaber entfaltet. Wäre nämlich zutreffend, dass es sich bei den auch hier regelmäßig geforderten Informationen über Name und Anschrift des Nutzers im Normalfall nicht um Verbindungs-, sondern um Bestandsdaten handelt, wäre den datenschutzrechtlichen Argumenten, die gegen einen solchen Auskunftsanspruch eingewendet werden, erhebliches Gewicht genommen. Bestandsdaten sind nach den Wertungen des Datenschutzrechts weniger sensibel als Verbindungsdaten und unterliegen entsprechend weniger strengen datenschutzrechtlichen Regelungen.