Öffentliches Zugänglichmachen des DeCSS-Codes verboten!

Von Carsten Schulz

Der United States Court of Appeals for the Second Circuit entschied, dass das Hacker-Magazin 2600.com auf seinen Internet-Seiten weder den DeCSS-Code zur Verfügung stellen darf noch Links zu Webseiten setzen, die diesen Code zugänglich machen. Es bestätigte damit die Entscheidung der Vorinstanz aus dem August 2000. Gestützt wird das Verbot auf eine Regelung des Digital Millenium Copyright Act (DMCA), die die Umgehung technischer Schutzmechanismen untersagt.

Hintergrund:

Das Verfahren war in den USA auf besondere Aufmerksamkeit gestoßen, da sich das Gericht im Wesentlichen mit der Verfassungsmäßigkeit des Verbotes der Umgehung von Kopierschutzmechanismen zu beschäftigen hatte. Aber auch aus europäischer Sicht ist die Entscheidung von einem gewissen Interesse: Denn hier steht die Umsetzung des Verbotes der Umgehung technischer Schutzmaßnahmen "vor der Tür", die konkrete Ausgestaltung wird momentan umfassend diskutiert.

Die Verteidigung hatte während des Prozesses im Wesentlichen damit argumentiert, dass das umfassende Verbot der Umgehung technischer Kopierschutzmechanismen gegen die U.S.-amerikanische Verfassung verstoße, da es eine Verletzung des First Amendments (häufig zu eng als "Meinungsfreiheit" übersetzt) darstelle. Aufgrund dieses rechtswidrigen Eingriffs in die Rechte der DVD-Nutzer könne die Regelung nicht zur Anwendung kommen und sei daher folglich das Zugänglichmachen von Umgehungssoftware auch nicht verboten: Der DVD-Kopierschutzmechanismus CSS mache den "fair use" sowie andere priviligierte Nutzungsmöglichkeiten von digitalisierten Werken praktisch unmöglich. Damit bewirke das umfassende Verbot der Umgehung dieser technischen Kopierschutzmechanismen eine vollständige Eliminierung dieser Nutzerrechte. Dies stelle einen radikalen Abschied vom traditionellen Urheberrecht dar. Zwar sei zuzugeben, dass die Besonderheiten digitaler Werke gewisse technologische Regulierungen rechtfertigen könnten. Der Gesetzgeber sei aber dazu verpflichtet weniger einschneidende Möglichkeiten zu wählen, wenn solche bestünden. Eine solche weniger einschneidende Maßnahme liege etwa darin, Endverbrauchern in Verbindung mit einer Geräte- und Leermedienabgabe das Kopieren von legal erworbenen digitalen Werken zu gestatten und nur die Umgehung solcher Kopierschutzmechanismen zu untersagen, die das Herstellen größerer Mengen (und nicht schon einzelner) Kopien desselben Werks verhindern sollen.

Das Gericht folgte dieser Auffassung nicht; es sah in der gesetzlichen Regelung keine ungerechtfertigte Verletzung des First Amendment. Insbesondere liege kein verfassungsrechtlich relevanter Eingriff in die "fair use"-Befugnisse vor. Denn "fair use" garantiere nicht den Zugriff auf das optimale Kopierverfahren. Und andere Möglichkeiten des "fair use" würden ja beim Erwerber verbleiben, z.B. könne er die DVD vom TV-Monitor abfilmen!

Diese Entscheidung des Gerichts überrascht bei genauem Hinsehen nicht: Das Gericht war keineswegs dazu berufen, die "beste" Regelungsmöglichkeit selbst zu finden. Es hatte allein zu entscheiden, ob das Gesetz die Grenzen der Verfassungsmäßigkeit überschritt. Und hier hat der Gesetzgeber weite Gestaltungsspielräume, die das Gericht als nicht überschritten ansah.

Ob die grundsätzliche Gewichtung der gegenläufigen Interessen durch den U.S.-amerikanischen Gesetzgeber optimal ist, kann hingegen mit guten Gründen bezweifelt werden. Im Hinblick auf die anstehende bundesdeutsche Umsetzung des Art. 6 der EU-Richtlinie, der eine Pflicht zur Einführung eines gesetzlichen Schutzes von technischen Kopierschutzmechanismen beinhaltet (Umsetzungsfrist: 18. Dezember 2002), schlägt das IfrOSS jedenfalls eine deutlich verbraucherfreundlichere Lösung vor.