Neue Muster-Lizenzvereinbarung zur Implementierung von Spezifikationen

Von: Stefan Labesius
 
Die Open Web Foundation (OWF) hat mit ihrem Open Web Foundation Agreement, Version 0.9 (OWFa) eine Modellvereinbarung vorgestellt, die eine freie Implementierung von Web-Spezifikationen sicherstellen soll. Die Vereinbarung zielt auf eine freie Nutzung von Urheber- und Patentrechten, mit denen die Spezifikation behaftet ist.
In Bezug auf urheberrechtlich geschützte Elemente räumt das OWFa eine weltweite, nicht-ausschließliche, unentgeltliche Lizenz ein, die betreffende Spezifikation u.a. zu vervielfältigen, zu verbreiten und zu implementieren (vgl. Pkt. 2.1). Jedoch ist der Lizenznehmer zu Nennung der Bezeichnung der Spezifikation in einem abgeleiteten Werk - einer neuen Version der Spezifikation - verpflichtet (Pkt. 2.2). Auch besteht die Möglichkeit der Sublizenzierung durch Lizenznehmer, jedoch ohne eine Verpflichtung, zu den Bedingungen der OWFa zu lizenzieren.

Bei der Frage bestehender Patentrechte sind die Regelungen des OWFa zweigleisig ausgestaltet. Zum einen statuiert die Vereinbarung einen Verzicht auf gerichtliche Anspruchsdurchsetzung bei sog. notwendigen Patentansprüchen (Pkt. 3.1). Darunter sind solche Ansprüche zu verstehen, die für die Implementierung einer Spezifikation unerlässlich sind. Insoweit dürfte der Durchsetzungsverzicht als "Patentlizenz" i.S.d. der GPL v3, Ziffer 11 Absatz 4 anzusehen sein. Ebenfalls bezieht sich der Durchsetzungsverzicht auf die Herstellung, die Verwendung, den Verkauf, das Anbieten, den Import oder Vertrieb eine Implementierung von abgeleiteten Werken, die die betreffende Spezifikation implementieren.

Zum zweiten gewährt die Vereinbarung aber auch ausdrücklich eine unentgeltliche Lizenz an sog. notwendigen Patenten zu angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen (Pkt. 3.2). Damit bedarf die Lizenzeinräumung nicht nur sog. RAND-Bedingungen (reasonable, and non-discriminatory), sondern sie muss auch für den Lizenznehmer kostenfrei (royalty-free) erfolgen. Auffällig ist aber, dass insoweit kein Recht zur Sublizenierung eingeräumt wird.

Sämtliche eingeräumten Lizenzrechte der OWFa sollen aber entfallen, sobald der Lizenznehmer gegen den Lizenzgeber oder Dritte wegen Lizenzverletzung aufgrund der Implementierung der betreffenden Spezifikation gerichtlich vorgeht (vgl. Pkt. 3.1.2.1). Soweit ein mit dem Lizenzgeber verbundene Einheit ein gerichtliches Vorgehen gegen den Lizenznehmer anstrengt, gibt der Lizenzgeber sämtliche Rechte, die er in Bezug auf die Spezifikation erhalten hat, frei (Pkt. 3.1.2.2).

Vorgesehen ist die Verwendung des OWFa zunächst für bereits fertig entwickelte oder bereits genutzte Spezifikationen. Für neu zu entwickelnde Spezifikationen hat die OWF angekündigt, ein speziell hierfür entworfenes sog. Contributor License Agreement (CLA) demnächst zu veröffentlichen. Das CLA soll in Zukunft Voraussetzung für die Teilnahme an der Entwicklung einer OWFa-lizenzierten Spezifikation sein.
 
Hintergrund:

Schon seit vielen Jahren wirft die Einbeziehung von patentierten Technologien in Standards und Spezifikationen erhebliche praktische Probleme auf. Zur Illustrierung sei nur auf eine Reihe von rechtlichen Auseinandersetzungen der jüngsten Zeit hingewiesen, wie z.B. Nokia ./. Apple, Apple ./. W3C, IP Com ./. HTC, IP Com ./. Nokia.
 
So besitzen mittlerweile die meisten Standardisierungsorganisationen eigene Richtlinien zum Umgang mit Immaterialgüterrechten auf Standards (sog. IPR-Policies), denen es aber an rechtlicher Durchsetzbarkeit mangelt. Dort ist vorgesehen, dass ein Patentrechtsinhaber gegenüber der Standardisierungsorganisation erklärt, ein standardbezogenes bzw. sog. essentielles oder notwendiges Patent zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen an jedermann zu lizenzieren (sog. FRAND-Erklärung), um den entsprechenden Standard überhaupt nutzbar machen zu können. Die Frage allerdings, was unter einer fairen, angemessenen Bedingung zu verstehen ist, beantworten die IPR-Policies in der Regel nicht. Allerdings sind solche FRAND-Erklärungen in ihrer Handhabung und Wirkung sehr umstritten. So verleihen sie zumindest nach deutschem Rechtsverständnis grundsätzlich keinen originären Anspruch auf Rechteeinräumung unter den jeweiligen Bedingungen (vgl. Landgericht Mannheim, Urt. v. 27.2.2009, GRUR-RR 2009, 222). Soweit eine solche FRAND-Erklärung von vornherein nicht auch die unentgeltliche Nutzung vorsieht, kommt aber auch eine Implementierung der betreffenden Spezifikation bei Open-Source-Software schon grundsätzlich nicht in Betracht.
 
Allerdings sehen eine Reihe sog. IPR-Policies die Möglichkeit einer unentgeltlichen Lizenzierung eines Standards vor. So verlangen beispielsweise die Patent-Policies der W3C ausdrücklich, dass Patentrechte an den von ihr spezifizierten Standards nur unentgeltlich zu lizenzieren sind. Andere Standardisierer wie z.B. IEEE-SA (IEEE-SA Standards Boards Bylaws, Pkt. 6.2) oder IETF (RFC 3979, Pkt. 6.5) bieten zumindest die Alternative einer unentgeltlichen Lizenzierung von Schutzrechten an. Mit dem nun vorgestellten OWFa liefert die OWF vertragliche Regelungen für solche Vereinbarungen zwischen Rechteinhabern und Lizenzsuchern. Somit kann das OWFa auch für Spezifikationen verwendet werden,  deren Patent- oder Urheberrechte bereits zur unentgeltlichen Nutzung freigeben werden.
Der OWFa fehlt im Übrigen auch eine Definition, was unter angemessen und nicht-diskriminierend zu verstehen ist. Einen Anhaltspunkt könnte insoweit die Beschreibung der Diskriminierung nach der GPL v3 Ziffer 11 Abs. 7 liefern. Die neu gegründete OWF sieht es als ihre Aufgabe an, eine Plattform zur Entwicklung von community-betriebenen Web-Spezifikationen, die die Etablierung von Web-Spezifikationen in vielfältigen Bereichen zum Ziel hat. Der Text der OWFa selbst ist unter der Creative Commons Attribution 3.0 Lizenz veröffentlicht.