Finanzgericht Köln: Freie Software kann auch ohne Konferenzen entwickelt werden - das Internet genügt

Von: Dennis G. Jansen, LL.M. (Berkeley)

 

Das Finanzgericht Köln entschied im Fall JandBeyond e. V. (wir berichteten), dass die Förderung von freier Software auch ohne Konferenzen möglich sei. Entwickler und Anwender müssten sich nicht persönlich treffen. Für Informationsaustausch und BIldung genüge das Internet. Dort erhielten Anwender die Software und dort würde sie weiter entwickelt. Unter anderem die Joomla Days seien daher kein steuerlich privilegierter Zweckbetrieb. Die Entscheidung hat das Potential, die Attraktivität Deutschlands als Standort für gemeinnützige Internetprojekte erheblich zu beeinträchtigen.

 

Das FInanzamt hatte entschieden, Veranstaltungen seien nicht das unentbehrliche und einzige Mittel zur Verwirklichung der steuerbegünstigten Satzungszwecke. Das Sponsoring der Veranstaltungen sei vielmehr steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, da der Verein sich aktiv um Werbekunden bemühe. Der Verein nehme wie andere Gewerbetreibende am wirtschaftlichen Verkehr teil.

 

Das Gericht bestätigte im Wesentlichen diese Entscheidung: Entscheidend war vorliegend der zweite Faktor: Können die gemeinnützigen Zwecke (die Förderung von Open Source Software) nur durch den Geschäftsbetrieb (Konferenzen) erreicht werden? Sind Konferenzen, die freie Software fördern, ohne wirtschaftliche Betätigung möglich? Das Gericht entschied, die Veranstaltungen seien zwar wohl ein geeignetes Mittel zur Förderung der Satzungszwecke. Der Vereinszweck, die Förderung von freier Software, könne jedoch auch ohne derartige Veranstaltungen verwirklicht werden. Die Hauptplattform der Verbreitung und Informationssaustausches seien nicht Veranstaltungen, sondern das Internet. Im Internet erhielten Anwender die Software und im Internet werde die Software weiterentwickelt.

 

"Ein Zweckbetrieb ist gegeben, wenn

  1. der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen,
  2. die Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können und
  3. der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist." (§ 65 AO). 

 

Es ist fraglich, ob das Urteil die Realität der freien Softwareentwicklung angemessen widerspiegelt. Ob ein Zweck "nur" durch einen bestimmten Geschäftsbetrieb erreicht werden kann, ist Auslegungssache. Der Wortlaut deutet hier zunächst auf eine enorm strenge Auslegung hin, dass etwa keine andere Möglichkeit vorhanden sein darf, Open Source Software zu fördern, als durch eine Konferenz. Im Kontext von Nr. 1 scheint eine Auslegung dahingehend sinnvoller, dass die Zwecke nur sinnvoll und effektiv durch den Geschäftsbetrieb erreicht werden können. Andernfalls würden gemeinnützige Betätigungen stark eingeschränkt.

 

Konferenzen zu Open Source Software dürften regelmäßig sinnvoll und effektiv zur Zweckerfüllung der Förderung von Open Source Software beitragen. Denn persönlicher menschlicher Kontakt kann - jedenfalls noch nicht - effektiv durch digitale Medien ersetzt werden. Ebenso wie sich Personen in anderen Umgebungen, etwa die Kammer eines Gerichts, nicht effektiv ausschließlich über digitale Medien wie Videokonferenzen beraten können, kann ein Projekt nicht ohne persönliche Treffen gesteuert werden. Dies gilt insbesondere im Bereich der Entwicklung freier Software: Entscheidungen sind komplizierter als in vielen anderen Bereichen, denn es gibt wenig Hierarchien, die eine Entscheidung strukturieren. Einem Projekt droht bei zu großen Differenzen jederzeit eine Aufspaltung ("fork"). Durch die Verwendung freier Lizenzen ist ein fork meist ohne weiteres möglich.

 

Ziel einer Entschiedungsfindung ist daher regelmäßig, alle Stakeholder zufrieden zu stellen. Hierfür muss diesen zunächst eine eine Möglichkeit gegeben werden, ihre Meinung kundzutun. Dies ist auch online möglich. Zusätzlich müssen aber auch alle Stakeholder (inbesondere Entwickler und Anwender) zufriedengestellt werden. Dies ist ohne persönlichen Kontakt kaum möglich. Eine allgemein akzeptable Einigung zu finden ist ohne persönliche Kommunikation enorm schwierig. Unter Berücksichtigung der Komplexität der zu treffenden technischen Entscheidungen ist es in jedem Fall eine enorm schwierige Aufgabe, alle Stakeholder zufrieden zu stellen. Hieran scheitern zum Schaden der Allgemeinheit immer wieder Projekte. Vermutlich liegt der Anteil der Projekte ohne Konferenzen dabei deutlich höher.

 

Eine Konferenz dürfte tatsächlich oft der einzige Weg zu sein, um eine Weiterentwicklung von Open Source Software sicherzustellen. Denn Treffen einzelner Entwickler werden mit größter Skepsis betrachtet. Um mehr Transparenz bei solchen Treffen herzustellen wurden die strengen "Harvey Birdman Rules" entwickelt. Da interpersonelle Konflikte bei persönlichen Treffen jedoch am besten gelöst werden können, sind größere persönliche Treffen erforderlich. Solche Treffen lassen sich aber ohne eine Konferenz kaum bewerkstelligen.

 

Auch eine alternative Organisation der Veranstaltungen, etwa ohne Sponsoren, scheint sehr schwierig. Denn dass Anwender oder gar Entwickler für freie Software mehr Geld zahlen, um Sponsoren zu ersetzen, ist oft inkompatibel mit dem Budget der Stakeholder. Geringere Teilnehmerzahlen führen andererseits wieder zu weniger Transparenz, Beteiligung und Akzeptanz von Entscheidungen. Kurzum: Auf Konferenzen zu freier Software finden sehr wichtige Prozesse statt, die nicht durch das Internet ersetzt werden können. Auch ein Verzicht auf Sponsoren scheint praxisfern. Projekte für freie Software würden von sich heraus zu den ersten zählen, die auf beides verzichten, wenn es nicht erforderlich wäre.

 

Das Urteil ist daher ein harter Schlag für Open Source Software. Wenn es Bestand hat, dürften Konferenzen für freie Software teurer und weniger attraktiv werden. Die Rechtsprechung könnte auch zu einer Verlagerung von Vereinen aus Deutschland führen. Dies würde mehr Steuereinbußen sowie den Verlust eines wichtigen Standortfaktors in der New Economy bedeuten. Weitergedacht dürfte das Urteil auch für andere gemeinnützige internetbasierte Unternehmungen teuer werden. Unter Verweis auf die Möglichkeit der Kommunikation per Internet könnten Konferenzen internetbasierter Unternehmungen reihenweise aus der Gemeinnützigkeit herausfallen. Ob diese strenge Auslegung des § 65 AO im Sinne des Gesetzgebers oder der Staatskasse ist, kann bezweifelt werden.

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