Aufsatz über Open Source Software in der Zeitschrift "Computer und Recht"

Von RA Olaf Koglin

In der Januar-Ausgabe der juristischen Fachzeitschrift "Computer und Recht", S. 9-18, wurde ein Aufsatz von Rechtsanwalt Thies Deike mit dem Titel "Open-Source-Software: IPR-Fragen und Einordnung ins deutsche Rechtssystem" veröffentlicht, den wir hier für Sie zusammenfassen.

Nach der Einleitung, in der auf die Open Source-Idee und die wesentlichen Klauseln der GPL eingegangen wird (S. 9-11), befasst sich Deike zunächst mit dem Internationalem Privatrecht (IPR). Das IPR regelt in Fällen mit Bezug zu mehreren Staaten, wessen Landes Recht anzuwenden ist, ob also zum Beispiel deutsches oder US-amerikanisches Vertragsrecht anzuwenden ist. Deike geht davon aus, dass durch die GPL keine Rechtswahl vorgenommen wird (was rechtlich gemäß Art. 27 Einführungsgesetz zum BGB - EGBGB - möglich wäre). Eine ausdrückliche Rechtswahl enthält die GPL nicht. Gegen eine sich "aus den Umständen des Falls" (Art. 27 Abs. 1 S. 2 EGBGB) ergebende Wahl des US-amerikanischen Rechts spreche, dass die GPL nur als Mustervertragstext gedacht sei und Sec. 11 und 12 einen Bezug zum jeweils anzuwendenden Recht enthalten ("to the extent permitted by applicable law" bzw. "unless required by applicable law"). Daher werde das anzuwendende Recht nach Art. 28 EGBGB bestimmt. Art. 28 Abs. 2 EGBGB enthält eine Vermutung, wonach "der Vertrag die engsten Verbindungen mit dem Staat aufweist, in dem die Partei, die die charakteristische Leistung erbringt," ihren Wohn- oder Geschäftssitz hat. Die charakteristische Leistung sei bei der GPL die des Lizenzgebers, zumal den Lizenznehmer keine zwingende Verwertungspflicht treffe. Daher sei grundsätzlich das Recht am Sitz des Lizenzgebers anwendbar. Gebe es mehrere Urheber, könnten mehrere Rechtsordnungen Anwendung finden (S. 11-12).

Falls der Lizenznehmer jedoch Verbraucher mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland sei, könne nach der Verbraucherschutzvorschrift des Art. 29 Abs. 2 EGBGB deutsches Recht gelten. Dies sei, soweit Art. 29 EGBGB anwendbar ist, auch dann der Fall, wenn der Lizenzgeber seinerseits Verbraucher ist. Ob der einen Vertrag "über die Lieferung beweglicher Sachen oder die Erbringung von Dienstleistungen" voraussetzende Art. 29 EGBGB tatsächlich auf die Softwarelizenzierung durch die GPL anwendbar sei, hinge von der bislang nicht abschließend geklärten Frage ab, ob Software - zumindest im Sinne des IPR - eine bewegliche Sache ist (S. 12).

Die GPL sieht Deike als Vertragsverhältnis zwischen Urheber und Nutzer. Der vorformulierte GPL-Text stelle dabei Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB dar. Bei der Weitergabe der Software seien - wie in Sec. 6 GPL vorgesehen - Vertragspartner jeweils der Urheber und der neue Nutzer; eine "Kettenlizenzierung" fände nicht statt. Dabei trete der weitergebende Nutzer als vom Urheber bevollmächtigter Vertreter (und nicht als dessen Bote) auf. Voraussetzung für die Einbeziehung der GPL als Allgemeine Geschäftsbedingungen sei allerdings beim Vertragschluss über das Internet, dass ein Hinweis auf die Geltung der GPL gegeben wird und die Möglichkeit zur Kenntnisnahme des GPL-Textes besteht. In dem Herunterladen der Software bestehe dann die konkludente Annahme des GPL-Vertrages. Der Vertrag komme nicht erst in dem Moment zu Stande, in dem die GPL-Software erstmals verändert oder verbreitet würde. Die dahingehende Erklärungsfiktion in Sec. 5 S. 4 GPL könne im deutschen Vertragsrecht nicht wirksam sein, falls vorher überhaupt kein Vertrags bestehe. Daher könne auch die AGB-rechtliche Wirksamkeit dieser Fiktion (§ 308 Nr. 5 BGB) dahinstehen (S. 13). Sofern ein Verbraucher die Software bei einem Unternehmer herunterlädt, seien die fernabsatzrechtlichen Informationspflichten sowie die Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr (§ 312c bzw. § 312e BGB) zu beachten. Ein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht bestehe jedoch aufgrund § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB beim Software-Download nicht (S. 13-14).

Der Haftungs- und Gewährleistungsausschluss durch Sec. 11, 12 GPL sei AGB-rechtlich (und, soweit die Haftung für Vorsatz ausgeschlossen wird, nach § 276 Abs. 3 BGB) unzulässig. Vorbehalte wie "unless required by applicable law" seien als salvatorische Klauseln auch im internationalen Geschäftsverkehr nicht geeignet, die Haftung auf das national zulässige Maß zu beschränken. Daher sei der Haftungs- und Gewährleistungsausschluss in vollem Umfang unwirksam (S. 13). Folglich richte sich die Gewährleistung nach dem Vertragstyp. Die Pflichten des Lizenznehmer aus dem Copyleft stellen nach Deike schenkungsrechtlich keine Gegenleistung für den Erhalt der Software dar, da das "ob" der Weitergabe der Software im Belieben des Lizenznehmer stehe. Auch fehle eine finale Bindung zwischen der Leistung des Lizenzgebers und den Pflichten des Lizenznehmers. Unentgeltlichkeit im Sinne einer Schenkung (§ 516 BGB) liege daher vor (S. 14). Darüber hinaus sei aber für eine Schenkung die Entreicherung des Lizenzgeber erforderlich. Ob das in der kostenlosen Lizenzierung liegende Unterlassen eines Verdienstes als schenkungsrechtliche Entreicherung ausreicht, ist umstritten. Es bestehe aber die selbe Interessenlage wie bei der Schenkung, weshalb die Normen über die reduzierte Haftung des Schenkers (§§ 521, 523, 524 BGB) zumindest analog anzuwenden seien. Bei entgeltlichen Zusatzleistungen, zum Beispiel bei Linux-Distributionen, könne allerdings eine Haftung bestehen. In diesen Fällen könne auch eine Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz bestehen, da Software ein Produkt im Sinne von § 2 ProdHaftG sein könne (S. 15).

Urheberrechtlich könnten sich bei Open Source Software aufgrund der Vielzahl von Urhebern praktische Probleme ergeben. Dem Lizenznehmer würden Nutzungsrechte eingeräumt, die - außer den ausdrücklich in der GPL genannten Handlungen - auch das bloße Ausführen des Programms erlauben. (S. 15-16). Die Beschränkungen durch das Copyleft haben nach Deike nur schuldrechtliche und keine dingliche Wirkung, da die kommerzielle Verbreitung von Software gegenüber der unentgeltlichen Weitergabe aufgrund der GPL keine selbständige und abgrenzbare Nutzungsart sei (S. 16). Allerdings liege in der "Terminierungsklausel" der Sec. 4 S. 2 GPL eine auflösende Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB), so dass mit dem Verstoß gegen die GPL-Klauseln das Nutzungsrecht endet (S. 16-17).

Zu Schwierigkeiten könne jedoch die Entwicklung von Open Source Software in Arbeitsverhältnissen führen, da § 69b UrhG dem Arbeitgeber sämtliche vermögensrechtliche Befugnisse an einem solchen Programm zuweist. Diese Rechtseinräumung sei Teil der bezahlten Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, was mit einer Pflicht zur kostenlosen Lizenzierung kollidieren könnte. Weitere Schwierigkeiten könne es durch das im Jahr 2002 modifizierte Urhebervertragsrecht geben, das jedem Urheber das Recht auf eine angemessene Vergütung zusichert. Zwar besteht durch die "Linux-Klausel" (§ 32 Abs. 3 S. 3 UrhG) eine Ausnahme, wenn jedermann unentgeltlich ein Nutzungsrecht an der Software eingeräumt wird. Die Software-Erstellung im Arbeitsverhältnis und die damit verbundene Berechtigung des Arbeitgebers geschehe aber gerade nicht unentgeltlich (S. 17).

Hinweise:

    • Der vorstehende Text beinhaltet nur eine Zusammenfassung des genannten Aufsatzes und gibt nicht zwingend die Rechtsauffassung des Instituts oder des Autors dieser Nachricht der Woche wieder.
    • Für das Heft 2 der Computer und Recht ist ein weiterer Artikel von Thies Deike (zusammen mit Ulrich Wuermeling) mit dem Titel "Open Source Software: eine juristische Risikoanalyse" angekündigt.
    • Die Texte der zitierten Gesetze finden Sie unter http://jurcom5.juris.de/bundesrecht/index.html.