Fortgang der Urheberrechtsreform: Regierungsentwurf zur Umsetzung der Urheberrechtsrichtlinie veröffentlicht

von Till Kreutzer

 

Am 31.Juli 2002 wurde vom Bundeskabinett der Regierungsentwurf zur Umsetzung der EU-„Multimedia-Richtlinie" über die Anpassung des Urheberrechtsgesetzes an die Anforderungen der „Informationsgesellschaft" vorgelegt. Gegenüber dem heftig umstrittenen Referentenentwurf vom 28. März 2002 wurden einige Änderungen vorgenommen. Längst nicht alle Streitpunkte wurde indes einer Lösung zugeführt. Insbesondere die beiden heftig umkämpften Felder „digitale Privatkopie und technische Schutzmaßnahmen" sowie „elektronische Pressespiegel" wurden von der geplanten Neuregelung ausdrücklich ausgespart. Andere, nicht mit der Richtlinien-Umsetzung zusammenhängende, umstrittene Themen, wie z.B. die Behandlung von Archivbeständen, wurden ebenfalls durch den Reformentwurf nicht angegangen. Es wurde damit auf eine umfassende Reform des Gesetzes verzichtet. In der Begründung heißt es zu dieser Enthaltsamkeit, dass man eine schnelle Anpassung an die Vorgaben anstrebe. Dies sei schon aufgrund der Umsetzungsfrist (welche am 18. Dezember 2002 endet) geboten.

Diese Zweiteilung des Reformvorhabens hinterlässt ein lachendes und ein weinendes Auge. Lachend, da angesichts der Unsicherheiten über den Ausgang der Wahl im September die Gewissheit bestünde, dass die Umsetzung der EU-Richtlinie durch eine Regierung vorgenommen wird, die sich durch einen einigermaßen ausgeprägten Sinn für den Verbraucherschutz ausgezeichnet hat, was eine andere Regierung erst noch unter Beweis stellen müsste. Weinend hingegen, da dies zu einer Zersplitterung des Regelungsgefüges im Urheberrecht führen wird, über dessen zukünftige Regeneration eben wegen der Unsicherheiten über die nächste Regierung einige Ungewissheit verbliebe. Fakt ist jedenfalls, dass die Vorabregelung des Unstreitigen bedeuten würde, dass v.a. die Expansion des Rechts zugunsten der Rechtsinhaber gleich erfolgt, wogegen die Beschränkungen des Schutzes zugunsten Dritter erst einmal offen bliebe. Fällt der Regelungsdruck (aufgrund der Umsetzungsfrist) in Bezug auf die Anpassung der Schrankenvorschriften erst einmal weg, muss befürchtet werden, dass dieser wichtige Regelungsbereich auf eine allzu lange Bank geschoben wird. Die Balance der Interessen würde damit auf unbestimmte Zeit aus dem Gleichgewicht gebracht.

Hintergrund:

Die Änderungen gegenüber dem Referentenentwuf sind weit überschaubarer, als es das Ausmaß der Kritik gegen diesen Vorschlag des Bundesjustizministeriums vermuten ließen. Von maßgeblicher Bedeutung ist eine neue Schrankenvorschrift, welche die Nutzung von geschütztem Material in Unterricht und Forschung vereinfachen soll (§ 52 a). Erlaubt werden soll durch diese Regelung das „öffentliche Zugänglichmachen", also das Online-Angebot, von Werken zur Veranschaulichung im Unterricht an die Unterrichtsteilnehmer oder an einen bestimmt abgrenzbaren Kreis von Personen für deren eigene wissenschaftliche Forschung. Der maßgebliche Anwendungsfall dieser Vorschriften wird einerseits beim E-Learning und andererseits in online zusammenarbeitenden Forschungsverbünden liegen. Zulässig soll darüber hinaus auch sein, die für das Online-Angebot nötigen Kopien anzufertigen. Durch die Regelung wird ein erheblicher Fortschritt bei der Berücksichtigung wissenschaftlicher Belange im Umfeld des Urheberrechts erreicht. Bestimmte moderne Formen der Wissenschaft und Lehre (wie v.a. das E-Learning) werden so von einschneidenden Restriktionen entlastet. Zugunsten der Fortentwicklung der Wissenschaft und Lehre ist die Vorschrift eindeutig zu begrüßen, wenn es auch wünschenswert gewesen wäre, im Zuge dieser Reform auch andere, herkömmliche, Nutzungshandlungen im Forschungs- und Lehrbereich von der Erlaubnispflicht des Urheberrechts zu befreien. Gemeint sind z.B. Vervielfältigungen von einzelnen Werken für Vorlesungen oder die sonstige öffentliche Wiedergabe von Werken durch Hochschullehrer.

Es fehlt - wie gesagt - im Regierungsentwurf eine Regelung, die bestimmt, ob die Rechtsinhaber bei Einsatz von technischen Schutzmaßnahmen die zur Anfertigung von digitalen Privatkopien notwendigen Mechanismen bereitstellen müssen. Nachgeschoben wurde eine solche Verpflichtung nur in Bezug auf die analoge Kopie zu privaten Zwecken, also „auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger photomechanischer Verfahren", wie es in § 95b Absatz 1 Ziffer 6 heißt. Da mit „technische Schutzmaßnahmen" nur Mechanismen, wie Verschlüsselung, Verzerrung oder sonstige Umwandlung oder Mechanismen zur Kontrolle der Vervielfältigung gemeint sind, bleibt der praktische Sinn einer solchen Verpflichtung der Rechtsinhaber im Dunkeln. Es ist kaum denkbar, dass ein technischer Kopierschutz eine analoge Kopie zu verhindern vermag.

Eine weitere (begrüßenswerte) Änderung gegenüber dem Referentenentwurf geht mit dem neuen § 95 d einher. Hiernach müssen die Rechtsinhaber Werke, die mit technischen Maßnahmen geschützt werden, deutlich mit Angaben über die Eigenschaften der technischen Maßnahme kennzeichnen. Diese Pflicht umfasst weiter Angaben über Namen, Anschrift und Firma des Anwenders der technischen Maßnahme. Von Vorteil ist diese Regelung v.a. für diejenigen, die planen, die erworbenen Werkstücke (z.B. die Musik-CD) kopieren zu wollen, da sie ihre Kaufentscheidung an den Informationen auf der Verpackung ausrichten können. Keine Aufklärung können sich hierdurch all jene erhoffen, auf deren Geräten die Inhalte schließlich nicht abgespielt werden können. Ohnehin bleibt die Frage, wie solche Konstellationen rechtlich zu erfassen sein sollen, offen. Ein Recht des normalen Käufers, die Schutzmaßnahme zum Zwecke des bloßen Abspielens zu umgehen, oder einen Umgehungsmechanismus vom Rechtsinhaber zu fordern, wird durch den Regierungsentwurf nicht geschaffen. Wenn überhaupt, bleibt dem Kunden hier nur der Umtausch.

Eine aus Sicht der Verbraucher unerfreuliche Änderung hat die Bußgeldvorschrift des § 111a gegenüber dem Referentenentwurf erfahren. Die Abschreckungswirkung des Bußgeldtatbestandes gegen eine Verletzung des Gebots der Rechtsinhaber, die Umgehung von technischen Schutzmaßnahmen für privilegierte Zwecke zu ermöglichen, wurde durch die Halbierung der Bußgelder erheblich gemindert. Statt der Höchststrafe von 200.000 Euro, die noch der Referentenentwurf vorsah, sehen sich die Entertainmentkonzerne nunmehr nur noch der Gefahr gegenüber, bis zu 100.000 Euro zahlen zu müssen. Dagegen wurde die Bußgeldandrohung gegen Verstöße gegen das Umgehungsverbot nicht gesenkt. Begrüßenswert ist immerhin, dass auch Verstöße gegen die o.g. Kennzeichnungspflicht mit Bußgeldern (mit max. 10.000 Euro) geahndet werden können.

Die weiteren Änderungen gegenüber dem Referentenentwurf sind in erster Linie redaktioneller Natur.

Resümee:

Der Regierungsentwurf bringt Zuckerbrot und Peitsche. Wenn es auch illusorisch ist zu glauben, im Rahmen einer durch europäische Vorgaben motivierten Reform könnten alle Defizite des Urheberrechts bereinigt werden, wäre doch etwas mehr Entschlussfreude zu begrüßen gewesen. Wenn sich angesichts der erheblichen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beteiligten abzeichnet, dass man eine ausgewogene Reform in der bis zur Wahl verbleibenden Zeit nicht realisieren kann, sollte dieses Vorhaben verworfen werden. Eine unausgewogene Neuordnung ist dem Regelungsziel im Zweifel kaum dienlich und wird auch die Streitigkeiten zwischen den Betroffenen nicht beenden.