Napster - Manchmal kommen sie wieder ... zum Guten oder Schlechten!

Von Till Kreutzer

Napster - Der totgeglaubte Veteran der Tauschbörsen erhebt sich aus seinem Grab und soll - einmal mehr - des Einen Freud und des Anderen Leid sein. Gute Nachrichten zuerst, die Freud voran:

Nach einer Meldung von MoneyCNN.com plant die Firma Roxio, die bislang vor allem für ihre CD-Brennsoftware "Toast" bekannt war, Napster zu reaktivieren. Hieran hatte, nachdem Napster bereits im Jahr 2001 offline gegangen war, wohl kaum noch jemand geglaubt. Eher vermochte Roxios Entscheidung, aus der Konkursmasse von Napster im November 2002 die (immateriellen) Reste der Firma für immerhin 5,1 Millionen Dollar und 100.000 Bezugsrechte für eigene Aktien aufzukaufen (vgl. http://www.heise.de/newsticker/result.xhtml?url=/newsticker/data/wst-28.11.02-000/default.shtml&words=Roxio) zu verwundern. Handelte es sich bei dem Erwerbsgegenstand schließlich lediglich um eine Domain und eine - immerhin mittlerweile wohl berühmte - Marke. Geplant ist nun, unter Beratung von Napster Erfinder Shawn Fenning, einen kommerziellen Download-Dienst einzurichten und diesen unter napster.com zu betreiben (siehe http://www.heise.de/newsticker/data/ghi-21.02.03-000/).

Ob dieses Konzept, das bei bisherigen Modellen im Allgemeinen mit nur sehr mäßigem Erfolg gekrönt war, aufgeht, bleibt abzuwarten. Mit dem Napster, das seinerzeit Millionen in seinen Bann gezogen hat, dürfte der geplante Dienst kaum etwas gemein haben. Aus ökonomischer Sicht äußerst spannend ist das Vorhaben von Roxio allemal. Eine bessere, authentischere Feldstudie über die Frage, welchen (Markt- und Attraktions-) Wert eine bekannte Marke im Bereich der New Economy noch hat, wenn man sie letztlich vollständig vom eigentlichen Produkt abkoppelt, könnte man sich nicht denken. Von nicht zu vernachlässigenender Bedeutung mag daneben auch der Aufschluss darüber sein, wie lange eine Marke, ein Firmenname, ohne aktive Benutzung für die User interessant bleibt. Globaler gesprochen vermag man sich Erkenntnisse über die Bedeutung von Marken und Domains für die Wertschöpfung von neuen Vermarktungsmodellen in der Informationsgesellschaft erhoffen. Nach seiner beispiellosen technischen Erfolgsgeschichte könnte Napster damit eine weitere Pionierstellung der New Economy, diesmal als Evalutationsobjekt, einnehmen.

Kommen wir zum Leid: über dem ehemaligen Napster-Geldgeber Bertelsmann (bzw. der Bertelsmann Music Group - BMG) brauen sich nun - im Nachgang der ohnehin schon immensen Napster-Schlappe - neue dunkle Wolken zusammen. Nachdem es Bertelsmann nicht gelungen war, die Reste der Tauschbörse selbst zu übernehmen und man rund 85 Millionen US-Dollar vergeblich in die Rettung von Napster investiert hatte, kommt es u.U. noch dicker. Eine Gruppe US-amerikanischer Musikverleger hat Bertelsmann am 19.02.2003 wegen der Beteiligung an den von Napster angeblich begangenen Urheberrechtsverletzungen auf 17 Milliarden US-Dollar Schadensersatz verklagt (siehe http://www.urheberrecht.org/news/?id=1141&w=&p=1). Grund: Der Konzern habe mit seinen Finanzspritzen dafür gesorgt, dass Napster länger online geblieben ist, als es dem Startup-Unternehmen aus eigener Kraft möglich gewesen gewesen wäre. Die Schlussfolgerung: Beihilfe zur millionenfachen Urheberrechtsverletzung.

Auch dieser Prozess bietet zumindest aus rechtlicher Sicht einigen Zündstoff, der inhatlich wesentlich interessanter ist, als die völlig aberwitzigen Forderungssummen (über die man sich ja ohnehin kaum noch ernsthaft wundern kann): Es geht hier schließlich um die folgenreiche Antwort auf die Frage, wer nach amerikanischem Copyright in die mittelbare Haftung für Urheberrechtsverletzungen Anderer einbezogen werden soll. Wie mittelbar ist mittelbar? Würde Bertelsmann unterliegen, liefe dies auf eine bislang ungekannte Ausweitung der Haftung hinaus. Immerhin hat ja Napster nicht einmal selbst Urheberrechtsverletzungen begangen, sondern allenfalls deren Nutzer, indem sie die Dateien zum Tausch anboten. Wenn darüber hinaus auch noch die zur Verantwortung gezogen werden könnten, die nur als Geldgeber des mittelbaren Verletzers fungieren, die nicht die Entscheidungen treffen und die nicht einmal aus ihrem Engagement Gewinne erwirtschaftet haben, kämen auf die New Economy harte Zeiten zu. Eine solche Ausweitung des mit derartig kreativer Rechtsfindung geschaffenen Kreises potentieller Urheberrechtsverletzer könnte schließlich bis ins Unermessliche ausgedehnt werden. Man stelle sich vor, Napster wäre eine Aktiengesellschaft gewesen und man hätte sich einige Aktien gekauft. Auf was hätte man sich dann einzustellen? Beihilfe zur Urheberrechtsverletzung in Milliarden Fällen, 275 Millionen Dollar Schadensersatz und eine Haftstrafe von 6 Jahren, zu verbüßen in einem amerikanischen Bundesgefängnis? Soll bestraft werden, wer in Innovationen investiert? Dies hieße, den Sieg des Zaghaften proklamieren!

Hintergrund:

Napster wurde 1999 gegründet. Das System basierte auf einem Filsharing-Tool, das der seinerzeit 18jährige Student Shawn Fenning entwickelt hatte. Die Tauschbörse erreichte ebenso schnell astronomische Nutzerzahlen wie sie wieder von der Bildfläche verschwand, nachdem sie von der Amerikanischen Musikindustrie mit Rechtsstreitigkeiten überzogen worden war. Näheres siehe in den ifrOSS Nachrichten der Woche vom 24.06.2002 (http://www.ifross.de/ifross_html/home1_2002.html) und vom 09.09.2002 (http://www.ifross.de/ifross_html/home2_2002.html)