Von RA Olaf Koglin
In den letzten Wochen fielen in zwei deutschen Großstädten die Entscheidungen, welche Betriebssysteme in Zukunft benutzt werden: Frankfurt am Main ging an Microsoft, München an Linux.
Hintergrund:
Am 28.05.2003 hat der Stadtrat von München beschlossen, als Nachfolger der Kombination Microsoft Windows NT/ Microsoft Office zukünftig nicht auf Windows XP/ MS Office, sondern auf (GNU)Linux/ Open Office zu setzen (vgl. Rathaus Umschau vom 30.05.2003, S. 4. f.).
Der Entscheidung lag ein Gutachten über beide Systeme zugrunde, das der Open-Source-Lösung einen klaren strategisch-qualitativen Vorsprung attestierte. Die Entscheidung im Stadtrat wurde von der SPD, von Bündnis 90/Die Grünen/Rosa Liste sowie von FDP, ÖDP, REP und PDS getragen. Somit werden in den nächsten Jahren rund 14.000 Arbeitsplätze in der Münchener Stadtverwaltung umgestellt; das Auftragsvolumen entspricht rund 30 Millionen Euro.
Welche Distribution zum Zuge kommt, steht noch nicht fest. Bislang wurde lediglich eine Grundentscheidung getroffen; die Ausschreibung soll bis zum Frühjahr 2004 abgeschlossen sein. Das Konsortium IBM/SuSE gilt jedoch als Favorit, was den Vorstandsvorsitzenden der deutschen SuSE Linux AG, Richard Seibt, schon einmal dazu veranlasste, die Entscheidung mit dem Fall der Berliner Mauer zu vergleichen. Immerhin - Microsoft-CEO Steve Ballmer hatte angesichts der bevorstehenden negativen Entscheidung seinen Urlaub in der Schweiz unterbrochen, um den Münchener Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) zu konsultieren. Gleichzeitig soll der Preis gesenkt worden sein; angeblich hat Microsoft hierfür sogar eine eigene "Kriegskasse" eingerichtet, um prestigeträchtige Schlüsselmärkte nicht an Linux zu verlieren. Microsoft wiederum beklagt, dass das Open-Source-Gebot in Kenntnis des Gebots von Microsoft nachgebessert worden sei.
In Frankfurt am Main hingegen schloss Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) einen Rahmenvertrag mit Microsoft, um die Software der Stadtverwaltung auf den neusten (Microsoft-) Stand zu bringen. Der Kontrakt beruht auf einem weiteren Rahmenvertrag, den Bundesinnenminister Schily im April 2003 mit Microsoft geschlossen hat und der Bund, Ländern und Kommunen Sonderkonditionen einräumt. Laut Pressemitteilung freut sich die Stadt Frankfurt am Main nun, eine "moderne Kommunikationsmetropole" zu sein. Dass man auch im Bank- und Finanzsektor auf Freie Software setzen kann, zeigt Merril Lynch: Die US-amerikanische Investmentbank kündigte auf dem Enterprise Linux Forum in Santa Clara (Kalifornien) an, die Server auf Linux umzustellen und hierdurch die Betriebskosten um 70-80 % zu senken. Bei den Gesamtkosten eines Systems wird häufig behauptet, dass die bei Linux ersparten Lizenzkosten schnell durch höhere Administrationskosten aufgezehrt würden. Merril Lynch hingegen geht davon aus, dass gerade durch den Einsatz von Linux erheblicher Administrationsaufwand entfällt.
Die Wahl zwischen Windows und Linux im Betriebsystemsektor wird weiterhin eine Entscheidung bleiben, die nicht nur von zahlreichen Einzelfall-Faktoren - Server oder Clients, Migration bestehender Software etc. - abhängt, sondern auch eine politische Aussage beinhaltet. Durch die direkte und indirekte wirtschaftliche Bedeutung von Schlüsselmärkten werden die Entscheidungen mit Sicherheit auch in Zukunft von handfester Lobby-Arbeit begleitet werden, so dass die Entwicklung der Software-Landkarten wirtschaftlich wie politisch spannend bleibt.