Bundesrat begründet Ablehnung des Urheberrechtsreformentwurfs

Von Till Kreutzer

Der deutsche Bundesrat hat nunmehr seine Begründung für die Ablehnung des Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vorgelegt. Auf zwei Seiten werden in der Bundestagsdrucksache 15/1066 vom 27.05.2003 die Bedenken des Länderparlaments gegen die Beschlussempfehlung des Bundestags, BT-Drs. 15/837 vom 09.04.2003 dargelegt. Streitpunkte sind nach wie vor die privaten Normwerke und die Privatkopierfreiheit.

Hintergrund:

Auf seiner Sitzung am 23.05.2003 hatte der durch die Union dominierte Bundesrat erwartungsgemäß den Reformentwurf des Bundestages abgelehnt und den Vermittlungsausschuss angerufen. Die nunmehr vorgelegte Begründung für diese Entscheidung weist keine Überraschungen auf.

Kritisiert wird in erster Linie die geplante Ausdehnung des Urheberrechtsschutzes auf sog. private Normwerke. Diese sind bislang urheberrechtsfrei. Eine Ausdehnung des Schutzes auf solche Werke (z.B. DIN Normen) sei mit den Belangen des Gemeinwohls nicht zu vereinbaren.

Der maßgebliche Streit dreht sich jedoch nach wie vor um die Privatkopie. Die Bundesregierung gedenkt diesen Punkt erst in einem zweiten Schritt der Reformbestrebung anzugehen. Dagegen verlangt der Bundestag eine sofortige Durchsetzung einer massiven Beschränkung der Privatkopierfreiheit. Vervielfältigungen sollen hiernach in Zukunft nur noch dann zulässig sein, wenn "zur Herstellung eine rechtmäßig hergestellte Vorlage verwendet wird". Der hierauf in der Vergangenheit bereits mehrfach entgegnete Einwand, u.a. der Bundesregierung und ifrOSS, hiermit würden weite Teile der Bevölkerung zu Rechtsverletzern gestempelt, da der Nutzer über die Herstellung der Vorlage zumeist nichts wisse, sei nicht überzeugend. Dies begründet der Bundesrat mit dem Argument, "aus der Beschaffenheit der Kopiervorlage bzw. aus den Umständen (etwa im Internet) erschließe sich regelmäßig, ob es sich um eine Raubkopie handele".

Daneben greift der Bundesrat in seinem Beschluss die Beibehaltung der Möglichkeit an, private Kopien auch durch Dritte anfertigen zu lassen. Dies sei heutzutage wegen der leichten Zugänglichkeit der Kopiervorrichtungen für Jedermann nicht mehr notwendig, berge indes die Gefahr, dass der Dritte "über die bloße Kopiertätigkeit hinaus eine eigene Vertriebsmöglichkeit entwickelt (Einstellung in Tauschbörsen etc.)".

Eine weitere Forderung des Bundesratsbeschlusses bezieht sich auf die Einführung einer Vorschrift, mit der verhindert werden soll, dass zukünftig eine Herstellervergütung für Personal Computer entrichtet werden muss. Der Ansatz folgt klar den Forderungen des IT-Industrieverbandes BITKOM, der sich seit langem gegen eine solche Vergütungspflicht ausspricht. Die vom Bundesrat angeregte Formulierung soll bewirken, dass "Multifunktionsgeräte" wie PCs, die neben der Vervielfältigungsfunktion mannigfaltige andere Aufgaben bewältigen, nicht als solche vergütungspflichtig sind. Vielmehr soll bei derlei "Funktionseinheiten" eine Vervielfältigungsvergütung nur für diejenigen Bestandteile gefordert werden können, die "ganz oder überwiegend dazu bestimmt sind, als Vervielfältigungsgerät eingesetzt zu werden". Dies könnten weiterhin CD-Brenner, aber auch Festplatten oder andere Speichermechanismen sein.

Fazit:

ifrOSS hat dem Vermittlungsausschuss mit Datum vom 28.05.2003 eine weitere Stellungnahme zu den Beschlüssen des Bundesrates vom 23.05.2003 zugeleitet. Insbesondere die Forderung der Beschränkung der Privatkopierfreiheit auf solche Vervielfältigungen, die von "legalen Quellen" hergestellt wurden, wurde an jener Stelle noch einmal kritisch kommentiert. Die Begründung des Rates in der BT-Drs. 15/1066 kann die Bedenken gegen eine solche Restriktion in Bezug auf den Erhalt der Privatkopierfreiheit keineswegs ausräumen. Vielmehr lässt sich zwischen den Zeilen der zitierten Begründung der Ansatz herauslesen, Privatkopien aus dem Internet möglichst weitgehend zu unterbinden. "Aus den Umständen ihrer Zurverfügungstellung (etwa im Internet)..." soll sich dem Nutzer die Beschaffenheit der Kopiervorlage "regelmäßig" erschließen. Zum einen bleibt auch diese Begründung einmal mehr die Erklärung darüber schuldig, was denn "eine rechtmäßig hergestellte Vorlage" darstellen soll oder vielmehr, was dem nicht mehr entspräche. Zum anderen lassen gerade die ausdrücklich erwähnten Internet-Angebote zumeist keinerlei Rückschlüsse auf die Umstände der Herstellung der Kopiervorlage zu. Der Bundestag hat in seinem Beschluss gänzlich außer acht gelassen, dass die Privatkopierfreiheit nicht, nicht einmal vor allem demjenigen zu dienen bestimmt ist, der sich unveröffentlichte Filme aus einer Tauschbörse herunterlädt. Vielmehr sichert diese in erster Linie, dass der Nutzer informative Inhalte über das Internet sich verschaffen und austauschen kann, ohne sich hierbei Gedanken über die Rechtmäßigkeit seines Handelns machen zu müssen. Würde die Forderung des Bundesrates durchdringen, hieße dies, den Informationsfluss- und -austausch über das Internet nachhaltig durch eine undifferenzierte und unklare Rechtslage zu behindern und gar zu unterbinden. Kann es im Interesse eines "Urheberrechts in der Informationsgesellschaft" sein, die "Informationsgesellschaft" zu lähmen?

Der Vermittlungsausschuss hat bereits am 04.06.2003 getagt. Es wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die bis zum 27.06.2003 Empfehlungen für die Ausgestaltung einer Entscheidung des Vermittlungsausschusses erarbeiten soll. Die Arbeitsgruppe und mit Bundestagsabgeordneten und Landesministern paritätisch besetzt. Am 04.07.2003 soll eine Entscheidung des Vermittlungsausschusses ergehen. Die daraufhin durchzuführende 4. Lesung im Bundestag wird indes kaum noch vor der Sommerpause zu erwarten sein.