Neue Gruppenfreistellung für Lizenzvereinbarungen / Microsoft unterstellt Software Open-Source-Lizenz

Von RA Olaf Koglin
 
Die Europäische Kommission hat im Rahmen der zum 01.05.2004 in Kraft tretenden Kartellrechtsreform eine neue Gruppenfreistellung erlassen, die Lizenzvereinbarungen in den Bereichen des Patent-, Know-how- und Softwareschutzes deutlich stärker als bisher zulässt. Unabhängig davon hat Microsoft erstmals ein Softwareprojekt unter eine "echte", d.h. OSI-zertifizierte, Open-Source-Lizenz gestellt.

Zur Gruppenfreistellung:

Die neue Gruppenfreistellung für Patent-, Know-how- und Softwarelizenzvereinbarungen ersetzt die Gruppenfreistellungsverordnung für Technologietransfer-Vereinbarungen von 1996. Gemäß Art. 81 Abs. 1 des EG-Vertrags sind alle Vereinbarungen verboten, die den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten beeinträchtigen können und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs im EG-Binnenmarkt bezwecken oder bewirken. Nach Art. 81 Abs. 3 EG können allerdings im Wege der sog. Gruppenfreistellung für gleiche Arten (Gruppen) von Vereinbarungen Ausnahmen zugelassen werden. Besonders bekannt ist die umstrittene Gruppenfreistellung für den Kraftfahrzeug-Absatz, wonach die Bindung des Neuwagenverkaufs an Vertragshändler zulässig ist. Die bisherige Technologie-Transfer-Gruppenfreistellung sah verschiedene "weiße" und "graue" Listen von (teilweise) zulässigen Vereinbarungen vor. Die neue Gruppenfreistellung sieht umgekehrt eine schwarze Liste vor, die so genannte Kernbeschränkungen enthält. Nun sind alle Lizenzvereinbarungen freigestellt, die durch die schwarze Liste nicht ausdrücklich von der Gruppenfreistellung ausgeschlossen sind. Allerdings ist die Gruppenfreistellung an bestimmte Marktanteilsschwellen gebunden. Diese beträgt 20% bei Lizenzvereinbarungen zwischen Wettbewerbern und 30% bei Vereinbarungen zwischen Nicht-Wettbewerbern.

Nach Ansicht von Wettbewerbskommissar Mario Monti soll die Reform der Technologietransfer-Vorschriften den Zugang zu Innovationen erleichtern und gleichzeitig eine Konzentration auf das Verbot von solchen Beschränkungen stattfinden, die dem Wettbewerb ernsthaft schaden. Interessant ist - abgesehen von der inhaltlichen Bewertung der Novelle - schon die Systematik der Vorschriften: Während Art. 81 Abs. 1 EG wettbewerbseinschränkende Vereinbarungen grundsätzlich verbieten will und über Art. 81 Abs. 3 EG hiervon Ausnahmen zulässt, wird diese Ausnahmevorschrift durch das Fehlen einer Positivliste der zulässigen Vereinbarungen so weit ausgeweitet, dass sämtliche wettbewerbseinschränkende Vereinbarungen zulässig sind, so lange sie nicht von der Negativliste erfasst sind.

Zu Microsoft:

Microsoft hat nach seinen Versuchen mit dem Shared-Source-Konzept erstmalig Software einer anerkannten Open-Source-Lizenz unterstellt. Das Werkzeug Windows Installer XML (WiX) erzeugt aus XML-Dateien Installationspakete. Laut Entwickler Rob Mensching handelte es sich ursprünglich um ein Microsoft-internes Tool. Nun wurde es der von IBM stammenden Common Public License (CPL) unterstellt und wird auf sourceforge.net gehostet. Die CPL ist von der Open Source Initiative anerkannt.

Spannend bleibt, wie Microsoft sich zukünftig gegenüber anderen Open-Source-Projekten verhält. Bislang war Microsoft so etwas wie der Lieblingsfeind der Linux-Anhänger, und die Redmonder sind dieser Rolle mit großem Engagement gerecht geworden. Erst kürzlich hatte Microsoft an der Universität Münster ein Gutachten erstellen lassen, nach dem die Entwicklung Freier Software als volkswirtschaftlich nicht sinnvoll bewertet wurde.