Ärger um Neutrino-Abmahnungen

 von: Dr. Till Kreutzer

Der Receiver-Hersteller Axxaro hat sich im Jahr 2011 die Bezeichnung „Neutrino“ als Wortmarke gesichert. Neutrino ist eine Linux-basierte Benutzeroberfläche, die erstmals für die d-box 2 von Nokia entwickelt wurde. Heute wird Neutrino auf Digital-Receivern verschiedener Hersteller eingesetzt. Die Software steht unter der GPL. Die Markenanmeldung durch Axxaro erfolgte ohne Rücksprache mit der Entwickler-Community und führte nun zu einiger Verstimmung. Umso mehr, da Axxaro nach Informationen des Branchen-Portals Digitalfernsehen jüngst anfing, andere Hersteller abzumahnen, die damit werben, dass auf ihren Geräten Neutrino zum Einsatz kommt. Private Verkäufer, Entwickler oder Privatpersonen sollen jedoch nach einer Stellungnahme des Unternehmens gegenüber Heise Online nicht angegangen werden.

 

In der Auseinandersetzung geht es um die vielgestaltige Frage nach dem Markenschutz für Open Source Software. Einerseits können Markenrechte gerade auch für Open Source Software sinnvoll sein, da sie helfen können, die Freiheit des jeweiligen Projekts oder der jeweiligen Software zu sichern (zum Beispiel gegen „feindliche Übernahmen“ durch kommerzielle Unternehmen). Dass es keineswegs unüblich ist, Marken für die Bezeichnung von Open Source Software anzumelden, zeigt sich an prominenten Beispielen wie Linux oder Apache.

 

Auf der anderen Seite können Marken, wenn sie entsprechend eingesetzt werden, auch freiheitsbeschränkend wirken. Problematisch wird es etwa, wenn Marken – wie im Fall Neutrino – für Programme unabgesprochen angemeldet werden, die in gemeinsamer Anstrengung vieler Personen und Unternehmen entwickelt werden. In einer solchen Konstellation wird es meist unangemessen erscheinen, wenn sich ein einziges Unternehmen die Bezeichnung der Software oder des Projekts als Marke sichert – jedenfalls wenn dies ohne Rücksprache mit der Community erfolgt. Schließlich führt das dazu, dass diesem Unternehmen ein Monopolrecht an der Bezeichnung zusteht, mit dem es jedem – auch den Entwicklern der Community selbst – verbieten kann, diese im geschäftlichen Verkehr zu benutzen. Auch dies kann gerechtfertigt sein (etwa, wenn das ganze Projekt von diesem Unternehmen initiiert, administriert und mit hohem wirtschaftlichen oder sonstigem Aufwand betrieben wird). Ob das der Fall ist, hängt jedoch vom Einzelfall ab. Jedenfalls erfordert vor allem die nachträgliche Anmeldung von Markenrechten durch ein einziges Mitglied der Community erhebliches Fingerspitzengefühl und ein transparentes Vorgehen.

 

Davon abgesehen kann die Eintragung einer solchen Marke auch gegen Rechte verstoßen. So ist es beispielsweise möglich, dass die Bezeichnung einer Software als „Werktitel“ nach dem Markengesetz geschützt ist. Ein solcher Werktitelschutz entsteht automatisch ohne Eintragung oder andere Formalitäten, also einfach dadurch, dass er für das Produkt verwendet und es verfügbar gemacht wird. Eine später angemeldete Marke kann mit einem solchen Werktitelschutz kollidieren und unter Umständen mit einem Löschungsverfahren angegriffen werden (siehe § 12 MarkenG).

 

Ähnliches ist möglich, wenn eine Produktbezeichnung (wie zum Beispiel „Neutrino“) bereits so großen Bekanntheitsgrad innerhalb der angesprochenen Verkehrskreise erlangt hat, dass eine so genannte Benutzungsmarke entstanden ist. Auch Markenrechte können (schlicht durch Benutzung der Bezeichnung) entstehen, ohne dass ihre Registrierung beantragt wurde (§ 4 Nr. 2 MarkenG). Ob eine Benutzungsmarke entstanden ist, hängt vom Bekanntheitsgrad der Bezeichnung ab und ist daher immer Frage des Einzelfalls. Ist dies der Fall und wird später eine Registermarke beantragt und eingetragen, gilt das Prioritätsprinzip: Die ältere Marke setzt sich durch und die jüngere muss gelöscht werden, sofern der Inhaber der älteren Marke dies beantragt.

 

Bei Software, die auf dem Engagement vieler Personen und gegebenenfalls Unternehmen basiert, ist es allerdings häufig schwer zu beurteilen, wer denn der Inhaber von Titelschutz- oder (Benutzungs-)Markenrechten ist. Eine nachträgliche eingehende rechtliche Prüfung kann hier recht aufwändig werden. Idealer erscheint es daher wenn – soweit möglich – sich die Community über derartige Fragen möglichst frühzeitig verständigt, damit später keine Missverständnisse und Unstimmigkeiten aufkommen.

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