Linux Kernel-Entwickler sprechen sich für modifizierte "automatic termination"-Klausel aus

Dr. Till Jaeger

Knapp 100 Entwickler des Linux-Kernels haben sich in einem "Linux Kernel Enforcement Statement" dafür ausgesprochen, die Regelungen zum Rechtewegfall aus Ziffer 8 GPL-3.0 ergänzend zu Ziffer 4 GPL-2.0 anzuwenden. Damit soll den Nutzern bei einer Lizenzverletzung die Wiederherstellung eines lizenzgemäßen Zustands und ein erneuter Rechteerwerb erleichtert werden.

Hintergrund für die Erklärung der Kernel-Entwickler, darunter führenden Köpfe wie der Gründer Linus Torvalds und der Hauptmaintainer des Entwicklungszweiges für "stable releases", Greg Kroah-Hartman, ist die Besorgnis, dass das gesame Entwicklungsprojekt Schaden nimmt wegen "nicht hilfreicher Lizenzdurchsetzung" einzelner Entwickler. Dies dürfte auf die vielfach kritisierte GPL-Durchsetzung von Patrick McHardy zielen, gegen die sich schon das Core-Team des Netfilter-Projektes gewandt hatte.

Rechtstechnisch enthält die Erkärung eine zusätzliche Gestattung ("additional permission"), d.h. Ziffer 4 GPL-2.0 wird nicht ersetzt, sondern um eine zusätzliche Ausnahme ergänzt. Wesentlicher Unterschied der Automatic-Termination-Klauseln von GPL-2.0 und GPL-3.0 sind die ausdrücklichen Regelungen zum sog. "reinstatement" (Wiederherstellung) der erloschenen Nutzungsrechte. Dahinter steht die Vorstellung, dass zumindest nach US-Recht eine explizite Erklärung des Rechteinhabers erfolgen müsse, damit der Lizenznehmer nach der Korrektur einer Lizenzverletzung durch Herstellung der erforderlichen Lizenz-Compliance erneut Nutzungsrechte erwerben könne. Unter deutschem Vertragsrecht dürfte dies nicht erforderlich sein, weil das Angebot zum Abschluss eines Lizenzvertrages nach einem Rechtewegfall einfach durch konkludente Annahme erneut angenommen werden kann. Außerdem soll signalisiert werden, dass dem Verletzer mindestens 30 Tage Zeit zur Behebung der Compliance-Probleme gegeben werden müssen.

Juristisch von Interesse ist die rechtliche Relevanz der Erklärung, da diese nicht von allen Rechteinhabern des Linux-Kernels abgegeben wurde. Dies dürfte auch praktisch unmöglich sein, da deren Zahl auf ca. 15.000 geschätzt wird und eine Zustimmung zur  Änderung der Lizenz kaum jemals von allen Rechteinhabern eingeholt werden kann, zumal einige Entwickler aus der über 25-Jährigen Geschichte des Projektes bereits verstorben sind. Hier wird abzuwarten sein, ob und in welcher Form Gerichte solche Erklärungen berücksichtigen werden.

Das "Linux Kernel Enforcement Statement" ist auch deshalb von Interesse, weil die Kernel-Entwickler nicht die Rechtsdurchsetzung an sich in Frage stellen, sondern die Art und Weise, wie einzelne Entwickler vorgehen. Dadurch sollen Lizenznehmer nicht abgeschreckt werden, Linux zu verwenden, sondern möglichst Lizenz-Compliance herstellen und sich weiter an der gemeinsamen Entwicklung beteiligen. Einem ähnlichen Zweck dient auch das OpenChain Projekt. Ergänzende FAQ wurden im Blog von Greg Kroah-Hartman veröffentlicht.