Von: Dr. Till Jaeger
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Entscheidung des Bundespatentgerichts (BPatG) aufgehoben und die Gültigkeit des europäischen Patents EP 0618 540 von Microsoft bestätigt (Urteil vom 20. April 2010 - X ZR 27/07). Das Patent beschreibt ein Verfahren, mit dem eine Datei im Speicher unter einem vom Programmierer oder Anwender vergebenen Namen aufgefunden werden kann und zwar auch bei langen Dateinamen. Das BPatG hatte das Patent noch wegen Trivialität für nichtig erklärt (vgl. Nachricht der Woche vom 05.03.2007). Wie der BGH in seiner Pressemitteilung ausführt, hat das Gericht dem Patent einen anderen "Sinngehalt" zugemessen und daraus die erforderliche Erfindungshöhe hergeleitet. Die vollständigen Urteilsgründe liegen noch nicht vor.
Microsoft hat mit Windows 95 das im Vergleich zu MS-DOS neue Dateisystem "VFAT" eingeführt, das auch Dateinamen mit mehr als 8 Zeichen zulässt und dennoch mit dem Dateisystem "FAT" kompatibel ist. Das zu lösende Problem lag darin, dass eine bestimmte Datei nicht nur von Betriebssystemen, die kurze Dateinamen verwenden (wie MS-DOS), sondern auch von solchen, die lange Dateinamen verwenden (wie Windows), aufgefunden werden soll. Das Bundespatentgericht war in seinem Urteil noch der Auffassung gewesen, dass anhand von Prior Art (Rock Ridge Interchange Protocol) das patentierte Verfahren für den Fachmann in naheliegender Weise erschlossen werden konnte und daher keine erfinderische Tätigkeit vorgelegen hat.
Das Patent hat insoweit erhebliche wirtschaftliche Bedeutung, als VFAT vielfach unterstützt wird, um Kompatibilität mit Windows-Dateisystemen herzustellen. Dies haben auch die Rechtsstreitigkeiten von Microsoft mit TomTom gezeigt (vgl. Nachricht der Woche vom 24.02.2009). Dort hatten TomTom-Geräte mit Open Source Software das VFAT-Dateisystem unterstützt und waren Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung geworden, die schließlich in einem juristisch fragwürdigen Vergleich beigelegt wurde (vgl. Nachricht der Woche vom 04.05.2009). Technische Lösungen zur Umgehung der patentierten Technik scheinen bereits vorzuliegen.
Mit Interesse darf die Begründung des BGH erwartet werden. Dies gilt vor allem für die Frage, ob das Gericht nur die Frage der Erfindungshöhe behandelt hat oder auch das Problem, inwieweit im Bereich von Dateisystemen überhaupt Patente möglich sind. Denn hier handelt es sich um ein klassisches Softwarepatent, bei dem für Patentrechtsschutz in Europa das Vorliegen eines weitergehenden technischen Effekt vorliegen muss.