von: Stefan Labesius
Die Verantwortlichkeit für Verlinkungen auf urheberrechtlich geschützte Werke beschäftigt weiterhin den Bundesgerichtshof (BGH). In der nun veröffentlichen Entscheidung (Urt. vom 29. April 2010, Az. I ZR 39/08 – Session-ID) hatte der BGH die Frage zu beantworten, wann eine Verlinkung im Internet eine Verletzung des Rechts auf öffentliche Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG darstellen kann. Damit verbunden und im Detail ungeklärt war die Frage, unter welchen Voraussetzungen in dieses Ausschließlichkeitsrecht eingegriffen wird, wenn ein Nichtberechtigter das entsprechende Werk nicht selbst zum Abruf bereithält, aber einen entsprechenden Link im Internet setzt.
I. Entscheidungsbegründung
Ausdrücklich stellt das Gericht zunächst klar, dass die Verlinkung mittels eines sog. Deep Links für sich genommen noch keinen Eingriff in das Recht aus § 19a UrhG darstellt (vgl. dazu schon BGH, Urt. vom 17Juli 2003, Az. I ZR 259/00 – Paperboy). Denn wer einen solchen Link setze, nehme (noch) keine urheberrechtliche Nutzungshandlung vor, sondern verweise lediglich auf das Werk in einer Weise, die Nutzern den bereits eröffneten Zugang erleichtere. Er halte das geschützte Werk weder selbst öffentlich zum Abruf bereit, noch übermittle er es selbst auf Abruf an Dritte. Nicht er, sondern derjenige, der das Werk ins Internet gestellt hat, entscheide darüber, ob das Werk der Öffentlichkeit zugänglich bleibe.
Da im vorliegenden Fall die Beklagte das streitgegenständliche Werk nicht selbst abrufbar bereit gehalten hatte, kam eine Verletzung des Rechts auf öffentliche Zugänglichmachung nur dann in Betracht, wenn sie es in einer Weise verlinkt hatte, die als eine eigene Übermittlung auf Abruf an Dritte anzusehen war. Dies bejaht der BGH nunmehr in den Fällen, in denen der Rechteinhaber Schutzvorkehrungen vornimmt, die nur eine eingeschränkte Zugänglichkeit des geschützten Werkes zum Ziel hat. Bediene sich der Berechtigte nämlich – so das Gericht – technischer Schutzmaßnahmen, um den Zugang zu dem geschützten Werk beispielsweise nur bestimmten Nutzern zu eröffnen oder nur auf einem bestimmten Weg zu ermöglichen, macht er das Werk auch nur in dieser eingeschränkten Weise zugänglich. Wer einen Hyperlink setze, der derartige Schutzmaßnahmen umgeht, eröffne einen Zugang zum Werk, der ansonsten für diese Nutzer oder auf diesem Weg nicht bestünde. Nutzt der Berechtigte also technische Schutzmaßnahmen, um im konkreten Fall den öffentlichen Zugang zu dem geschützten Werk nur auf dem Weg über die Startseite seiner Website zu eröffnen, greift das Setzen eines Hyperlinks, der unter Umgehung dieser Schutzmaßnahmen einen unmittelbaren Zugriff auf das geschützte Werk ermöglicht, in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes ein.
Damit war die Frage zu entscheiden, welche Anforderungen an eine solche technische Schutzmaßnahme zu stellen sind, in welcher Weise diese also einen wirksamen Schutz erzeugen muss. Die Vorsinstanzen hatten hierbei auf die Regelungen des § 95a Abs. 2 UrhG, den Schutz technischer Maßnahmen zur Verhinderung nicht genehmigter Handlungen verwiesen. Danach sind technische Schutzmaßnahmen wirksam, soweit durch sie die Nutzung des geschützten Werkes oder eines anderen Schutzgegenstandes vom Rechteinhaber durch eine Zugangskontrolle, einem Schutzmechanismus wie Verschlüsselung, Verzerrung oder sonsitge Umwandlung oder einem Mechanismus zur Kontrolle der Vervielfältigung, die die Erreichung des Schutzziels sicherstellen, unter Kontrolle gehalten wird.
Dieser Auffassung erteilt der BGH nun eine Absage. Es reicht nach seiner Ansicht aus, dass die Schutzmaßnahmen den Willen des Berechtigten erkennbar machen, den öffentlichen Zugang zu dem geschützten Werk nur mit den von ihm vorgesehenen Einschränkungen zu ermöglichen. Denn entscheidend sei allein, dass der Berechtigte überhaupt Schutzmaßnahmen getroffen habe, die für Dritte als solche erkennbar seien. Dies begründet das Gericht damit, dass der Schutz dieser technischen Maßnahmen zwar dem Schutz der mithilfe dieser Maßnahmen geschützten Werke und Leistungen der Rechtsinhaber diene. Der urheberrechtliche Schutz dieser Werke und Leistungen sei jedoch nicht davon abhängig, dass sie durch wirksame technische Maßnahmen geschützt seien. Immerhin musste sich so der BGH nicht mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit noch von einer technsich wirksamen Schutzmaßnahme gesprochen werden kann, wenn diese umgangen worden ist.
II. Einordnung
Die Begründung des Gerichts vermag allerdings nicht durchweg zu überzeugen. Ein urheberrechtlischer Schutz ist nämlich ebenso wenig vom Vorhandensein einer technischen, wenn auch nicht wirksamen, Schutzmaßnahme abhängig. Denn es kommt insoweit alleine darauf an, ob eine Gestaltung auf Grundlage geistiger Tätigkeit als Werk i.S.d § 2 UrhG Schutzfähigkeit genießt oder nicht. Insoweit stellt sich die Frage, inwiefern das Kritierium des Bestehens einer Schutzmaßnahme überhaupt geeignet ist, die Verletzung eines urheberrechtlichen Auschließlichkeitsrechts zu begründen.
Der Sache nach deutet die Begründung des Gerichts vielmehr darauf hin, dass durch die Abrufbarkeit von Inhalten im Internet, der Rechteinhaber seine faktische Zustimmung zur öffentlichen Zugänglichmachung anhand eines Links gegeben hat, soweit sich durch entsprechende Schutzmaßnahmen nicht ein entgegenstehender Wille manfifestiert. Eine ähnliche Argumentation verfolgte der I. Zivilsenat auch schon in seiner Entscheidung gleichen Datums zur Frage einer urheberrechtlichen Haftung für Vorschaubilder (BGH, Urt. v. 29. April 2010, Az. I ZR 69/08 – Vorschaubilder). Danach ist die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in das ausschließliches Verwertungsrecht (§ 19a UrhG) auch dann ausgschlossen, wenn der Berechtigte in die rechtsverletzende Handlung eingewilligt hat. Eine solche Einwilligung – so damals das Gericht – setze keine auf den Eintritt dieser Rechtsfolge gerichtete rechtsgeschäftliche Willenserklärung voraus.
Auch die Bestimmung der Reichweite des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung am Kriterium des Bestehens einer technischen Schutzmaßnahme bleibt klärungsbedürftig. Denn dadurch wird die Reichweite des Rechts aus § 19a UrhG anhand der Etablierung einer solchen technischen Schutzmaßnahme und damit durch den Rechteinhaber bestimmt. Zudem ist auch die praktische Handhabbarkeit des Kriteriums zu hinterfragen. Wie der BGH festgestellt hat, kommt es für eine Verletzung des Auschließlichkeitsrechts lediglich darauf an, dass eine entsprechende technische Maßnahme – im vorliegenden Fall ein Cookie als sog. Session-ID – auch nur sekundär der Verhinderung eines unbeschränkten Zugangs dient, soweit dies erkennbar ist. Welcher Maßstab an eine solche Erkennbarkeit anzulegen ist, bleibt allerdings offen. Einem durchschnittlichen Internetbenutzer dürfte z.B. die Funktionsweise Session-ID zu Verhinderung von unberechtigten Zugriffen nicht unbedingt bekannt bzw. erkennbar sein.
Schließlich ist fraglich, ob sich diese Rechtsprechung auch beispielsweise auf eine Verlinkung von Angeboten erstreckt, die hinter einer sog. Pay-Wall angeboten werden, die allerdings dann frei abrufbar sind, wenn der zum Abruf verwendete Webbrowser mit einer Webcrawler-Kennung (z.B. Google SearchBot) versehen ist. Denn in diesen Fällen liegt in der bloßen Verlinkung gerade noch keine direkte Zugänglichmachung, da zusätzlich die entsprechenden Einstellungen vom Browsernuntzer vorgenommen werden müssen. Und zum anderen gibt der Rechteinhaber in der Freigabe für Webcrawler zu erkennen, dass auf entsprechende Interneseiten grundsätzlich auch von Dritten als Webcrawler zugegriffen werden soll.