Wahlcomputer mit Schwierigkeiten bei der Addition

Von Benjamin Roger
 
Das computergestützte System, das bei der kommenden US-Präsidentenwahl in über 30 Staaten zum Einsatz kommen sollen, zählt die abgegebenen Stimmen nicht korrekt zusammen. Aus dem Bundesstaat Ohio wurde bekannt gegeben, dass zahlreiche Stimmen bei der Übermittlung an den zentralen Server "verloren gehen".

Der Fall reiht sich ein in eine Serie von Pannen in verschienden Staaten, die für Kontroversen sorgen und auch die Gerichte beschäftigen. In Deutschland verhandelt das Bundesverfassungsgericht am 28. Oktober über die Wahlprüfungsbeschwerde von Dr. Ulrich Wiesner, vertreten durch ifrOSS-Mitglied Dr. Till Jaeger und Prof. Dr. Ulrich Karpen aus Hamburg. Die Kritik am Einsatz von Wahlcomputern stützt sich insbesondere auf die mangelnde Transparenz: die genaue Funktionsweise der Software kann nicht öffentlich überprüft werden, weil der Quellcode nicht zugänglich ist (vgl. etwa Wahlprüfungsbeschwerde [pdf], S. 4).

Hintergrund:

Es ist nicht das erste Mal, dass Wahlcomputer Schwächen zeigen, die ihre Tauglichkeit in Frage stellen. Auch etwa in den Niederlanden und Frankreich (vgl. dazu die Nachricht vom 23.04.2007) traten Unregelmäßigkeiten auf. Doch in Ohio war kein Eingriff von außen nötig, wie etwa der "NEDAP-Hack" in den Niederlanden: bei Vorwahlen im März fieln während der Übermittlung der Stimmen aus den Wahlbüros an den zentralen Server zahlreiche Voten unter den Teppich. Jennifer Brunner, Secretary of State und damit die oberste Wahlleiterin, erklärte, sie habe sich beinahe übergeben müssen, als sie diese Ergebnisse sah.
Auch rechtliche Konsequenzen wurden gezogen - allerdings nicht die, die manch einer erwartet hätte: der Staat Ohio hat den Hersteller der Geräte, Premier Election Solutions, auf Schadensersatz verklagt. Konflikte mit dem geltenden Wahlrecht aber scheint man kaum zu sehen: die Geräte werden - nicht nur in Ohio - weiter zum Einsatz kommen.

Die Computer, gegen deren Einsatz sich die Wahlprüfungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht wendet, sind zwar von einem anderen Typ als jene in Ohio. Gemeinsam ist den Systemen jedoch, dass der Quellcode ihrer Software ein Geschäftsgeheimnis bleibt. Dies wird vielfach als Verletzung des (verfassungsrechtlichen) Grundsatzes der Öffentlichkeit der Wahl gerügt, weil eine Überprüfung des Wahlvorgangs für und durch die Allgemeinheit nicht möglich ist. So gesehen ist die Angelegenheit in Ohio noch glimpflich verlaufen: wesentlich schwerer wiegt die Gefahr, dass Fehler auftreten und nicht entdeckt werden.

Der Einsatz von Software mit öffentlich zugänglichem Quellcode - etwa Open Source - könnte diese Bedenken entschärfen, doch nur teilweise. Er würde dem Publikum erlauben, Einsicht in den technischen Prozess der Wahl zu nehmen. Allerdings besitzt dazu nur ein geringer Teil der Wähler die technischen Kenntnisse und Fähigkeiten, und so wäre die öffentliche Kontrolle - im Gegensatz zur Urnenwahl - auch hier nur eine Expertenkontrolle. Diese, so die Verfasser der Wahlprüfungsbeschwerde (S. 72), schaffe beim Wähler weniger Vertrauen als eigene Kontrolle. Ferner würde eine (allgemeine) Kontrolle der Software noch nicht sicherstellen, dass jeder einzelne Wahlcomputer auch genau mit dieser Software arbeitet und frei von Manipulationen ist. Daher wenden sich die meisten Kritiker gegen computergestützte Wahlen insgesamt und wollen an einer Wahl mit Stimmzetteln und öffentlicher Auszählung festhalten. Nur so sei eine "für die Öffentlichkeit nachvollziehbare Summenbildung" (Wahlprüfungsbeschwerde, S. 71) möglich.

In Ohio jedenfalls scheint dieses - über Jahrhunderte hinweg praktizierte - Form der Wahl in weite Ferne gerückt: Wahlleiterin Brunner erklärte im Interview, die Wahl mit Stimmzetteln könne als "Pilotprojekt" versucht werden.