Wahlcomputer bei den französischen Präsidentschaftswahlen - "La confusion règne"

Von Dr. Till Jaeger
 
Der erstmalige umfassende Einsatz von Wahlcomputern bei Wahlen in Frankreich hat zu erheblichen praktischen und rechtlichen Problemen geführt. So kam es bei den Präsidentschaftswahlen am Sonntag zu zahlreichen Verzögerungen und Beschwerden gegen den Einsatz dieser Geräte wegen Problemen bei der Handhabung. Erst am Donnerstag hatte das Verwaltungsgericht von Versailles entschieden, dass die Geräte trotz eines möglichen Verstoßes gegen art. L. 57-1 code électoral (franz. Wahlgesetz) eingesetzt werden dürfen. Insgesamt waren Wahlcomputer für 1,5 Mill. Wähler in 82 Gemeinden im Einsatz.

Hintergrund:

Der Einsatz von Wahlcomputern sieht sich zunehmend rechtlichen Bedenken ausgesetzt. Diese beruhen überwiegend auf der mangelnden technischen Überprüfbarkeit und damit der Manipulierbarkeit von Wahlcomputern sowie den damit einhergehenden Transparenzdefiziten. Nach den Problemen in den USA, den Niederlanden und in Deutschland ist jetzt Frankreich in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Kläger vor dem "tribunal administratif de Versailles" war der Informatiker Nicolas Barcet, der einen Verstoß gegen art. L. 57-1 des französischen Wahlgesetzes gerügt hat. Art. L. 57-1 code électoral verlangt, dass der Wahlcomputer mit zwei Schlüsseln ausgestattet ist, die während der Wahl unter der Kontrolle verschiedenener Personen sein müssen. Die tatsächlich eingesetzten Geräte in Issy-les-Moulineaux besitzen nach Angaben der französischen Zeitung Le Monde jedoch einen dritten Schlüssel, der die Annulierung bzw. Hinzufügung von Stimmen erlaubt. Das Verwaltungsgericht von Versailles hat den Antrag des Klägers mit der Begründung abgewiesen, dass auch bei einem Verstoß gegen art. L. 57-1 code électoral kein schwerer Verstoß gegen die Wahlrechte vorläge (« Considérant que M. [NOM DU PLAIGNANT] soutient que les machines à voter qui seront utilisées par les électeurs de la commune d’Issy-les-Moulineaux ne satisfont pas aux dispositions précités de l’article L57-1 du code électoral ; qu’à la supposer établie, une telle circonstance ne permet pas, à elle seule, de caractériser une atteinte grave à la liberté fondamentale que constitue l’exercice du droit de suffrage ; qu’il suit de là que la requête de [NOM DU PLAIGNANT] ne peut qu’être rejetée »). Die Kläger haben nunmehr Revision beim Conseil d´Etat (Staatsrat, oberstes Verwaltungsgericht) eingelegt. Neben diesen rechtlichen Schritten hat sich auch eine Bürgerbewegung mit dem Namen "Citoyens et informaticiens pour un vote vérifié par l'électeur" gegen den Einsatz von Wahlcomputern gebildet.

Scharf kritisiert wurde zudem der Umstand, dass nachträgliche (d.h. nach Veröffentlichung der ministeriellen Genehmigung) Änderungen an der Firmware vorgenommen wurden. Damit ist eine effektive Kontrolle nicht mehr möglich, oder wie es Roberto Di Cosmo, Informatikprofessor an der Université Paris VII, drastisch ausgedrückt hat: «Die Erlaubnis zur Änderung der Software ist die Erlaubnis zum Betrügen». Weitere Probleme ergaben sich daraus, dass die vor der Wahl präsentierten Wahlcomputer nicht die erforderliche Genehmigung des Innenministeriums besaßen und kurzfristig gegen ein älteres und bereits genehmigtes Modell ausgetauscht werden mussten. Diese Geräte stammen in Issy-les-Moulineaux von der US-Firma "Election Systems and Software (ES & S), überwiegend wurden jedoch Geräte der Firma NEDAP aus den Niederlanden eingesetzt, die erst eine Woche vor der Wahl genehmigt wurden. NEDAP-Geräte werden auch in Deutschland eingesetzt.

Hierzulande ist eine Wahlprüfungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht gegen den Einsatz von Wahlcomputern bei der Bundestagswahl 2005 anhängig. Hierbei geht es um die grundsätzliche Frage, ob Wahlcomputer mit den verfassungsrechtlich gewährten Wahlgrundsätzen vereinbar sind. So ist der Sourcecode der in Deutschland eingesetzten Wahlcomputer nicht zugänglich und eine öffentliche Überprüfung daher nicht möglich. Dies hatte vor dem Hintergrund des "NEDAP-Hacks", bei dem holländische Wahlcomputer gehackt und als Schachcomputer verwendet wurden, erhebliche Bedenken im Hinblick auf die Sicherheit ausgelöst.