Von Lisa Käde
Die Unlicense begegnet Entwicklern und Juristen im Rahmen der Open Source-Lizenzierung seit einiger Zeit, jetzt kommt die OSI (Open Source Initiative) zu dem Schluss, dass diese (weit verbreitete) Form der Lizenz (?) der Open Source-Definition entspricht. Am 12.06.2020 wurde die Unlicense von der OSI in ihren Open Source-Lizenzkatalog aufgenommen. Ein Grund für die zögerliche Zulassung ist die umstrittene Rechtsnatur der Unlicense, die keine Lizenz sein will, aber doch teilweise so verstanden werden muss. Versuch eines Überblicks.
Am 01. Januar 2010 veröffentlichte Arto Bendiken, Autor der Unlicense, einen Blogbeitrag anlässlich des Public Domain Day, und verkündete, dass er „all seine Software“ in die Public Domain „relizensiere“ bzw. „unlizenziere“:
„Today is Public Domain Day, in honor of which I’m hereby relicensing (or more properly, unlicensing) all of my software into the public domain.” (https://ar.to/2010/01/set-your-code-free).
Am Ende des Beitrags findet sich ein Link zu unlicense.org, eine Seite, auf der Bendiken „einige Resourcen zusammengestellt [hat], die [euch] helfen, [euren] Code in die Public Domain zu entlassen“. Dort wird die Unlicense beschrieben als „template for disclaiming copyright monopoly interest in software (…), in other words, it is a template for dedicating your software to the public domain.”
Daraus, und aus dem zugrundeliegenden Blogbeitrag, geht der Wille des Autors hervor, keine Lizenz zu schaffen, sondern vielmehr eine sogenannte Public Domain Dedication. Das Konzept ist bekannt aus dem Kreise der Creative Commons-Lizenzen, dort gab es bis Oktober 2010 eine Dokument mit dem Titel „Public Domain Dedication and Certification“, das allerdings mittlerweile als Retired bzw. Deprecated geführt wird. Der genannte Grund für die Deprecation deckt sich mit einem der Problempunkte, die zu vielen Diskussionen bzgl. der Unlicense geführt haben: Es handele sich um eine US-spezifische Vorgehensweise (Anm: es ist nicht auszuschließen, dass die völlige Aufgabe der Urheberrechte auch in anderen Rechtsordnungen möglich ist), ein Werk willentlich in die Public Domain zu entlassen und damit alle Urheber- und verwandte Schutzrechte an dem Werk aufzugeben. Einige Rechtsordnungen – wie auch das deutsche Urheberrecht – erlauben keine solche Freisagung von Urheberrechten. Es gilt der „Grundsatz der Unübertragbarkeit des Urheberrechts“ (Dreier/Schulze-Schulze § 29 Rn. 1). Vgl. z.B. § 29 UrhG:
-
Das Urheberrecht ist nicht übertragbar, es sei denn, es wird in Erfüllung einer Verfügung von Todes wegen oder an Miterben im Wege der Erbauseinandersetzung übertragen.
-
Zulässig sind die Einräumung von Nutzungsrechten (§ 31), schuldrechtliche Einwilligungen und Vereinbarungen zu Verwertungsrechten sowie die in § 39 geregelten Rechtsgeschäfte über Urheberpersönlichkeitsrechte.
(Die in § 39 UrhG geregelten Urheberpersönlichkeitsrechte umfassen Änderungen des Werkes, dessen Titel und die Urheberbezeichnung.) Folglich funktionieren solche Public Domain Dedications in Deutschland nicht (vgl. dazu auch ausführlich Kreutzer, „Validity oft he Creative Commons Zero 1.0 Universal Public Domain Dedication and its usability for bibliographic metadata from the perspective of German Copyright Law”).
Die infragestehende Creative Commons Public Domain Dedication wurde darum ersetzt durch die neue CC0-Lizenz. Die CC0 geht mit der Fallback-Lösung in Abschnitt 3 ausdrücklich den Weg, die Rechte so weitgehend wie in der geltenden Rechtsordnung möglich einzuräumen, womit auch die Anwendung in Deutschland möglich ist. Zudem wird explizit erklärt, wann diese Fallback-Lösung erforderlich ist, und der Umfang der für den Fall gewährten Lizenz wird genannt.
Für den Fall der Unlicense war daher zu klären, ob auch hier über den Weg einer Fallback-Lösung eine Anwendbarkeit in Rechtsordnungen wie der Deutschen gelangt werden kann. Bedenken bestanden hier insbesondere deshalb, weil im Text der Unlicense eine Fallback-Lösung wie in der CC0-Lizenz nicht explizit enthalten ist, und weil sich die Autoren der Unlicense explizit vom Lizenzwesen lösen wollten.
Der Text der Unlicense lautet:
„This is free and unencumbered software released into the public domain.
Anyone is free to copy, modify, publish, use, compile, sell, or distribute this software, either in source code form or as a compiled binary, for any purpose, commercial or non-commercial, and by any means.
In jurisdictions that recognize copyright laws, the author or authors of this software dedicate any and all copyright interest in the software to the public domain. We make this dedication for the benefit of the public at large and to the detriment of our heirs and successors. We intend this dedication to be an overt act of relinquishment in perpetuity of all present and future rights to this software under copyright law.
THE SOFTWARE IS PROVIDED "AS IS", WITHOUT WARRANTY OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO THE WARRANTIES OF MERCHANTABILITY, FITNESS FOR A PARTICULAR PURPOSE AND NONINFRINGEMENT. IN NO EVENT SHALL THE AUTHORS BE LIABLE FOR ANY CLAIM, DAMAGES OR OTHER LIABILITY, WHETHER IN AN ACTION OF CONTRACT, TORT OR OTHERWISE, ARISING FROM, OUT OF OR IN CONNECTION WITH THE SOFTWARE OR THE USE OR OTHER DEALINGS IN THE SOFTWARE.“
Wie aber auch schon Kreutzer betonte und belegte (S. 14, dort Fn. 20 mwN), und wie auch in Jaeger/Metzger zu lesen ist , ist davon auszugehen, dass eine Public Domain Dedication – wie die Unlicense – „für den deutschen Schutzbereich als Einräumung eines einfachen Nutzungsrechts an jedermann auszulegen“ (Jaeger/Metzger, Open Source Software, Rz. 8) ist. Es ist also nicht davon auszugehen, dass ein Gericht aufgrund der von anderen Lizenztexten abweichenden Formulierung oder dem Befinden des Unlicense-Autors, keine Lizenz schaffen zu wollen, das Vorliegen wenigstens einer einfachen Lizenz verneint und den Verwender damit schutzlos stellt. Schließlich lässt sich aus der Verwendung der Unlicense zumindest darauf schließen, dass ein Softwareentwickler seine Software frei und für jedermann zur Verfügung stellen – und sich gerade nicht alle Rechte vorbehalten will.
Die Aufnahme in den Lizenzkatalog der OSI bestätigt diese Außenwirkung, sowie die Konformität mit der Open Source Definition – danach muss Open Source Software (bzw. eine Open Source Lizenz) folgende (hier abgekürzt dargestellte) Kriterien erfüllen:
-
Die Lizenz soll die Verbreitung der Software nicht einschränken.
-
Der Zugang zum Quellcode muss gegeben sein.
-
Bearbeitungen und abgeleitete Werke müssen zulässig sein.
-
Die Integrität des Quellcodes des (urspr.) Autors soll gewährleistet werden.
-
Personen oder Personengruppen dürfen nicht diskriminiert werden.
-
Einsatzbereiche für die Software dürfen nicht diskriminiert / beschränkt werden.
-
Die Lizenz muss auch für die Personen gelten, denen das Programm mit Lizenz weitergegeben wird.
-
Die Lizenz darf nicht produktspezifisch sein.
-
Die Lizenz darf nicht andere Software, die gemeinsam mit der lizenzierten Software vertrieben wird, beschränken.
-
Die Lizenz muss technologieneutral sein.
Der Antragsteller wandte sich auch an ifrOSS, da dem Entscheidungskomitee insbesondere noch eine Einschätzung europäischer Open Source-Rechtsspezialisten bzgl. der Behandlung und Umdeutung von Public Domain Dedications vor z.B. deutschen Gerichten fehlte. ifrOSS wandte sich infolgedessen direkt an die OSI und bestätigte die oben ausgeführte Rechtsauffassung.
Für Entwickler und Entscheidungsträger dürfte die Akzeptanz durch die OSI das Vertrauen in die Unlicense stärken. Abzuwarten ist noch, wie sich der Autor der Unlicense über die Aufnahme in einen Lizenzkatalog äußern wird.