So nicht: Bundesverfassungsgericht erklärt Einsatz von Wahlcomputern für unzulässig

Von Dr. Till Kreutzer
Das Bundesverfassungsgericht hat am 3.3.2009 entschieden, dass der Einsatz von Wahlcomputern bei der Bundestagswahl 2005 verfassungswidrig war. Zwar hat das Gericht nicht generell untersagt, elektronische Wahlmaschinen zu verwenden. Da die konkret eingesetzten NEDAP-Geräte jedoch den Wählern nicht ermöglichten, ihre Eingabe noch einmal zu überprüfen und auch im Übrigen keine zuverlässige Richtigkeitskontrolle zuließen, verstieß ihr Einsatz gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl (Art. 38 i.V.m. 20 Abs. 1 u. 2 GG). Erwartungsgemäß hat das Gericht dennoch nicht die Bundestagswahl nachträglich für ungültig erklärt (was zur Auflösung des 16. Bundestages hätte führen müssen). Diesbezüglich überwiege das Interesse am Bestandsschutz der Volksvertretung, vor allem da es nicht nachweislich zu Manipulationen oder Fehlern bei der Stimmerfassung gekommen sei. Hintergrund: Das Bundesverfassungsgericht führt in seiner ausführlichen Pressemitteilung zunächst aus, dass der Einsatz von elektronische Wahlgeräten nicht an sich verfassungswidrig sei. Paragraf 35 Bundeswahlgesetz (BWG), der die Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz von Wahlcomputern darstellt, sei für sich genommen nicht zu beanstanden. Dagegen heißt es in der Pressemitteilung: "Die Bundeswahlgeräteverordnung ist jedoch verfassungswidrig, weil sie nicht sicherstellt, dass nur solche Wahlgeräte zugelassen und verwendet werden, die den erfassungsrechtlichen Voraussetzungen des Grundsatzes der Öffentlichkeit genügen." Wahlcomputer würden diesem Grundsatz nur genügen, wenn "die wesentlichen Schritte von Wahlhandlung und Ergebnisermittlung zuverlässig und ohne besondere Sachkenntnis überprüft werden können." Manipulationen oder Wahlfälschungen seien bei der herkömmlichen Wahl mit Stimmzetteln "nur mit erheblichem Einsatz und einem präventiv wirkenden sehr hohen Entdeckungsrisiko möglich". Programmierfehler in der Software oder zielgerichtete Wahlfälschungen durch Manipulation der Software seien bei elektronischen Wahlgeräten dagegen nur schwer erkennbar. Im Übrigen müsse der Wähler selbst ohne nähere computertechnische Kenntnisse" nachvollziehen können, ob seine abgegebene Stimme unverfälscht erfasst wurde. Es reiche auch nicht aus, dass "anhand eines zusammenfassenden Papierausdrucks oder einer elektronischen Anzeige lediglich das Ergebnis des im Wahlgerät durchgeführten Rechenprozesses zur Kenntnis genommen werden" könne. Das Bundesverfassungsgericht sprach sich damit klar gegen das Blackbox-Prinzip aus, auf dem die beanstandeten NEDAP-Geräte basierten. Aufgrund des Einsatzes von "closed source software" und deren intransparenter Funktionsweise ist es selbst Experten nicht möglich, die Datenverarbeitungsschritte im Einzelnen nachvollziehen zu können, geschweige denn dem Wähler. Soweit es auf dessen Kontrollmöglichkeiten und die eigene Nachvollziehbarkeit der Wahlhandlung ankommt, wären indes auch mit Open Source Software arbeitende Wahlcomputer nicht ohne weiteres zulässig. Denn das Gericht verlangt, dass nicht nur eine Spezialistenöffentlichkeit, sondern jeder Bürger die korrekte Stimmenerfassung nachvollziehen kann. Für die anstehenden Landtags- und Bundestagswahlen dürfte das im Zweifel erst einmal bedeuten, dass wieder Papier und Stift zum Einsatz kommen. Zwar hat der Vorsitzende des zweiten Senats am Bundesverfassungsgericht, Andreas Voßkuhle, bei der Verkündung des Urteils erklärt, dass Wahlgeräte, die die Stimmen der Wähler elektronisch erfassen und das Wahlergebnis elektronisch ermitteln, nicht prinzipiell unzulässig seien. Sofern die Stimmen unabhängig voneinander erfasst und gezählt würden, wie bei einem Voter Verified Paper Trail, Stimmzettelscannern oder digitalen Wahlstiften sei der Einsatz elektronischer Mittel durchaus denkbar. Auch Internetwahlen seien nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Dass (verfassungsgemäße) Lösungen noch vor den anstehenden Wahlen im Jahr 2009 entwickelt werden, dürfte jedoch eher unwahrscheinlich sein.