Russische Föderation: Open Source Lizenzen als Schenkung?

Von Stefan Labesius
 
Im Internet-Blog von Anatolij Semenov sind seit einiger Zeit Antwortschreiben des russischen Finanzministeriums sowie des Forschungszentrums für Privatrecht beim Präsidenten der Russischen Föderation veröffentlicht, die unentgeltliche Lizenzverträge nach russischem Recht (Art. 1235 Zivilgesetzbuch der Russischen Föderation [ZGB]) als eine Schenkung (Art. 572 ZGB) im schuldrechtlichen Sinne einordnen. Jene Schreiben sind Antworten auf Anfragen des Dumaabgeordneten Vjac(eslav Kušc(ëv vom November letzten Jahres in Bezug auf die die Frage, ob eine solche Rechtegewährung ohne finanzielle Gegenleistung als eine Schenkung angesehen werden kann.
 
Dies hätte für deren wirtschaftliche Bedeutung erhebliche Folgen, denn für Schenkungen gelten besondere Einschränkungen im wirtschaftlichen Verkehr. So sind Schenkungen zwischen wirtschaftlichen Organisationen (wie z.B. Kapitalgesellschaften) unzulässig, soweit der Wert des Schenkungsgegenstandes 3000 Rubel übersteigt (Art. 575 Nr. 4 ZGB). Problematisch ist dabei schon die Frage der Wertbemessung, insbesondere, ob z.B. eine vergleichbare kommerzielle Lizenz als Bewertungsgrundlage herangezogen werden kann. Dementsprechend schließt das Antwortschreiben des Forschungszentrums für Privatrecht auch mit der Empfehlung für wirtschaftliche Organisationen, auf entsprechende Lizenzverträge zu verzichten. Vgl. dazu auch die Meldung auf www.info-foss.ru vom 25. Dezember 2008.

Hintergrund:

Die Einordnung unentgeltlicher Lizenzverträge als Schenkung ist in Russland jedoch keineswegs unumstritten (vgl. die Anmerkungen von Anatolij Semenov). Im Gegensatz zu einem Vertrag über die Veräußerung des ausschließlichen Rechts (Art. 1234 ZGB, so wird im russischen ZGB die Gesamtheit der vermögensrechtlichen Bestandteile von Rechten am Geistigen Eigentum bezeichnet), werden durch einen Lizenzvertrag nur beschränkte Nutzungsrechte eingeräumt. In den meisten Fällen erfolgt eine vertragliche Rechteinräumung für einen festgelegten Zeitraum, weshalb die Annahme eines Dauerschuldverhältnisses, in diesen Fällen also einer Leihe, näher liegt, für die die genannten Einschränkungen nicht zutreffen.
Aufgrund der Stellung der lizenzvertraglichen Regelungen im Allgemeinen Teil des Vierten Teils des ZGB bezieht sich die umstrittene Auslegung im Übrigen auf sämtliche Arten von Geistigem Eigentum. Dieser Vierte Teil (Art. 1225-1551 ZGB) ist seit Beginn des vergangenen Jahres in Kraft und kodifiziert das gesamte Recht des Geistigen Eigentums , bringt aber auch an vielen Stellen inhaltliche Änderungen im Vergleich zur bisherigen Rechtslage mit sich. So gelten z.B. Lizenzverträge, die nicht ausdrücklich für einen bestimmten Zeitraum geschlossen wurden, lediglich für fünf Jahre (Art. 1235 Pkt. 4 ZGB). Ebenso sind Lizenzverträge nach russischem Recht grundsätzlich zwingend in schriftlicher Form zu schließen (vgl. Art. 1235 Pkt. 2, 1286 Pkt. 2 ZGB). Auch wurden die Möglichkeiten verschärft, Lizenzverstöße zu sanktionieren. So können u.a. Unternehmen, die einen wiederholten oder schweren Verstoß gegen ausschließliche Rechte begehen, auf Antrag der Staatsanwaltschaft liquidiert werden (Art. 1253 ZGB).