Reading between the lines: Lessons from the SDMI challenge

Von Carsten Schulz
 
Am Mittwoch, den 15. August 2001, haben Wissenschaftler der Princeton University, auf dem USENIX -Symposium ihre Studie "Reading between the lines: Lessons from the SDMI challenge" vorgestellt. Gegenstand der Untersuchung sind Verfahren zur Umgehung von technischer Schutzmaßnahmen zum Schutz digitaler Audiodateien vor Vervielfältigung.

Hintergrund:
Die Veröffentlichung der Studie hatte im Vorwege für zahlreichen Wirbel gesorgt: Im Herbst 2000 hatte die Secure Digital Music Initiative (SDMI) einen Wettbewerb ausgerufen, in dem die interessierten Kreise aufgerufen wurden, die technischen Schutzmaßnahmen zum Schutz vor unautorisierter Vervielfältigung auf ihre Umgehbarkeit hin zu untersuchen. Einer Forschungsgruppe um Professor Felton, Princeton University, gelang es im Rahmen dieses Wettbewerbs, fünf der sechs getesteten Schutzmechanismen zu umgehen, darunter alle vier Wasserzeichentechniken.
Als die Wissenschaftler ankündigten, ihre Studie auf dem Fourth International Information Hiding Workshop in Pennsylvania im April 2001 vorstellen zu wollen, drohten die Recording Industry Association of America (RIAA) und betroffene Herstellerfirmen an, mit rechtlichen Mitteln gegen die Veröffentlichung vorgehen zu wollen. Die Veröffentlichung der Studie verstoße gegen den Digital Millennium Copyright Act (DMCA) 1998, der die Verbreitung von Technologien, Produkten, Dienstleistungen oder anderen Komponenten verbietet, die zur Umgehung technischer Kopierschutzmechanismen geeignet sind. Das Team um Professor Felten zog daraufhin die Ankündigung kurzfristig zurück.
Im Juni 2001 ging Professor Felten in die Offensive und strengte eine gerichtliche Klärung an. Er vertrat die Auffassung, dass durch das Vorgehen der RIAA die Möglichkeiten freier wissenschaftlicher Auseinandersetzung und skeptischer Analyse von technischen Entwicklungen Dritter unangemessen beschränkt würden. Damit würden zugleich die verfassungsrechtlichen Garantien freier Wissenschaft und freier Meinungsäußerung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse außer Kraft gesetzt. Unterstützt wird Professor Felten im diesem Prozess unter anderem von der Electronic Frontier Foundation (EFF) , die eine Kampagne gegen den Missbrauch des DMCA aufbaut und zahlreiche Informationen zum Stand des Verfahrens sowie Stellungnahmen U.S.-amerikanischer und europäischer Wissenschaftler, Organisationen und IT-Fachleute auf ihren Seiten bereit hält.
In dem von Professor Felten angestrengten Verfahren äußerte die RIAA gegenüber dem Gericht dann im Juli schriftlich, dass keine Einwände gegen die Veröffentlichung der Studie auf dem USENIX-Symposium bestünden, und bat das Gericht, die anhängige Klage zu verwerfen, da keine Kontroverse bestünde, die gerichtlich entschieden werden müsse; die EFF antwortete hierauf mit einer Eingabe vom 13. August, in der auf den einschüchternden Effekt aus den vorangegangenen Auseinandersetzungen für die Freiheit wissenschaftlicher Arbeit hingewiesen wurde.

Die zwischen den Wissenschaftlern um Professor Felten und der RIAA geführte Auseinandersetzung ist bereits der zweite spektakuläre Vorfall in diesem Sommer, der den öffentlichen Diskurs zum Umgang mit technischen Kopierschutzmechanismen beherrscht. Bereits im Juli gab es einen regelrechten Sturm der Entrüstung - insbesondere auch unter europäischen Softwareexperten - als der russische Programmierer Dmitry Sklyarov in den USA verhaftet wurde, nachdem er auf einer IT-Sicherheits-Konferenz in Las Vegas ein Verfahren vorgestellt hatte, mit dem ein Kopierschutzsystem zur Verhinderung der Vervielfältigung von eBooks umgangen werden konnte.
Die U.S.-amerikanische Entwicklung ist auch aus deutscher und gesamteuropäischer Hinsicht interessant, steht doch auf der Basis der "Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft" ein urheberrechtlicher Schutz technischer Kopierschutzmechanismen auch in den Staaten der Europäischen Gemeinschaft an. Diesen sachgerecht und ohne Beschränkung legitimer Interessen der Nutzer zu gestalten, dürfte vor dem Hintergrund der starken Lobby aus Software-, Film- und Musikindustrie zu den schwierigsten laufenden politischen Vorhaben im Bereich des Urheberrechts zählen.