von: Stefan Labesius
Vor Beginn eines Rechtsstreits sollte man tunlichst dafür sorgen, das Potential für mögliche Gegenangriffe der zu verklagenden Partei zu identifizieren und zu minimieren. Diese Erfahrung macht momentan das Unternehmen Twin Peaks in einer patentrechtlichen Auseinandersetzung mit Red Hat in den USA.
Mit seiner Klage machte Twin Peaks zunächst eine Patentverletzung von Red Hat basierend auf einem Patent betreffend ein sog. Mirror File System (Nr. US 7,418,439) geltend. Dieses Schutzrecht beschreibt in erster Linie ein virtuelles Dateisystem, das mehrere Dateisysteme untereinander verknüpft und diese in Echtzeit spiegelt. Die im Patent beschriebene Technik ist u. a. im Gluster File System implementiert, welches wiederum von Red Hat im Red Hat Storage Server verwendet wird. Im Klagevorbringen verweist Twin Peaks bei der patentgemäßen Ausführung insoweit detailliert auf die Funktionsweise von Dateisystemen unter UNIX, insbesondere auch auf das Einbinden (sog. Mounting) von Dateisystemen in Verzeichnisse (vgl. S. 19 der Klageschrift).
Für Red Hat lag es daher nahe, zu prüfen, inwieweit Twin Peaks bei der Implementierung der patentierten Technik auf Open Source Software zurückgreift und diese auch lizenzgemäß vertreibt. Hier wurde man offenbar beim Programm „mount“, fündig, das unter der GPL v2 steht. Denn Red Hat macht nun seinerseits im Wege einer Widerklage eine Urheberrechtsverletzung von Twin Peak gestützt auf eine Verletzung der GPL v2 geltend. So vertreibe die Klägerin sowohl kostenpflichtig unter der Bezeichnung „TPS Replication Plus“ als auch unentgeltlich unter der Bezeichnung „TPS My Mirror“ Software, die ein Program „mount.mfs“ enthalte, was wiederum auf „mount“ basiere. Entgegen den Vorgaben der GPL werden beide Versionen aber unter einer proprietären Lizenz und ohne Bereitstellung von Quellcode und Lizenztext angeboten.
Zur Wirksamkeit der GPL verweist Red Hat in der Widerklage auf die Entscheidung Wallace v. Int'l Bus. Machines Corp., 467 F.3d 1104, 1105 (7th Cir. 2006) (vgl. hierzu Nachricht der Woche v. 24. Mai 2005), in der u. a. in Bezug auf die entgeltliche Verbreitungen von Bearbeitungen gpl-lizenzierter Software festgestellt wurde:
“[copyright law] ensures that open-source software remains free: any attempt to sell a derivative work will violate the copyright laws, even if the improver has not accepted the GPL.”
Damit ist allerdings noch nicht beantwortet, ob auch dann – aus Sicht des US-Urheberrechts – eine Urheberrechtsverletzung anzunehmen ist, wenn die Software zwar unentgeltlich vertrieben wird, jedoch der korrespondierende Quellcode nicht entsprechend der GPL oder auch der Lizenztext nicht zur Verfügung gestellt wird. Diese Frage ist – soweit ersichtlich – in der US-Rechtsprechung noch nicht ausdrücklich entschieden worden und dürfte im Hinblick auf den unentgeltlichen Vertrieb der Software von Twin Peak unter der Bezeichnung „TPS My Mirror“ entscheidend sein.
Darüber hinaus begehrt Red Hat neben einem Verbot des Softwarevertriebs auch Schadensersatz. Eine gerichtliche Sachentscheidung dürfte daher auch im Hinblick auf die Bemessung des konkreten Schadens interessant sein, da bei GPL-Verletzungen konkrete Anhaltspunkte hierzu bisher fehlen (vgl. hierzu: Landgericht Bochum, Urt. v. vom 20.01.2011 - Az. I-8 O 293/09 sowie dazu: Nachricht der Woche v. 10. Februar 2011). Eine Schadenssumme hat Red Hat in dem Rechtsstreit bisher allerdings nicht beziffert.