OLG Hamm verneint Schadensersatz bei GPL-Verstoß

von Stefan Labesius

Im vergangenen Jahr hatte das Landgericht Bochum einen urheberrechtlichen Schadensersatzanspruch bemessen an einer sog. fiktiven Lizenz  wegen GPL-widriger Softwarenutzung im Grundsatz bejaht (vgl. NdW v. 31.5.2016). Zwischenzeitlich hatte die Beklagte dagegen Berufung eingelegt, der das OLG Hamm in der nun veröffentlichten Entscheidung (Urt. v. 13.6.2017 – 4 U 72/16) weitgehend stattgegeben und einer Schadensberechnung anhand einer Lizenzanalogie eine Absage erteilt hat.

Maßgeblich stellt das OLG dabei darauf ab, dass zum einen bei einer GPL-konformen Nutzung gar kein Lizenzentgelt anfallen würde. Darüber hinaus habe die Klägerin jedenfalls die streitgegenständliche Software nicht parallel unter eine kostenpflichtigen Lizenz angeboten (sog. Dual-Licensing). Daher wäre allenfalls von einem Lizenzentgelt von Null auszugehen (vgl. auch: OLG Köln, Urt. v. 30.10.2014 6 U 60/14 – zu fiktiver Lizenz bei Verstoß gegen Creative Commons-Lizenz).

Diese Argumentation geht allerdings davon aus, dass es bei korrektem Verhalten der Beklagten tatsächlich zum Abschluss eines Lizenzvertrages gekommen wäre – entweder zu den Bedingungen GPL oder im Rahmen einer proprietären Lizenz im Rahmen des Dual-Licensing. Jedoch setzt nach ständiger Rechtsprechung des BGH die Schadensberechnung nach einer sog. fiktiven Lizenz ausdrücklich nicht voraus, dass überhaupt eine Lizenz mit dem Verletzer abgeschlossen worden wäre (vgl. bereits BGH, Urt. v. 17.6.1992 – I ZR 107/90 – Tchibo/Rolex II) oder ob der Verletzer bereit gewesen wäre, für seine Nutzungshandlungen eine Vergütung in dieser Höhe zu zahlen (vgl. BGH, Urt. v. 29.7.2009 – I ZR 169/07, Rn. 36 – BTK).

Die Schadensberechnung anhand einer fiktiven Lizenz ist damit bereits dann nicht ausgeschlossen, wenn eine (entgeltliche) Lizenzierung für eine widerrechtliche Zugänglichmachung der Software tatsächlich nicht in Betracht kommt – weil es z. B. an einem Dual-Licensiung-Modell fehlt (vgl. auch BGH, Urt. v. 22.3.1990 – I ZR 59/88 – Lizenzanalogie; zuletzt: Versäumnisurt. v. 6.10.2016 – I ZR 97/15, Rn. 29).

Dafür spricht im Übrigen, dass die Berechnung des Schadens anhand einer fiktiven Lizenz den Verletzer nicht besser stellen soll als einen rechtmäßigen Lizenznehmer (vgl. dazu bereits: BGH, Urt. v. 17.6.1992 – I ZR 107/90 – Tchibo/Rolex II), der im vorliegenden Fall unter Einhaltung der GPL die Software hätte kostenlos nutzen können, gegenüber einen Verletzer, der sich nicht an die Nutzungsbedingungen der GPL gehalten hat.

Soweit das OLG Hamm schließlich darauf abstellt, dass es bei der Beurteilung der Lizenzierbarkeit der Software nur auf die konkret verletzte Software ankommen soll, erscheint auch dieser Gesichtspunkt am Maßstab der fiktiven Lizenz nicht zwingend. So spricht die Tatsache, dass eine ergänzte oder jüngere Softwareversion auch entgeltlich vertrieben wird, gerade dafür, dass eine entgeltliche Softwareüberlassung nicht von vornherein unüblich ist. Für die Annahme der Verkehrsüblichkeit einer Überlassung im Rahmen der Lizenzanalogie genügt es aber, wenn Verwertungsrechte überhaupt durch Lizenzierung genutzt werden können und genutzt werden (vgl. BGH, Urt. v. 23.6.2005 – I ZR 263/02, Rn. 23 – Catwalk).

Das Urteil des OLG Hamm ist zwischenzeitlich rechtskräftig.

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