OLG Düsseldorf zu Patentverletzung beim Einsatz von Open-Source-Firmware

von Stefan Labesius

Die Vielseitigkeit von open source basierter Firmware zeichnet sich u. a. dadurch aus, bereits frei verfügbare Softwareimplementierungen auf ein bestimmtes Anwendungsszenario anpassen zu können. Die darin enthaltenen Software-Bestandteile (z. B. Standard-Programmbibliotheken) umfassen dabei in der Regel eine Vielzahl von Funktionen, die jedoch nicht alle von der jeweiligen Firmware angesteuert oder aufgerufen werden müssen, obwohl sie standrdmäßig mit kompiliert werden. Sofern derartige Funktionen allerdings eine patentierte Erfindung verwirklichen können, stellt sich die Frage, ob bereits darin eine Patentverletzung zu sehen sein kann. Wichtige Anhaltspunkte dafür hat nun das OLG Düsseldorf im Zusammenhang mit der Verschlüsselungssoftware OpenSSL, die auf Set-Top-Boxen enthalten war, geliefert (Urteil vom 29. Februar 2015 – 15 U 39/14).

1. Sachverhalt

Das mittlerweile erloschene Europäische Patent Nr. 0 482 154 (der deutsche Teil beschränkt aufrechterhalten durch BPatG, Urteil vom 11. Juli 2012 - 5 Ni 34/10 (EP) beanspruchte eine Vorrichtung zur Datenver- bzw. entschlüsselung nach dem sog. International Data Encryption Algorithm (IDEA). Dabei handelt es sich um eine symmetrische Blockverschlüsselungsmethode, die unter anderem durch OpenSSL implementiert ist.

Die Rechtsinhaberin wandte sich mit ihrer Klage gegen den Vertrieb von Set-Top-Boxen, deren Firmware u. a. die Verschlüsselungssoftware OpenSSL enthielt. Diese wiederum umfasste eine Softwareimplementierung des IDEA, die zwar in der kompilierten Firmware auf den Set-Top-Boxen enthalten war. Allerdings war die IDEA-Implementierung nicht eingebunden und wurde beim Ablaufenlassen der Firmware nicht aufgerufen. Jedoch konnte der IDEA-Algorithmus durch individuellen Aufruf des entsprechenden Befehls ausgeführt  werden, wobei zwischen den Parteien strittig blieb, ob eigens dafür eine zusätzliche Software erforderlich ist. Die Anleitungen zur Verwendung der Set-Top-Boxen enthielten offenbar aber keinen Hinweis auf den Einsatz der IDEA-Verschlüsselung. Im Übrigen war in der entsprechenden README-Datei der Hinweis auf den damals bestehenden Patentschutz enthalten.

Erstinstanzlich hatte das Landgericht Düsseldorf der Klage im Wesentlichen stattgegeben und eine unmittelbare Patentverletzung nach § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG angenommen (Urteil vom 3. Dezember 2013 – 4a O 199/12 – Digitalblock).

2. Die Entscheidung

Das OLG Düsseldorf verneinte hingegen eine unmittelbare Patentverletzung. Denn weder erfüllten die ausgelieferten Set-Top-Boxen noch die angebotene Firmware bzw. deren Updates sämtliche Merkmale des Klagepatents, da die im Patentanspruch genannte primäre Verschlüsselungslogik nicht automatisch von der Firmware ausgeführt werde. Für die Annahme einer Patentverletzung sei es vielmehr erforderlich, dass der Abnehmer bzw. Nutzer der Set-Top-Box selbst in die Ausführung eingreife, um die IDEA-Implementierung ablaufen zu lassen. Zwar liege eine unmittelbare Patentverletzung bereits dann vor, wenn sämtliche Merkmale des Patentanspruchs verwirklicht sind und die angegriffene Verletzungsform objektiv in der Lage ist, die patentgemäßen Eigenschaften und Wirkungen zu erreichen. Allerdings erfüllen die beanstandeten Set-Top-Boxen weder im Auslieferungszustand noch mit der upgedateten Firmware sämtliche Merkmale, da die patentierte Verschlüsselungslogik durch die werksseitigen Einstellungen nicht ausgeführt werde.

Der für die Nutzung der patentgemäßen Funktion zusätzlich erforderliche Eingriff in die Firmware-Steuerung stelle zudem keine für den Erfindungsgedanken nebensächliche Zutat dar, die der Nutzer der Set-Top-Boxen selbstverständlich und mit Sicherheit hinzusetze. Nur solche Handlungen wären aber den Beklagten als Anbieter der Geräte auch zuzurechnen (vgl. dazu auch: OLG Düsseldorf, Urt. v. 13. Februar 2014 – 2 U 93/12, Rn. 155 ff.  Folientransfermaschine). Maßgeblich dafür, dass dies aber im entschiedenen Verfahren nicht der Fall war,  ist für das OLG Düsseldorf, dass die Set-Top-Boxen auch ohne den patentgemäßen Algorithmus zur Ver- und Entschlüsselung nutzbar waren, wofür u. a. die folgenden Aspekte sprechen:

  • Die Geräte sind sowohl für freien als auch den verschlüsselten Empfang geeignet und bestimmt.
  • Den Nutzern ist nicht ohne weiteres bekannt, dass die Firmware den geschützten Algorithmus enthält. Jedenfalls dürfte der Aufruf der den Algorithmus implementierenden Funktion nur solchen Nutzern mit vertieften Kenntnissen zur Firmware selbst bekannt sein.
  • Auch fehlen Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagten die Abnehmer der Set-Top-Boxen Anleitungen oder zusätzliche Software zur Verfügung gestellt hatten, um die Funktion individuell zu starten.
  • Vor allem aber – aus der Sicht von Open-Source-Entwicklern von Bedeutung – wird bei der Erstellung der angegriffenen Firmware öffentlich zugänglich Programmbibliotheken verwendet, die eine ganze Reihe von Funktionen enthalten, von denen jedoch nur ein Teil von der Firmware eingebunden und genutzt wird. Insoweit kam es nicht darauf an, dass die Beklagten bei der Erstellung der Software, den Aufruf der IDEA-Funktion nicht von vornherein deaktiviert hatten.
  • Ebenso ist die Tatsache, dass die Firmware dem Nutzer volle Administratorenrechte gewährt, kein Indiz für ein unmittelbare Patentverletzung, da nicht davon auszugehen sei, dass die Nutzer mit Sicherheit die patentgemäße Funktion aktivieren bzw. einbinden. Jedenfalls fehlen Anhaltspunkte dafür, dass die Nutzer eher Internet entsprechende Informationen zur Ausführung der patentierten Funktion recherchieren, als sich an die von den Beklagten beigefügten Bedienungsanleitungen halten.

Schließlich sah das OLG Düsseldorf darüber hinaus auch keine sog. mittelbare Patentverletzung nach § 10 PatG. Denn es fehle an einer erforderlicher Bestimmung zur patentgemäßen Verwendung. Weder enthielt die von den Beklagten zur Verfügung gestellte Anleitung eine solche Verwendung, noch bestanden Anhaltspunkte dafür, dass die Nutzer die Set-Top-Box gerade nicht anleitungs-, sondern patentgemäß nutzten.

3. Auswirkungen

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf gibt damit einige greifbare Anhaltspunkte, unter welchen Umständen von einer Patentverletzung auszugehen sein kann, wenn  patentgeschützte Funktionen in einer Open-Source-Firmware implementiert sind. Freilich dürfte es im jeweiligen Fall aber entscheidend darauf ankommen, inwieweit der Gegenstand auch in einer Weise genutzt werden kann, die nicht unter den Patentanspruch fällt. Je größer z. B. der Funktionsumfang der Firmware ist und je eher alternative Verfahren vorhanden sind, desto ferner liegt Annahme, dass die angegriffene Ausführungsform in erster Linie nur patentgemäß verwendet werden kann.

Ebenfalls eine Rolle dürfte dabei spielen, inwieweit die Nutzer Anlass dafür haben, eine softwareseitig implementierte und patentgeschützte Funktion selbst einzubinden oder nach entsprechenden Anleitungen zu recherchieren. Bei Set-Top-Boxen, die sich in erster Linie an Endkunden richten, mag dies fernliegen. Bei der Verwendung in Industrieprodukten (z. B. für die Werkzeugsteuerung) kann dies durchaus anders bewertet werden. Zudem ist die Möglichkeit, die Firmware nach eigenen Vorstellungen des Nutzers anzupassen und mit zusätzlichen Funktionen zu versehen, open source basierten Systemen immanent. Dies folgt nicht zuletzt aus den lizenzvertraglichen Pflichten, den jeweiligen Quellcode – und damit die Möglichkeit der Implementierung auf ein bestimmtes System – für jedermann zur Verfügung zu stellen. Ob aber die freie Zugänglichkeit zu potentiell patentgemäßen Softwareimplemenierungen als solches bereits eine patentverletzende Verwendung nahelegen kann, ist – darin ist im Ergebnis der Entscheidung des OLG Düsseldorf zuzustimmen – jedoch zweifelhaft.

Damit hat nun der Bundesgerichtshof Gelegenheit, zu den aufgeworfenen Punkten Position zu beziehen, denn eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des OLG Düsseldorf ist mittlerweile anhängig (Az. X ZR 24/15).

Nachtrag vom 3. September 2017:

Mit Beschluss vom 13. Juni 2017 hat der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ohne weitere Begründung (vgl. § 544 Abs. 4 Satz 2 HS 2 ZPO) zurückgewiesen.

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