Von Dr. Axel Metzger
Bei Verträgen kommt es bekanntlich ja auf das Kleingedruckte an. Dementsprechend müssen nun alle erst einmal abwarten, bis der Wortlaut des Kooperationsvertrags zwischen Microsoft und Novell vollständig veröffentlicht wird. Wie man hört, könnten die Unternehmen hierzu schon bald nach dem US-amerikanischen Kapitalmarktrecht verpflichtet sein. Einstweilen ist man auf die Informationen zurückgeworfen, die von Microsoft und Novell in die Öffentlichkeit getragen werden. Bereits diese werfen jedoch eine Reihe von Fragen bezüglich der Vereinbarkeit mit der GPLv2 und der GPLv3 auf. Richard Stallman hat nun höchstpersönlich erklärt, er glaube nicht an einen Verstoß gegen die GPLv2. Die Lösung solle alleine in der GPLv3 gesucht werden.
Hintergrund:
Waren die ersten Pressereaktionen noch recht positiv, so überwiegt im Lager der Open Source Gemeinschaft mittlerweile die Skepsis. Wird hier ein Keil in die Community getrieben? Müssen die Nutzer von anderen Versionen von GNU/Linux als der Novell/Suse-Distribution das breite Patentportfolie von Microsoft nun umso mehr fürchten? Den Beteuerungen seitens der Kooperationspartner zum Trotz hat eine juristische Diskussion um die Vereinbarkeit des Deals mit der GPLv2 und der GPLv3 bereits eingesetzt.
Was die GPLv2 betrifft, so bietet vor allem Ziffer 7 Anhaltspunkte für ein Verbot des Vertriebs von GNU/Linux unter den Bedingungen der Vereinbarung. Novells Kunden sind nach dem Deal nur im Hinblick auf die Programmnutzung der spezifischen, von Novell erworbenen Kopie des Programms von Patentansprüchen freigestellt. Eigene Vertriebsaktivitäten der Kunden unterfallen der Vereinbarung dagegen nicht. Hierin könnte man einen Verstoß gegen Ziffer 7 der GPL sehen („For example, if a patent license would not permit royalty-free redistribution of the Program by all those who receive copies directly or indirectly through you, then the only way you could satisfy both it and this License would be to refrain entirely from distribution of the Program.“) Seitens der FSF scheint man hier jedoch nicht alle denkbaren Auslegungsspielräume ausschöpfen zu wollen. Richard Stallman selbst geht nicht von einem Konflikt mit der GPLv2 aus. Der Deal enthalte schließlich keine Lizenz zugunsten von Novell, sondern lediglich einen Verzicht auf die Geltengmachung von Patentansprüchen („covenant not to sue“).
Dass man seitens der FSF nicht zu einer strengen Auslegung der GPLv2 neigt, dürfte dadurch begründet sein, dass sich die Lizenz gegenwärtig mitten in einem umfassenden Reformprozess befindet. Offenbar geht die Strategie der FSF dahin, dem Problem alleine im Rahmen der GPLv3 beizukommen. Bereits die ersten beiden Entwürfe für die GPLv3 hatten in Ziffer 11 Bestimmungen enthalten, welche Lizenznehmern Verpflichtungen für den Fall auferlegt hatten, dass er durch eine Patentvereinbarung geschützt ist, spätere Nutzer in der Vertriebskette („downstream users“) jedoch nicht. Die Diskussion schien jedoch noch sehr im Fluss zu sein. Der Deal zwischen Microsoft und Novell dürfte den Kräften Auftrieb geben, die eine möglichst scharfe Schutzbestimmung fordern. Man darf nun auf den nächsten Entwurf der GPLv3 gespannt sein, der bald veröffentlicht werden soll. Dem Projekt GPLv3 könnte die Aufregung letztlich gut tun; vielleicht lassen sich Kritiker der Lizenzreform jetzt eher davon überzeugen, dass eine Überarbeitung der Lizenz notwendig ist. Aus der Sicht von Microsoft hätte der Zeitpunkt für die Bekanntgabe der Vereinbarung mitten im GPLv3-Prozess jedenfalls kaum ungeschickter gewählt werden können.