Kernel-Entwickler lehnen GPLv3-Entwurf ab

Von Till Kreutzer
 
Eine Gruppe prominenter Linux-Kernel-Entwickler hat sich in einem White Paper gegen die Reform der GPL Version 2 im Allgemeinen und gegen den aktuellen Draft 2 der GPLv3 im Besonderen gewendet. Für die Überarbeitung der Lizenz bestehe schon an sich kein zwingender Anlass, da die Version 2 nach wie vor problemlos für Freie-Software-Projekte eingesetzt werden könne. Im Übrigen berge der aktuelle GPLv3-Entwurf Risiken für die Nutzer und inakzeptable Bestimmungen für die Entwickler.

Hintergrund:

Im September 2006 wurde zunächst auf der Linux-Kernel-Mailingliste eine informelle Umfrage zur GPLv3 durchgeführt. Das Ergebnis fiel vernichtend aus: Nicht einer der 29 Umfrageteilnehmer, darunter Linus Torvalds, Alan Cox und Andrew Morton, sprach der neuen Lizenz ein positives Zeugnis aus. Das im Anschluss veröffentlichte White Paper wurde (bislang) nicht von allen Entwicklern unterzeichnet, die an der Umfrage teilgenommen hatten. Hierin erläutern zehn Kernel-Programmierer, was sie am aktuellen GPLv3-Entwurf für problematisch halten. "Wir flehen die FSF an, die Konsequenzen ihrer Handlungen noch einmal zu überdenken und den derzeitigen GPLv3-Prozess zu verwerfen, bevor es zu spät ist", lautet der fast verzweifelt klingende Aufruf in dem White Paper. Es sind im wesentlichen drei Punkte, an denen sich die Kritik der Verfasser begründet.

1. "Additional Terms" fördern Lizenzinkompatibilitäten

"Aus Rücksicht auf die bedeutende Rolle von Linux-Distributionen, sehen wir es als oberstes Ziel an, den Überfluss an Open-Source-Lizenzen zu reduzieren", schreiben die Entwickler in ihrer Stellungnahme. Der GPLv2 schreiben sie in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle zu. Sie habe sich als vorherrschende Lizenz durchgesetzt. Dies versetze die Distributoren in die Lage, eine Linux-Distribution ohne Probleme mit Lizenzkompatibilitätsfragen aus GPLv2-Software zu erstellen.

Die GPLv3 wirkt nach Ansicht der Unterzeichner des White Papers dieser positiven Entwicklung entgegen. Die in Ziffer 7b) enthaltenen, zusätzlichen Pflichten ermöglichten ein Rosinenpicken, das für die Distributoren zu einem Albtraum werden könne. Gegenüber der "no additional restrictions clause" der GPLv2 (siehe Ziffer 6, Satz 2: "You may not impose any further restrictions on the recipients' exercise of the rights granted herein.") stelle die Möglichkeit, aus einem Katalog weitere Einschränkungen der Nutzungsrechte auszuwählen, einen Rückschritt dar. Dies fördere eine zunehmende Fragmentierung der eingesetzten Lizenzen und damit Schwierigkeiten bei der Kombination und dem Vertrieb von unterschiedlich lizenzierten Softwarebestandteilen.

2. DRM-Klauseln schränken Endnutzer ein

Die DRM-Regelungen der ersten beiden Entwürfe für die GPLv3 (siehe die Ziffer 3 im Draft 2) waren seit Beginn des Diskussionsprozesses äußerst umstritten. Auch die Kernel-Entwickler sprechen sich in ihrem White Paper noch einmal ausdrücklich hiergegen aus. Ihre Ablehnung basiert auf zwei Aspekten: Zum einen würden hierdurch auch "unschuldige" und nützliche Verwendungen von Verschlüsselungs- und DRM-Technologien vereitelt. Zum anderen sei es nicht akzeptabel, dass die FSF auf diese Weise anderen ihre politische Einstellung (gegenüber technischen Schutzmaßnahmen) aufdränge. Hierin liege eine Verletzung des Vertrauens, dass die FSF im Hinblick auf die Weiterentwicklung der GPL genieße.

Zwar missbilligen auch die Kernel-Entwickler ausdrücklich den Missbrauch von DRM durch Medienunternehmen. Dass derartiger Missbrauch betrieben werde rechtfertige jedoch nicht, die Endnutzung entgegen der Intention der GPLv2 einzuschränken. Eben dies sei jedoch die Folge der DRM-Klausel im aktuellen GPLv3-Entwurf. Die FSF wende sich mit diesem Vorschlag vom Geist der GPLv2 ab, nach der die Freiheit der Endnutzer vor Restriktionen ein ganz wesentlicher Aspekt sei. Die Freiheit sei zudem wesentlich für den Erfolg freier Softwareprojekte. All dies werde durch die geplanten DRM-Beschränkungen der GPLv3 aufs Spiel gesetzt. Die Kernel-Entwickler statuieren: Eine Lizenz, die die Endnutzung beschränke, ist nicht akzeptabel.

3. Patent-Regelungen gefährden kommerzielle Verwendung von Freier Software

Der dritte wesentliche Kritikpunkt setzt an Ziffer 11 des zweiten GPLv3-Entwurfs an. Die Unterzeichner des White Paper befürchten - ohne ihre eigene Ansicht zu Software-Patenten in irgendeiner Hinsicht zu kommentieren -, dass mit dieser Regelung eine erhebliche Rechtsunsicherheit für Unternehmen einhergehe, die Freie Software vertreiben. "Der Entwurf klingt derzeit, als dass ein Unternehmen sein gesamtes Patent-Portfolio allein dadurch aufs Spiel setzen könnte, dass es eine GPLv3-Software auf seine Webseite stellt", kritisieren die Programmierer. Und weiter: "Da das Linux-Software-Ökosystem auf Beiträge von Unternehmen angewiesen ist, deren Anwälte dazu neigen, bei der Einschätzung von Haftungsrisiken die weitgehendste Interpretation zugrunde zu legen, finden wir diese Klausel angesichts ihres abschreckenden Effekts, den sie auf diese, für unseren Innovationsprozess erforderliche, Beteiligung durch Unternehmen haben wird, inakzeptabel."

Die FSF reagiert

Die FSF hat mittlerweile durch einen Beitrag auf ihrer Webseite unter dem Titel: "GPLv3: recent misleading information" auf die Bedenken der Entwickler erwidert. Hier wird auf einige der Kritikpunkte im Einzelnen eingegangen, insbesondere auf die DRM- und die Patent-Klausel. Bei der DRM-Klausel handele es sich nicht um eine Endnutzer-Beschränkung. Die Benutzung von Programmen werde durch die GPLv3 in keiner Weise beeinträchtigt oder Regelungen unterworfen. Vielmehr solle Ziffer 3 des aktuellen Entwurfs allein dazu dienen, Bestrebungen gewisser Unternehmen zu durchkreuzen, die Endnutzung von Freier Software zu kontrollieren und ihren Vorstellungen zu unterwerfen. Sie sichere daher - entgegen der Ansicht der Entwickler - die Freiheit der Endnutzung.

In Bezug auf die Kritik an der Patent-Klausel bedient sich die FSF in ihrer Gegenäußerung klarer Worte: "Daher [angesichts der Bedrohung aller Software-Entwickler durch Software-Patente, Anm. des Verfassers], würden wir, wenn wir könnten, jedes Sowftware-Patent-Portfolio vollständig vernichten. Aber dies ist mit einer Software-Lizenz wie der GNU GPL nicht möglich." Anders als die Entwickler spricht sich die FSF also klar gegen die Existenz und den Einsatz von Software-Patenten und dafür aus, mit der neuen GPL alles im Rahmen des Möglichen zu tun, um die Entwickler und Nutzer Freier Software gegen solche Rechte zu schützen. Die Wirkung von Ziffer 11 der GPLv3 sieht die FSF weit weniger dramatisch als von den Entwicklern beschrieben. Diese führe in keinem Fall zu einem Verlust des gesamten Patent-Portfolios, sondern nur dazu, dass Distributoren, Entwickler und Endnutzer nicht wegen Software-Patentverletzungen belangt werden können, die bei der Entwicklung, dem Vertrieb oder dem Einsatz von Freier Software unter Umständen begangen werden. Dies habe keinerlei Auswirkungen auf andere Patente, die das jeweilige Programm nicht implementiere.