FSF Europe und ifrOSS verbessern Rechtsschutz für Freie Software: Fiduciary License Agreement veröffentlicht

Von Axel Metzger
 
Die Free Software Foundation Europe hat am 02.03.2003 eine "Treuhänderische Lizenzvereinbarung" ("Fiduciary License Agreement", kurz FLA) veröffentlicht. Der Lizenztext stellt das Ergebnis einer Zusammenarbeit von ifrOSS und FSF Europe dar und soll helfen, den Rechtsschutz für Freie Software in Europa zu verbessern. Mittels des FLA können Freie Programmierer ihre Interessen bündeln, um sich gemeinschaftlich gegen Lizenzverletzungen an ihrer Software zu wehren.

Hintergrund:

Freie Software darf nur unter Beachtung der jeweils zugrundeliegenden Lizenzbedingungen vertrieben werden. Verstöße gegen die Lizenzen können von den Urhebern der Programme oder den sonstigen Rechteinhaber (insb. Arbeitgeber) gerichtlich untersagt werden, auch ist die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen grundsätzlich möglich. Hier stellt sich für Freie Software allerdings ein besonderes Problem: Klagen können an sich nur die jeweiligen Rechtsinhaber. Bei komplexen Programmen wie etwa dem Betriebssystem GNU/Linux können mitunter hunderte oder tausende Programmierer beteiligt sein. Kann hier ein einzelner auf Unterlassung oder Schadensersatz für alle klagen? Und - wer ist bereit, im Interesse der anderen das Risiko eines gegebenenfalls kostspieligen Rechtsstreits auf sich zu nehmen? Letztlich sorgt nur ein gemeinsames Vorgehen der Freien Entwicklungsprojekte für einen effektiven Rechtsschutz.
Die "Treuhänderische Lizenzvereinbarung" hilft hierbei, in dem sie eine Bündelung der gemeinsamen Interessen bei einem Treuhänder - hier der FSF Europe - vorschlägt . Die FSF Nordamerika arbeitet seit längerer Zeit mit entsprechenden "Assignments". Nicht zuletzt diese Rechtsstellung verleiht ihr bei der Verteidigung der Programme gegen lizenzwidrige Praktiken besonderes Gewicht (vgl. hierzu die beiden Berichte von Eben Moglen über die Praxis der "Verteidigung" von GPL-Software: Enforcing the GPL I + Enforcing the GPL II).
Um den Treuhänder sicher in die Lage zu versetzen, anstelle des Urhebers gegen Lizenzverletzer vorgehen zu können, ist in Europa grundsätzlich die Einräumung der ausschließlichen Nutzungsrechte notwendig. Eine einfache Bevollmächtigung ist für das Führen von Prozessen nicht ausreichend. Andererseits soll aber der Urheber (bzw. sonstige Rechtsinhaber) nicht all seiner Rechte "beraubt" werden, vielmehr soll er weiter in der Lage sein, seinerseits Lizenzen an der Software - etwa im Wege des sog. Dual Licensing (paralleler Vertrieb von Software als Open Source und als proprietäre Software) - zu vergeben.
Das FLA erreicht diese Ziel durch zwei Rechtseinräumungen:
1. Rechtseinräumung zugunsten des Treuhänders: Entsprechend den Anforderungen der kontinentaleuropäischen Urheberrechtsordnungen ("Droit d'Auteur"-Staaten) ist hierfür eine genaue Auflistung der einzelnen Nutzungsrechte in § 2 FLA vorgesehen, für die Staaten mit "Copyright"-Systemen ist eine vollständige Übertragung des Rechts in § 1 FLA geregelt.
2. Rückübertragung einfacher Nutzungsrechte an den Treugeber: Nach § 5 FLA werden dem Treugeber eine unbegrenzte Zahl einfacher Nutzungsrechte für die Software zurückübertragen. Dies ermöglicht dem Treugeber eine flexible Lizenzpolitik. Die Geschäftstätigkeit im Hinblick auf die Software wird durch eine Unterzeichnung des FLA deshalb nicht beeinträchtigt. Sog. "Dual Licensing" bleibt möglich.
Es ist zu hoffen, dass sich möglichst viele Programmierer zu einer treuhänderischen Rechtewahrnehmung entschließen können. Die FSF Europe erfüllt durch die Präsentation des FLA nunmehr die organisatorischen Voraussetzungen für eine juristisch effektive Interessenwahrnehmung.