EuGH befasst sich erstmals mit Computerprogramm-Richtlinie

Von: Prof. Dr. Axel Metzger
 
Die Richtlinie 91/250/EWG vom 14. Mai 1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (mittlerweile ohne größere Änderungen "kodifiziert" als Richtlinie 2009/24) ist gegenwärtig zum ersten Mal Gegenstand eines Vorlageverfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof. Am 14.10.2010 hat der Generalanwalt seine Schlussanträge im Verfahren Bezpečnostní softwarová asociace – Svaz softwarové ochrany gegen Ministerstvo kultury vorgelegt. Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob die Benutzeroberfläche eines Computerprogramms als schutzfähige Ausdrucksform eines Programms im Sinne von Art. 1 Abs. 2 und 3 der Richtlinie anzusehen ist. Der Generalanwalt verneint dies in seinen Schlussanträgen, verweist aber darauf, dass ein Urheberschutz der grafischen Oberfläche nach allgemeinen Gesichtspunkten in Frage kommt. Mit einer Entscheidung des Gerichtshofs ist nun Anfang 2011 zu rechnen.

Die besondere Bedeutung des Verfahrens liegt darin, dass der Gerichtshof überhaupt einmal mit der Auslegung der Richtlinie befasst wird. Auch wenn nicht jeder Gesetzgebungsakt der Europäischen Union zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten Anlass gibt, so klafften bei der Computerprogramm-Richtlinie doch seit langem die erhebliche praktische Bedeutung der Vorschriften einerseits und das Fehlen von EuGH-Judikatur andererseits deutlich auseinander. Gelegenheiten für eine Vorlage hatte es in der Vergangenheit vielfach gegeben. Die nationalen Gerichte und insbesondere der Bundesgerichtshof sahen bislang aber von der an sich notwendigen Vorlage in Luxemburg ab. Insofern ist es zu begrüßen, dass nun das oberste tschechische Verwaltungsgericht den Fall dem EuGH vorgelegt hat.
 
Die Schlussanträge des Generalanwalts sind hinsichtlich der hauptsächlichen Streitfrage wenig überraschend: Die Benutzeroberfläche ist nicht als Computerprogramm einzuordnen. Auch wenn sich die Gerichte in Deutschland zu der Einordnung der Benutzeroberfläche bislang uneinheitlich verhalten haben, so tendiert doch auch hierzulande die herrschende Meinung der Auffassung zu, dass es sich bei der Bentzeroberfläche nicht um eine Ausdrucksform des Computerprogramms selbst, sondern um das Ergebnis des Programmablaufs und damit - allenfalls - um ein grafisches Werk handelt (siehe Wandtke/Bullinger-Grützmacher, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 3. Aufl., 2009, § 69a UrhG, Rdn. 14 m.w.N.).
 
Anlass zur Kontroverse dürfte aber die weitere Argumentation des Generalanwalts Yves Bot bieten. So geht er offenbar davon aus, dass die Voraussetzungen der Schutzfähigkeit von Werken im allgemeinen durch Art. 2 der Richtlinie 2001/29 zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft harmonisiert worden sind (Rdnr. 70 ff. der Schlussanträge). Diese Auffassung entbehrt aber jeglicher Grundlage. Schwer nachzuvollziehen ist auch das Argument, die Wiedergabe einer Benutzeroberfläche im Fernsehen sei keine öffentliche Wiedergabe im Sinne der Richtlinie 2001/29, weil die Oberfläche bei der Ausstrahlung ihren ursprünglichen Charakter verliere, der darin bestehe, eine Interaktion mit dem Benutzer zu ermöglichen (Rndr. 79 ff.). Man darf nun mit Spannung erwarten, wie sich der Gerichtshof zu diesen Fragen äußern wird.