Entwurf der GPL 3 veröffentlicht

Von Dr. Till Jaeger
 
Heute hat die Free Software Foundation (FSF) bei der zweitägigen Auftaktkonferenz am MIT zum GPL 3-Prozess den lange erwarteten Entwurf der GPL Version 3 einschließlich ausführlicher Erläuterungen dazu vorgestellt. Die neue Lizenzversion soll die GNU General Public License, deren aktuelle Version 2 aus dem Jahr 1991 stammt, an die technischen und rechtlichen Entwicklungen der letzten Jahre anpassen. Explizit ist dabei auch beabsichtigt, die Verwendung der GPL im internationalen Lizenzverkehr zu verbessern, indem die Lizenz möglichst weitgehend auch an andere Rechtsordnungen als diejenige der USA angepasst wird.

ifrOSS-Mitglied Dr. Axel Metzger wird den GPL 3-Prozess vor Ort begleiten und vertritt das ifrOSS sowohl bei der Auftaktkonferenz als auch in einem der Discussion Committees, die im Laufe dieses Jahres die Anregungen und Änderungswünsche der beteiligten Kreise sichten und bewerten sollen. Die FSF hat alle Interessierten eingeladen, an der Aktualisierung des Lizenztextes mitzuwirken und dafür umfangreiche Regelungen zum Ablauf veröffentlicht, um einen transparenten Prozess zu gewährleisten. Es ist zu erwarten, dass der weitere Fortgang des GPL 3-Prozesses, der Anfang 2007 in den fertigen Lizenztext münden soll, noch für zahlreiche juristische Diskussionen führen wird.

Hintergrund:

Schon seit Jahren wird er angekündigt, nun ist er da: Der Entwurf für eine Version 3 der GPL. Eine erste grobe Analyse zeigt, dass der Lizenztext umfassend überarbeitet wurde. Neben rein sprachlichen Änderungen finden sich auch zusätzliche Regelungen und inhaltliche Änderungen der aktuellen Version 2. Der technischen Fortentwicklung sind insbesondere zwei Ergänzungen geschuldet. Die neu eingefügte Ziffer 3 enthält eine Regelung zum "Digital Restriction Management", die die Ablehnung der Lizenzautoren für DRM-Systeme deutlich zum Ausdruck bringt. Insbesondere soll bezweckt werden, dass Systeme, die GPL-Software einsetzen, nicht als "wirksame technische Schutzmaßnahme" angesehen werden können, indem die Lizenz die ihr unterstellte Software explizit als "Nicht-DRM-Programm" definiert. Weiterhin wurde die Definition des "complete corresponding source code" erweitert. Danach muss beim Vertrieb von GPL-Programmen nicht nur der entsprechende Sourcecode zugänglich gemacht werden, sondern auch alles, was für die Nutzbarkeit des Sourcecodes erforderlich ist, etwa Verschlüsselungstechniken, die zur Installation und Benutzung der Software notwendig sind.

Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Änderungen, die einer bessere Kohärenz mit ausländischen Rechtsordnungen dienen sollen. Dies gilt beispielsweise für die Erlaubnis, abweichende Haftungs- und Gewährleistungsklauseln zu verwenden und die Einführung des Begriffs "propagation" als umfassende Beschreibung von Nutzungsarten. "Propagation" umfasst alle Nutzungsarten, die der Urheber ohne entsprechende Lizenz verbieten kann. Damit wird auf die unterschiedliche Wortwahl in den verschiedenen Urheberrechtsgesetzen in der Welt Rücksicht genommen und klargestellt, dass durch die GPL Rechte an sämtlichen Nutzungsarten eingeräumt werden sollen. Zudem wurde eine eigene Klausel für die Patentlizenzierung eingefügt (Ziffer 11) anstatt es bei einer bloß "impliziten Lizenzierung" wie bei der GPL Version 2 zu belassen. Dies wird damit begründet, dass möglicherweise nicht in allen Rechtsordnungen eine stillschweigende Mitlizenzierung von Patenten möglich sei.

Eine Neuerung ist die Klausel 7 zur Lizenzkompatibilität. Um die Kombinierbarkeit von GPL-Code mit Code unter anderen freien Lizenzen zu erleichtern, gestattet Ziffer 7 GPL-Entwurf für hinzugefügte Bestandteile die Verwendung von Beschränkungen, die über die Pflichten der GPL hinauszugehen. Der Entwurf listet dafür einen Kanon an zulässigen Beschränkungen auf. Dazu gehört die besondere Kennzeichnung von Änderungen am ursprünglichen Code und das Verbot der Verwendung von Marken, sofern dieses Verbot nicht markenrechtlich zulässige Handlungen betrifft. Weiterhin werden in einem gewissen Umfang patentrechtliche "Vergeltungsklauseln" gestattet, d.h. die Beendigung der Lizenz im Fall von Patentklagen.

Ein gravierende Änderung ist in Ziffer 8 (aktuell Ziffer 4 GPL) geplant: An die Stelle der in Version 2 vorgesehenen automatischen Beendigung der Lizenzierung im Falle von GPL-Verletzungen soll ein Kündigungsrecht treten, das eine vorherige Benachrichtigung des Verletzers voraussetzt. Begründet wird dieser Änderungsvorschlag mit den praktischen Problemen, die sich bei unabsichtlichen GPL-Verletzungen ergeben könnten. Die Autoren des Entwurfs gehen davon aus, dass unter US-Recht eine GPL-Verletzung nicht durch die Änderung in eine GPL-konforme Nutzung "geheilt" werden kann, sondern dass jeder Rechtsinhaber dem Verletzer explizit eine neue Lizenz einräumen muss. Dies sei bei einer Vielzahl von Urhebern praktisch kaum durchführbar. Unter der Anwendung deutschen Urheberrechts bestehen diese Probleme nicht: Nach allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und Literatur kann der Verletzer eine neue Lizenzierung einfach dadurch herbeiführen, dass er einen GPL-konformen Vertrieb aufnimmt. Hier wird sich im GPL 3-Prozess zeigen müssen, wie die verschiedenen Sichtweisen in Einklang gebracht werden können.

Das ifrOSS, das im Jahr 2005 einen GPL-Kommentar beim Verlag O'Reilly veröffentlicht hat, wird den weiteren GPL 3-Prozess begleiten und an dieser Stelle in regelmäßigen Abständen die aktuelle Entwicklung zusammenfassen.