Deutscher Bundestag: Einigkeit und Recht auf Freiheit von Trivialpatenten

Von RA Olaf Koglin
 
Am vergangenden Donnerstag, dem 21.10.2004, fand im Deutschen Bundestag eine Aussprache über die Position der Bundesregierung zur Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen statt. Dabei waren sich alle Fraktionen darin einig, dass es nicht zur Zulässigkeit von Trivialpatenten und von Patenten auf Algorithmen und Geschäftsideen kommen darf.

Hintergrund:

Auf europäischer Ebene wird seit Jahren um eine Richtlinie zur Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen gestritten. Ein sehr weitgehender Vorschlag der Kommission von Anfang 2002 wurde vom Europäischen Parlament nicht beschlossen. Nach dem Beschluss des Parlamentes vom September 2003 sollten computerimplementierte Erfindungen in deutlich geringerem Umfang zulässig sein. Insbesondere sollte ein Zusammenhang mit Naturkräften vorliegen, um Patentschutz zu erhalten. Anschließend hat der Rat einen als "Kompromissvorschlag" betitelten Entwurf vorgelegt, der - zusammengefasst - die vom Parlament geforderten Beschränkungen nicht mehr enthielt. Dieser Beschluss des Rates wurde nicht nur seines Inhals wegen kritisiert. Vielmehr erregte es Aufsehen, dass Mitarbeiter des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) zunächst ankündigten, dass das BMJ gegen den Ratsvorschlag votieren oder sich zumindest der Stimme enthalten würde. Plötzlich wurde der Ratsvorschlag dann aber doch vom BMJ mitgetragen.

Daraufhin hatten Abgeordnete der FDP gleich im Mai 2004 den Antrag gestellt, dass der Bundestag die Bundesregierung auffordern möge, im weiteren Verfahren über die Richtlinie nicht mehr den Ratsvorschlag zu verfolgen, sondern in der Frage der Grenzen der Patentierbarkeit von Computerprogrammen die Position des Europäischen Parlaments "vollinhaltlich zu unterstützen". Im Oktober d.J. stellten Abeordnete der CDU/CSU-Bundestagsfraktion einen ähnlichen Antrag, der sich im Detail weniger am Europäischen Parlament orientiert und eine konkretere Definition des Tatbestandsmerkmals des "technischen Beitrags" verlangt, um die Patentierbarkeit von "reiner Software, Geschäftsmethoden, Algorithmen und reiner Datenverarbeitung" zu verhindern. Am Schluss der Beratung wurde einvernehmlich beschlossen, die Anträge an die Ausschüsse zurückzuverweisen.

Die 30-minütige Beratung der beiden Anträgen gab im wesentlichen die bekannten Argumente gegen Trivialpatente wieder: Angesichts der Bedeutung von Softwarepatenten für Technologie und Entwicklung in der EU und angesichts der unklaren Rechtslage ist die Kodifizierung auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene dringend erforderlich. Dies darf jedoch nicht dazu ausgenutzt werden, die Patentierbarkeit von Software zu erweitern. Insbesondere sollen "Software als solche" sowie Geschäftsmethoden und Algorithen nicht patentierbar werden. Dies würde insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen, die sich keine Rechts- und Patentabteilung leisten können, in ihrer Existenz gefährden. Die grüne Abgeodnete Grietje Bettin hob hervor, dass Softwarepatente besonders die Open-Source-Entwicklung gefährden würden, da die vor einer Patentanmeldung erforderliche Geheimhaltung hier systembedingt nicht möglich sei.

Die Bundestagsdebatte des Deutschen Bundestages war somit von thematischer Harmonie und Einheit geprägt, obwohl das Thema außerhalb des Deutschen Bundestages ja äußerst kontrovers diskutiert wird. Unterschiedlich war einleuchtender Weise lediglich die Darstellung von Regierung und Opposition über das Verhalten des BMJ vor und bei der Abstimmung des Rates. Genau genommen handelte es sich nichtmals um eine Debatte, sondern es wurden nur nacheinander weitgehend übereinstimmende Positionen von Regierung und Opposition vorgetragen. So ging es in den Zwischenrufen von Otto Fricke (FDP) und Jerzy Montag (B90/Grüne) nur noch darum, wer hier von wem abgeschrieben hätte. Die CDU-Abgeordnete Vera Dominke brachte es unter dem Beifall von SPD und Grünen auf den Punkt: "Im Grunde genommen könnte ich sagen, dass ich mich allen Vorrednerinnen und Vorrednern anschließen kann. Lassen Sie mich dennoch mein geistiges Werk unter die Leute bringen, damit es auch im Protokoll erscheint."

Ausblick:

Was kann man nun als Ergebnis festhalten: Ende gut, alles gut? Das wäre wohl nicht nur zu früh, sondern auch zu schön, um wahr zu sein.

Erstens handelt es sich hierbei erst um eine Beschlussfassung des Deutschen Bundestages, während maßgeblich die Entscheidungsfindung auf europäischer Ebene ist.

Zweitens findet sich gerade in der Politik leicht eine Einigkeit, wenn es darum geht, gegen etwas zu sein. Wie denn konkret die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen eingeschränkt werden soll, bleibt offen. Insbesondere bleibt ungeklärt, wie die Leerformel "Software als solche" mit Leben gefüllt werden soll - selbst ein "Hallo Welt"-Programm ist nicht nur Software als solche, sondern wendet sich an die ganze Welt. Die schwierige Formulierung eines Antrags an das BMJ obliegt nun den Ausschüssen.

Und Drittens hat die Vergangenheit gezeigt, dass die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Software-Urheber- und Patentrechts massiv von undurchsichtiger Lobbyarbeit geprägt ist und hier keine Entscheidung jemals in trockenen Tüchern zu sein scheint. Diesbezüglich sei nur an die deutsche Zustimmung zu dem Vorschlag des Rates erinnert.