Bundesgerichtshof erklärt wichtiges UMTS-Patent für nichtig

von Stefan Labesius

In einer jüngst veröffentlichten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof ein zentrales Patent zum UMTS-Standard für nichtig erklärt und dabei gleichzeitig zur Bedeutung von Lösungswegen in Mobilfunkstandards bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit und damit zur Patentfähigkeit von standardbezogenen Erfindungen Stellung genommen (BGH, Urteil v. 14. Oktober 2014 – X ZR 35/11 – Zugriffsrechte). Konkret kann nach Auffassung des BGH die für eine Patentierung erforderliche erfinderische Tätigkeit in der Regel nicht allein dadurch begründet werden, dass ein Lösungsweg Gegenstand der Erfindung ist, der zwar in einer früheren Version eines Mobilfunkstandards, nicht aber in dessen späteren Version beschrieben wird.

Im entschiedenen Fall ging es dabei um die Beurteilung der Patentfähigkeit eines Verfahrens zur Vergabe von Zugriffsrechten auf einem Telekommunikationskanal an Teilnehmerstationen eines Telekommunikationsnetzes (Europäisches Patent 1 186 189). Das Verfahren kann dabei nach der Patentbeschreibung in einem Mobilfunknetz sowohl nach UMTS-Standard als auch nach GSM-Standard realisiert werden.

In der Vergangenheit war die Patentverwerterin IP Com mehrfach wegen einer Verletzung dieses Patents gegen Mobilfunkgerätehersteller wie HTC oder Nokia gerichtlich vorgegangen. Folgerichtig erhoben beide Unternehmen im Zuge der Auseinandersetzung Nichtigskeitsklage gegen den deutschen Teil des Europäischen Patents. Während das Bundespatentgericht das Patent noch beschränkt aufrecht erhalten hatte (BPatG, Urteil v. 1. Dezember 2010 – 5 Ni 67/09 (EU) und 5 Ni 67/09 (EU)), erklärte der BGH das beanspruchte Verfahren nun in Gänze für nicht patentfähig.

Zwar sieht er das Verfahren gegenüber dem Stand der Technik als neu an. Jedoch verneint der BGH die ebenso erforderliche erfinderische Tätigkeit, da die beanspruchte Problemlösung bereits durch frühere Versionen des GSM-Standards (GSM 04.60 Version 6.1.0 und Version 6.2.0 ) für den Fachmann nahe gelegt sei. Konkret war jenen Versionen bereits eine Beschreibung von Verfahren zu entnehmen, bei denen die Erteilung der Zugriffsrechte von einem Schwellenwertvergleich, von der Zugehörigkeit zu bestimmten Nutzerklassen und von der Zugehörigkeit zu einer Prioritätsklasse abhängig gemacht wird.

Für den Fachmann bestand daher auch Anlass auf einen Lösungsweg in einer früheren Standardversion, der in späteren (d. h. zum Prioritätszeitpunkt geltenden) Versionen nicht mehr enthalten war, zurückzugreifen (Urteil v. 14. Oktober 2014 – X ZR 35/11, Rn. 88 – Zugriffsrechte). Als nicht naheliegend wäre eine solche frühere Lösung – so der BGH – allenfalls dann anzusehen, wenn eine neuere Standard-Version für ein technisches Problem eine bessere, elegantere oder einfache Lösung aufzeigt. Im vorliegenden Fall konnten derartige technische Erwägungen allerdings nicht – auch nicht durch Sachverständigengutachten – belegt werden.

Der BGH verfolgt damit seine Linie weiter, IT- und softwarebezogene Erfindungen zwar grundsätzlich als patentierfähig anzusehen (vgl. BGH, Beschluss v. 22. April 2010 – Xa 20/08 – dynamische Dokumentengenerierung, dazu: Nachricht der Woche vom 25. Mai 2010), aber bei der Beurteilung der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit zunehmend die Schwelle für eine Patentierbarkeit anzuheben. So hielt er bereits in mehreren vergangenen Entscheidungen die beanspruchte Erfindung für den Fachmann nahe gelegt, weil sie sich insoweit nicht durch eine technische Lösung vom Stand der Technik abhob (vgl. Urteil v. 18. Dezember 2012 – X ZR 3/12, Rn. 54 – Routenplanung, dazu: Nachricht der Woche vom 23. Februar 2013; BGH, Urteil v. 23. April 2013 – X ZR 27/12 – Fahrzeugnavigationssystem: Berücksichtigung von Informationen bei der Sprachausgabe). Jedoch bleibt bei standardbezogenen Erfindungen nach der jetzigen BGH-Entscheidung einstweilen im Detail unklar, wann von einer "besseren, eleganteren oder einfachen Problemlösung" in einer neueren Standardversion ausgegangen werden kann, so dass ältere Versionen für den Fachmann nicht mehr nahe liegen.

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