Von: Prof. Dr. Axel Metzger
Die Europäische Kommission hat den endgültigen Vertragstext des Anti Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) mit Datum vom 3.12.2010 veröffentlicht. Einige der Hauptkritikpunkte an den zuvor öffentlich gewordenen Entwürfen konnten zwar ausgeräumt werden. Das Abkommen enthält aber auch in der Endfassung noch reichlich rechtspolitischen Zündstoff. Es darf mit Spannung erwarten werden, ob das Europäische Parlament dem Vertrag zustimmen wird.
Auf der letzten Verhandlungsrunde, welche am letzten Freitag in Sydney zum Abschluss kam, wurden in erster Linie redaktionelle Änderungen vorgenommen. Bereits zuvor hatte man sich auf die Streichung der zunächst vorgesehenen Regelungen zu Netzsperren und zur Haftungsprivilegierung von Internet Service Providern verständigt (siehe NdW vom 26.04.2010). Hieran und an den weitgehend geheim geführten Verhandlungen hatten sich NGOs und Wissenschaftler vor allem gestört. Der Vertragstext geht aber auch in der finalen Fassung deutlich über das TRIPS-Abkommen hinaus, etwa im Hinblick auf Informationsansprüche gegen Access Provider (Art. 27.4 ACTA), beim Schadensersatz wegen Verletzung geistiger Eigentumsrechte (Art. 9 ACTA) und bei den strafrechtlichen Bestimmungen (Art. 23-26 ACTA).
Damit sind die seit 2007 - überwiegend hinter verschlossenen Türen geführten - Verhandlungen zum Abschluss gekommen. Der Vertrag steht ab dem 31.3.2011 für die Unterzeichnung offen. Erst nach erfolgter Ratifikation durch sechs Staaten tritt das Abkommen in Kraft, wobei die EU-Mitgliedstaaten insoweit als Einzelstaaten gezählt werden (Art. 40 ACTA). Die Ratifikation durch die EU und ihren Mitglieder würde den Vertrag also in Kraft setzen.
Ob es hierzu kommt, hängt maßgeblich von der Entscheidung des Europäischen Parlaments ab. Zwar hat das Parlament durch Resolution vom 24.11.2010 - also noch vor der Sydney-Runde - mit knapper Mehrheit erklärt, das neue Abkommen im Grundsatz zu begrüßen. In der Resolution wurde dies allerdings damit begründet, dass ACTA nicht über die heutigen europäischen Regelungen zum Schutz des geistigen Eigentums hinausgeht. Diese Annahme trifft aber nicht zu. Insbesondere die strafrechtlichen Vorschriften der Art. 23-26 ACTA finden kein Gegenstück im acquis communautaire. Der Entwurf der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2005 für eine strafrechtliche Richtlinie im Bereich des geistigen Eigentums konnte sich vielmehr nicht durchsetzen - unter anderem wegen der restriktiven Haltung des Europäischen Parlaments. Nun kommt die Strafrechtsharmonisierung durch die Hintertür. Wenn das Parlament seine bisherigen Resolutionen ernst nimmt, kann es einem solchen Vertrag nicht zustimmen.