Lizenzen bestimmen, was Open-Source-Software ausmacht
Von
Till Jaeger*
Auch
Open-Source-Software hat Lizenzen, und zwar sehr viele. Sie weichen deutlich voneinander
ab - eine Folge der unterschiedlichen Ansichten der Programmautoren darüber,
was "offen" ist.
Ob herkömmliche Kaufsoftware oder Open-Source-Software: Der
Anwender muss sich mit der zugehörigen Lizenz auseinandersetzen. Weitgehend
unbeachtet ist, dass die Begriffe „Open-Source-Software“ oder „freie Software“
eine Vielzahl urheberrechtlich ganz unterschiedlich ausgestalteter Programme umfassen.
„Eine falsche Lizenz ist wie eine falsche Blutgruppe“,
bringt Daniel Frye, Leiter von IBMs Linux Technology Center, das Problem auf
den Punkt. Bei der herkömmlichen Kaufsoftware hat der Anwender keine Rechte
über die bloße Benutzung hinaus. Er besitzt ein eigentumsähnliches Ausschließlichkeitsrecht.
Open-Source-Lizenzen jedoch gewähren den Anwendern wesentlich weiter gehende
Rechte an den Programmen.
Die verschiedenen Open-Source-Lizenzen weichen in ihrer
urheberrechtlichen Ausgestaltung voneinander ab, auch wenn sich die Klauseln
über Haftungs- und Gewährleistungfragen mehr oder weniger gleichen. Die
Unterschiede beruhen auf den verschiedenen Philosophien der Programmautoren und
der jeweiligen Intention.
Gleichwohl erlauben elementare Gemeinsamkeiten die
Verwendung des einheitlichen Oberbegriffs Open-Source-Software: Die Open-Source-Initiative
(OSI) hat einen weitgehend anerkannten Katalog von Anforderungen aufgestellt,
die eine Lizenz erfüllen muss, um als Open-Source-Lizenz anerkannt zu werden.
Die „Open-Source-Definition“ (www.opensource.org/osd.html) soll die
Orientierung innerhalb der Lizenzvielfalt erleichtern und einen gewissen Standard
schaffen.
Die wesentlichen Kriterien, die eine Open-Source-Lizenz
ausmachen, sind demnach die Lizenzgebührenfreiheit, die Offenlegung des
Quelltextes und die Erlaubnis, die Software zu vervielfältigen, zu verändern
sowie veränderte oder unveränderte Programme weiterzuverbreiten. Diese
Voraussetzungen erfüllen die meisten der bekannten Lizenzen: Sie unterscheiden
sich zwar im Wortlaut, aber nicht in der Sache.
Freie oder Open-Source-Software darf man nicht mit Freeware
oder Public-Domain-Software verwechseln. Bei Freeware wird nur die Benutzung
ohne Lizenzgebühren gestattet, aber kein Quelltext offen gelegt. Änderungen
sind nicht erlaubt. Bei Public-Domain-Software hingegen entäußert sich der
Urheber seiner Rechte und stellt sein Programm in eine Art öffentliches
Eigentum. Es kann in jeder Form genutzt werden, wobei keine die Nutzung
beschränkenden Bedingungen möglich sind.
Allerdings erlauben nur die so genannten „Copyright-Systeme“
diese Form der Rechtsaufgabe. Das deutschen Urheberrecht wurzelt auf dem
Persönlichkeitsrecht und erlaubt deshalb keinen Verzicht auf das Urheberrecht.
Auch die Open-Source-Software scheint auf den ersten Blick
der kontinentaleuropäischen Urheberrechtstheorie zu widersprechen. Diese geht
davon aus, dass dem Werkschöpfer – also in diesem Kontext dem Programmierer –
mit dem Urheberrecht auch die Beteiligung an den Früchten seiner Arbeit
gesichert wird, vor allem durch Lizenzgebühren.
Jedoch hat sich gezeigt, dass Open-Source-Lizenzen durchaus
mit dem deutschen Urheberrecht vereinbar sind und dabei sogar die
urheberrechtlichen Möglichkeiten nutzen, um die jeweils verfolgten Ziele zu
erreichen: Es wird eben nicht auf das Urheberrecht verzichtet, sondern dem
Anwender lediglich ein Nutzungsrecht eingeräumt – wenn auch in einem größeren
Umfang als sonst üblich.
Von der rechtlichen Struktur und ihren Hauptzielen her
lassen sich die Open-Source-Lizenzen in zwei Kategorien einteilen: „Copyleft“-Lizenzen
und „Non-copyleft“-Lizenzen. Wesentliches Unterscheidungsmerkmal beider
Kategorien ist die Frage, ob Weiterentwicklungen und sonstige Änderungen an
einem Programm ebenfalls wieder freigegeben werden müssen, indem die modifizierte
Software unter die gleiche Lizenz gestellt werden muss wie das ursprüngliche Programm.
„Ja“, meinen die Verfechter der Free Software Foundation
(FSF), die mit der „GNU General Public License“ (GPL), dem klassischen Copyleft
(www.gnu.org/copyleft/copyleft.html), die bedeutendste aller
Open-Source-Lizenzen geschaffen hat. Die Non-Copyleft-Anhänger der Berkeley Software
Distribution (BSD) und BSD-artiger Lizenzen sind dagegen der Ansicht, der
Programmierer müsse auch die Freiheit haben, Modifikationen proprietär zu verwerten,
das heißt, Lizenzgebühren zu verlangen und den Quelltext geheim zu halten.
Die Auseinandersetzungen darüber, welche Lizenzform
vorzuziehen ist, hat die Open-Source-Gemeinde in zwei Lager gespalten. Für die
Anhänger der GPL, allen voran die Free Software Foundation und ihr Vordenker Richard
Stallman, liegt die Bedeutung der Lizenz vor allem darin, auch für die Zukunft
die Freiheit der Software für alle Nutzer zu gewährleisten.
Dies wird rechtstechnisch sichergestellt, indem die
Einräumung der Nutzungsrechte an die Bedingung geknüpft ist, dass
Modifikationen ebenfalls nur unter den Bedingungen der GPL oder einer
entsprechenden Lizenz verbreitet werden. „Freie Software“ ist in diesem Modell
ein Gegenmodell zu proprietärer Software, die wegen ihrer Restriktionen
grundsätzlich abgelehnt wird. Diejenigen, die BSD-artige Lizenzen favorisieren,
gehen von einem eher neutralen Standpunkt aus. Ihnen ist vor allem an der problemlosen
Kombination aller Möglichkeiten gelegen, wobei für sie auch das Miteinander von
proprietärer und freier Software akzeptabel ist.
Diese Lizenzen verlangen lediglich einen Copyright-Vermerk
und einen Haftungsausschluss, aber keine Verpflichtungen darüber, wie
Veränderungen urheberrechtlich gestaltet sein müssen. Somit ist es im Gegensatz
zur GPL möglich, ein verändertes Open-Source-Programm in proprietäre Software
zu überführen. Bedeutung hat dies insbesondere für all jene, die nur Teile
eines Programms freigeben wollen oder Elemente von Open-Source-Software in
eigene, proprietäre Entwicklungen einbauen wollen.
Neben dieser grundsätzlichen Kategorisierung ergeben sich
noch weitere Unterschiede zwischen den einzelnen Lizenzen. Die GPL ist die
klassische Open-Source-Lizenz, Linux, genauer gesagt das
GNU/Linux-Betriebssystem, ist ihr prominentester Anwendungsfall.
Die GPL lässt juristisch kaum Schlupflöcher und erreicht
damit ihr Ziel, dass die ihr unterstellten Programme für jedermann ohne Lizenzgebühren
und mit offenem Quelltext zugänglich bleiben. Nur dann müssen Änderungen nicht
selbst wieder unter die GPL gestellt werden, wenn sie eigenständige
Bestandteile darstellen und als selbständige Werke getrennt verbreitet werden.
Ansonsten unterliegen jedes Programm und jede Bibliothek, die Bestandteile von
durch die GPL geschützter Software enthält, den Bedingungen der GPL.
Um die Verwendung von freien Programmbibliotheken auch durch
proprietäre Software zu ermöglichen, hat die Free Software Foundation die
„Lesser General Public License“ (LGPL), früher „Library General Public License“
genannt, als Alternative entwickelt. Jedoch favorisiert sie inzwischen auch für
Programmbibliotheken die Verwendung der GPL.
Nichtsdestotrotz stehen wichtige Bibliotheken unter der
LGPL, so die „GNU C Library“. Während Änderungen an der Bibliothek selbst den
gleichen strengen Bedingungen wie bei der GPL unterstehen, dürfen proprietäre
Programme mit Bibliotheken, die unter der LGPL stehen, gelinkt werden, ohne
dass diese Programme zu Open-Source-Software gemacht werden müssen.
Die Lizenz unterscheidet dazu zwischen „work based on the
library“ und „work that uses the library“, also zwischen einer auf der Bibliothek
basierenden und einer die Bibliothek nutzenden Arbeit. Die getrennte
Verbreitung von proprietärem Programm und Bibliothek ist stets zulässig, die
gemeinsame Verbreitung dann, wenn einige zusätzliche Voraussetzungen erfüllt
sind, etwa besondere Informationspflichten und die Erlaubnis zu Veränderungen
für persönliche Bedürfnisse.
Auch die „Mozilla Public License“ (MPL) verlangt, dass
veränderte Versionen ohne Lizenzgebühren und mit offenem Quelltext verbreitet
werden können. Die Mozilla-Lizenz fällt damit in die Kategorie „Copyleft“.
Ein Sonderfall der Mozilla-Lizenz ist die „Netscape Public
License“ (NPL), die speziell für den Browser „Netscape Communicator“ gilt,
dessen Quelltext seit 1998 freigegeben ist. Netscape schränkt dabei die
Verwendung seiner Marken (zum Beispiel der Bildmarke des Netscape-Leuchtturms
und der Wortmarke „Netscape“) ausdrücklich ein. Außerdem hält sich der
ehemalige Börsenliebling das Recht offen, von Fremden hinzugefügten Quelltext
auch in seinen proprietären Programmen zu verwenden, ohne diese unter die NPL
stellen zu müssen.
Software, die unter der MPL/NPL steht, darf man in ein
anderes Programm einbinden und zusammen mit diesem vertreiben. Ein solches
Paket ist nicht zwangsläufig wieder Open-Source, solange nur die Open-Source-Bestandteile
frei bleiben. Genau darin liegt der urheberrechtliche Unterschied zur GPL, bei
der auch das neu geschnürte Paket in seiner Gesamtheit offengelegt werden muss.
BSD-Lizenzen wie FreeBSD, XFree86 oder 4.4 BSD enthalten
keine Restriktionen dieser Art. Sie unterscheiden sich untereinander vor allem
durch die Verwendung so genannter „Advertising-Klauseln“ (beispielsweise 4.4
BSD und die Apache-License).
Danach muss auf allen Werbematerialien eine vorgeschriebene
Namensnennung von Berkeley und allen Programmierern enthalten sein, die dies
für die von ihnen veränderten Programmteile ebenfalls fordern. Dies hat dazu
geführt, dass einzelne Versionen lange Listen mit Advertising-Klauseln
enthalten. Unpraktikabel, meinen viele Programmautoren. Aus diesem Grund
verzichten inzwischen FreeBSD, XFree86 und ähnliche Lizenzen auf diese
Vertragsklausel.
Die „Apache License“ ist eine BSD-artige Lizenz mit der
Besonderheit, dass sie bei Modifikationen die Weiterverbreitung unter dem Namen
„Apache“ nur nach einer vorherigen Genehmigung erlaubt. Das soll verhindern,
dass es zu Verwechslungen von Standardversion und ihren Abkömmlingen kommt.
Gleiches gilt für die „Apple Public Source License“ (APSL),
die nach einigen Änderungen inzwischen auch die OSI als Open-Source-Lizenz
anerkennt. Dies war früher umstritten, und auch heute noch hält die Free
Software Foundation Programme unter der APSL nicht für „freie Software“. Die
APSL enthält eine Klausel, wonach Apple eigene Modifikationen nicht als Open
Source freigeben muss. Daher lässt sie sich nicht als „Copyleft“ bezeichnen.
Keine echte Open-Source-Lizenz ist die „Sun Community Source
License“ (SCSL), die nach Sun-Vorstellungen die Vorteile von proprietärer und
freier Software verbinden soll. Wer Software verändert, die unter der SCSL
steht, kann diese Modifikationen nur unter der Bedingung verbreiten, dass er
Sun ein unbeschränktes Nutzungsrecht daran einräumt. Damit kann Sun – wie
Netscape bei der NPL – den hinzugefügten Code auch in seinen proprietären
Programmen verwenden, ohne Lizenzgebühren dafür zu verlangen. Ob sich dieses
System in der Praxis durchsetzen wird, ist fraglich.
Offensichtlich üben vor allem die klassischen
Open-Source-Lizenzen eine Anziehungskraft aus, welche die Community motiviert.
Dennoch wird es auch in Zukunft nicht nur „die“ Open-Source-Lizenz geben,
sondern eine Vielzahl von unterschiedlichen Ausgestaltungen, die sämtlich die
Vielfalt der unterschiedlichen Interessen widerspiegeln.
-----------------------
*Till Jaeger gehört der Leitung des Instituts für
Rechtsfragen der Open-Source-Software (www.ifrOSS.de) in München an.
Lizenzen
Apache License:
www.apache.org/docs/LICENSE
Apple Public Source License (APSL):
www.publicsource.apple.com/apsl
The 4.4 BSD Copyright:
www.de.freebsd.org/copyright/license.html
The FreeBSD Copyright:
www.de.freebsd.org/copyright/free-bsdlicense.html
GNU General Public License (GPL):
www.fsf.org/copyleft/gpl.html
GNU Library General Public License (LGPL):
www.fsf.org/copyleft/lesser.html
Mozilla Public License (MPL)/Netscape Public License (NPL)
www.mozilla.org/MPL/MPL-1.1.html
Sun Community Source Licensing (SCSL):
www.sun.com/981208/scsl/principles.html
XFree86 License:
www.xfree86.org/4.0/LICENSE1.html