GPL und Haftung

Ohne Verantwortung?

Von Till Jaeger


Keiner denkt gerne an juristische Probleme - aber kann man sich als Entwickler darauf verlassen, dass als Open Source freigegebene Software keinen Gewährleistungs- und Haftungsregeln unterliegt?

Jeder Lizenz für Open Source Software liegen sie bei, die Großbuchstaben mit den Gewährleistungs- und Haftungsausschlüssen. Das Programm soll nur "as is" zur Verfügung gestellt werden und in der übervorsichtigen Sprache amerikanischer Lawyer schließt der Text alle erdenklichen Haftungs- oder Gewährleistungsmöglichkeiten aus. Die Ziffern 11 und 12 der GNU Public License (GPL) bieten dafür ein schönes Beispiel. Und weil die GPL die wichtigste Open Source Lizenz ist, soll sie im folgenden unter diesem Aspekt etwas genauer unter die Lupe genommen werden.

Open Source im Recht -- Was ist das ifrOSS?

Das Institut für Rechtsfragen der Open Source Software (ifrOSS) ist die erste Initiative im Bereich Open Source Software und Recht in Deutschland. Die beiden Doktoranden Axel Metzger und Till Jaeger, die das private ifrOSS leiten, haben die erste juristische Fachpublikation zur Vereinbarkeit der GPL mit dem deutschen Urheberrecht veröffentlicht. Das ifrOSS sammelt Informationen zu praktischen Problemen im gesamten Spektrum von Recht und Open Source und kümmert sich auch um die Fortbildung (http://www.ifross.de). In einer regelmäßigen Kolumne wird das ifrOSS an dieser Stelle Rechtsfragen erörtern, die unter einer Open Source Lizenz entstehen können. Der erste Teil beschäftigt sich mit Haftungs- und Gewährleistungsfragen.

Unter der Überschrift NO WARRANTY heißt es:

11. BECAUSE THE PROGRAM IS LICENSED FREE OF CHARGE, THERE IS NO WARRANTY FOR THE PROGRAM, TO THE EXTEND PERMITTED BY LAW. EXCEPT WHEN OTHERWISE STATED IN WRITING THE COPYRIGHT HOLDERS AND/OR OTHER PARTIES PROVIDE THE PROGRAM "AS IS" WITHOUT WARRANTY OF ANY KIND, EITHER EXPRESSED OR IMPLIED, INCLUDING, BUT NOT LIMITED TO, THE IMPLIED WARRANTIES OF MERCHANTABILITY AND FITNESS FOR A PARTICULAR PURPOSE. THE ENTIRE RISK AS TO THE QUALITY AND PERFORMANCE OF THE PROGRAM IS WITH YOU. SHOULD THE PROGRAM PROVE DEFECTIVE, YOU ASSUME THE COST OF ALL NECESSARY SERVICING, REPAIR OR CORRECTION.

12. IN NO EVENT UNLESS REQUIRED BY APPLICABLE LAW OR AGREED TO IN WRITING WILL ANY COPYRIGHT HOLDER, OR ANY OTHER PARTY WHO MAY MODIFY AND/OR REDISTRIBUTE THE PROGRAM AS PERMITTED ABOVE, BE LIABLE TO YOU FOR DAMAGES, INCLUDING ANY GENERAL, SPECIAL, INCIDENTIAL OR CONSEQUENTIAL DAMAGES ARISING OUT OF THE USE OR INABILITY TO USE THE PROGRAM (INCLUDING BUT NOT LIMITED TO LOSS OF DATA OR DATA BEING RENDERED INACCUATE OR LOSSES SUSTAINED BY YOU OR THIRD PARTIES OR A FAILURE OF THE PROGRAM TO OPERATE WITH ANY OTHER PROGRAMS), EVEN IF SUCH HOLDER OR ANY OTHER PARTY HAS BEEN ADVISED OF THE POSSIBILITY OF SUCH DAMAGES.

Wie schaut es aber mit der Wirksamkeit solcher Klauseln nach deutschem Recht aus? Kann man sich im Kleingedruckten (auch wenn´s Großbuchstaben sind -- übrigens typisch für US-Verträge, in Deutschland eher unüblich und ohne größere Bedeutung) jeglicher Haftungs- und Gewährleistungsansprüche entledigen? Sicher, wer schon seine Programme freigibt, ohne Lizenzgebühren zu verlangen, möchte nicht wie bei einer Auftragsarbeit haften, und wer kann schon das Risiko überblicken, wenn irgend jemand mit seinem Programm ein ganzes Firmennetzwerk lahm legt? Aber das deutsche Zivilrecht lässt einen Haftungsausschluss nicht ohne weiteres zu. Daher soll die hiesige Rechtslage näher beleuchtet werden.

Haftung oder Gewährleistung

Zunächst einmal sind die Begriffe Gewährleistung und Haftung voneinander zu trennen. Die Gewährleistung ist eine Form der vertraglichen Haftung dafür, dass eine Ware oder Dienstleistung ohne Mangel erbracht wird. Auf ein Verschulden kommt es dabei nicht an. Für Software heißt das nichts anderes als die ordnungsgemäße Funktionsfähigkeit des Programms. Die Haftung ist ein darüber hinaus reichender Begriff, der nicht nur bei Verträgen Anwendung findet. Im Prinzip haftet jeder für sein Tun und Unterlassen, in der Regel aber nur bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit (also Verschulden). Die Haftung ist also angesprochen, wenn ein Programm Viren enthält -- mag es sonst auch fehlerlos funktionieren -- oder die CD-ROM so scharfkantig ist, dass man sich an den Kanten schneidet. Kein Problem ist so abstrus, als dass es nicht irgendwann auftauchen würde.

Ziffer 11 der GPL betrifft die Gewährleistung und schließt diese komplett aus, jedenfalls "soweit gesetzlich zulässig". Mit der GPL - dem Vertrag zwischen dem Nutzer und demjenigen, der das Programm vertreibt - sollen also die gesetzlichen Schutzvorschriften abbedungen werden. Das Problem daran: Die GPL stell als vorformulierter Vertragsbestandteil eine "Allgemeine Geschäftsbedingung" (AGB) dar, die unter das AGB-Gesetz fällt. Dies dient dem Schutz der Verbraucher und soll verhindern, dass man sich mittels "Kleingedrucktem" jeglicher Haftung entziehen kann. Dabei lässt das AGB-Gesetz anders als das US-Recht keine "geltungserhaltende Reduktion" zu. Das heißt, man kann mit der Formulierung "soweit gesetzlich zulässig" nicht die AGB bis zur gesetzlich zulässigen Grenze retten. Daher gelten die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften, wenn die Klauseln gegen das AGB-Gesetz verstoßen - und genau das ist bei Ziffer 11 GPL der Fall. Denn ein kompletter Gewährleistungsausschluss ist schlicht und einfach unwirksam. Ziffer 11 GPL ist damit nicht mehr wert als gar kein Gewährleistungsausschluss. Die vollständige Katastrophe? Nicht ganz. Denn die gesetzlichen Gewährleistungsregeln unterscheiden sich nach dem Vertragstyp. Ein Verkäufer haftet weitgehender als jemand, der etwas unentgeltlich leistet.

Geschenkt

Für den Normalfall, in dem Software unter einer Open Source Lizenz kostenlos zum Download angeboten wird, kann man von einer "Schenkung" ausgehen. Verschenkt werden können nämlich nicht nur Sachen -- § 516 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) spricht von einer "unentgeltlichen Zuwendung" -- sondern auch andere Leistungen. Das Nutzungsrecht an einem Programm ist eine solche Zuwendung. Und da derjenige, der etwas verschenkt, nicht über Gebühr für das Verschenkte verantwortlich sein soll, sieht das BGB nur eine Haftung für "arglistig verschwiegene Mängel" vor. Wer also nicht weiß, dass sein Programm funktionsunfähig ist, der muss auch nicht für auftretende Mängel einstehen. Komplizierter sieht die Sache aber für Distributoren aus: Wenn sie ein Programm auf CD-ROM und mit Handbuch oder Support zu einem Pauschalpreis vertreiben, ist eine Gewährleistung nach den Vorschriften des Kaufrechts denkbar -- und die geht deutlich weiter.

Haftungsausschluss

Für den Haftungsausschluss nach Ziffer 12 GPL gilt nichts anderes. Auch er ist nach den Vorschriften (§ 11 Nr. 7 AGB-Gesetz) des AGB-Gesetzes unwirksam. Aber glücklicherweise sind die gesetzlichen Regelungen hier ebenfalls milde für den "Schenker". Er hat nach § 521 BGB nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Für den Hausgebrauch kann man "grobe Fahrlässigkeit" so übersetzen: "Das wäre doch jedem klar gewesen, dass das nicht gut gehen kann...". Das ist etwa der Fall, wenn jemand ein hastig zusammengestoppeltes Programm ohne weitere Prüfung anbietet und dann bei den Nutzern Schäden an Hard- oder Software auftreten.

Für ganz Spitzfindige stellt sich noch die Frage, ob das deutsche Recht überhaupt anwendbar ist. Dazu soviel: Auch wenn der Lizenzvertrag US-amerikanischem Recht unterliegt, können die Verbraucherschutzregelungen des AGB-Gesetzes dann nicht umgangen werden, wenn der Vertrag einen "engen Zusammenhang mit dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland" aufweist. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Software in Deutschland heruntergeladen wird und bestimmungsgemäß dort auch angeboten wird.

Alles in allem sieht die Lage nicht allzu risikoreich aus für denjenigen, der seine Programme unter der GPL oder sonst einer Open Source-Lizenz freigeben will. Der Open Source-Gedanke wird auch ohne Haftungs- und Gewährleistungsausschlüsse durch die deutsche Gesetzgebung von selbst schon weitgehend geschützt!

Infos

[1] Die Homepage des ifrOSS: http://www.ifross.de
[2] Die GPL auf der Seite der Free Software Foundation: http://www.fsf.org/copyleft/gpl.html
[3] Der Text des AGB-Gesetzes: http://www.nonprofit-management.de/gesetze/agbg/0f.htm
[4] Das Bürgerliche Gesetzbuch: http://www.nonprofit-management.de/gesetze/bgb/Of.htm

Der Autor

Till Jaeger ist Doktorand am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht in München. Im von ihm mitgegründeten ifrOSS beschäftigt er sich mit Rechtsfragen der Open Source Software.