Rechtsfolgen bei der Verletzung der GPL

Vererbungsleere

Till Jaeger

Die GPL sorgt dafür, dass ein Entwickler auf der Arbeit der anderen aufbauen darf. Das Lizenzkonstrukt soll eigentlich binden, kann jedoch leicht umgangen werden, indem Programmierer ihre Weiterentwicklungen nicht offen legen. Die einen böswillig, die anderen achtlos - sie halsen sich damit Ärger auf, wenn's doch einer merkt.

Softwarelizenzen verfolgen ganz unterschiedliche Ziele. Während bei herkömmlicher, proprietärer Software die Lizenz dazu dient, dem Lizenzgeber die Einnahme von Lizenzgebühren zu sichern und daher die eingeräumten Rechte möglichst begrenzt, räumen Open-Source-Lizenzen dem Nutzer sehr weit gehende Rechte ein. Die Software kann ohne die Zahlung von Lizenzgebühren umfassend genutzt werden. Insoweit spielt die Durchsetzung der Lizenzen noch keine Rolle, die gewährten Freiheiten erfordern keine Verteidigung auf rechtlicher Ebene.

Anders sieht es aus, wenn die Lizenz neben der Rechtegewährung auch Verpflichtungen enthält. An dieser Stelle macht sich insbesondere der Unterschied zwischen BSD-artigen und Copyleft-Lizenzen bemerkbar.

Zwei unterschiedliche Lizenzmodelle

BSD-artige Lizenzen wie die Apache Software License [1], die Python License oder die Zope Public License enthalten bis auf die Verwendung von Haftungsausschlüssen und Urhebervermerken keine Verpflichtungen. Damit bleibt hier nur wenig Raum, überhaupt Urheberrechte zu verletzen. Wer ein Programm oder einen Bestandteil davon in seine eigene Software einfügen und den Sourcecode geschlossen halten will, kann dies bei BSD-artigen Lizenzen legal tun.

Bei Lizenzen mit einem Copyleft, also der Verpflichtung, veränderte Software ebenfalls wieder unter den Bedingungen der verwendeten Lizenz freizugeben, ergibt sich dagegen ein weites Feld für Lizenzverstöße. Das gilt sowohl für die strengen Copyleft-Lizenzen wie die GPL [2] und die LGPL als auch für die Versionen mit einem abgeschwächten Copyleft, etwa die Mozilla Public License [3], die Sun Public License, unter der Netbeans verbreitet wird, oder die Interbase Public License, der das gleichnamige Datenbank-Managementsystem untersteht.

Rechtsverletzungen lauern überall

Bei den genannten Lizenzen werden dem Nutzer die eingeräumten Freiheiten nur unter der Bedingung eingeräumt, dass er sich an die Lizenzbestimmungen hält. Verstößt er jedoch gegen eine der Bedingungen, verliert er automatisch sämtliche Rechte - jede Verbreitung und Vervielfältigung ist damit urheberrechtswidrig. Nicht jede Verletzung gelangt aber an die Öffentlichkeit.

Ein Beispiel aus jüngerer Zeit ist RTLinux [4]. Der Entwickler Victor Yodaiken hatte auf ein echtzeitfähiges Betriebssystem ein Patent angemeldet. So weit, so gut. Problematisch war aber, dass er RTLinux unter eine eigene Lizenz, die Open RTLinux Patent License, stellte, deren Paragraph 2, Absätze 5 und 6 zusätzliche, erschwerte Bedingungen aufstellt, etwa Mitteilungspflichten an Yodaiken. Diese Bedingungen verstoßen gegen die Copyleft-Klausel des Paragraphen 2 b GPL, da RTLinux GPL-Code enthält und daher die Verbreitung von Weiterentwicklungen unter den Bedingungen der GPL möglich sein muss.

Ein bedeutendes Feld für Verletzungen der GPL sind auch Embedded-Systeme. Die Möglichkeit, Derivate von GNU/Linux oder abgespeckten Varianten wie Embeddix in die eigene Hardware einzubauen, verleitet manchen dazu, die Bestimmungen der GPL zu missachten. Zum einen kann das quelloffene Programm einfach an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden, andererseits sollen Betriebsgeheimnisse und Eigenentwicklungen vor der Konkurrenz geheim gehalten werden.

Doch es muss nicht immer böser Wille sein. Auch Unkenntnis oder Nachlässigkeit führt nicht selten zu Verstößen gegen die GPL. Wer bei seinem Embedded-System den Sourcecode nicht mitliefert oder ein schriftliches Angebot hierzu, erfüllt die Verpflichtungen der GPL nicht und handelt rechtswidrig.

Eine weitere bedeutsame Quelle für Lizenzverletzungen entsteht durch die Kombination und das Zusammenwirken von Softwarebestandteilen, die unter verschiedenen Lizenzen stehen. So verlangt Paragraph 2 b der GPL, dass Software, die von GPL-Software abgeleitet ist, wiederum unter die GPL gestellt werden muss, während dies bei einer bloßen Zusammenstellung von Software nicht der Fall ist.

Die Abgrenzung, wann ein Programm von einem anderen als abgeleitet anzusehen ist, lässt sich aber wegen der vielfältigen technischen Möglichkeiten des Zusammenwirkens wie Linking, Pipes oder Interpreting oftmals schwer und nur im Einzelfall beantworten. Dass dabei Lizenzverletzungen leicht möglich sind, liegt auf der Hand.

Eine Palette von Ansprüchen

Was sind aber die Folgen einer GPL-Verletzung? Paragraph 97 Urheberrechtsgesetz (Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, UrhG; siehe Kasten "Rechtsgrundlage") als Zentralnorm regelt die Ansprüche des Rechteinhabers - sei es der Urheber selbst oder der Inhaber ausschließlicher Nutzungsrechte - gegen den Verletzer.

Nach Paragraph 4 der GPL verliert der Nutzer bei einem Verstoß gegen die Lizenzbestimmungen seine urheberrechtlichen Nutzungsrechte. Diese besondere Konstruktion der Copyleft-Lizenzen sorgt dafür, dass jeder Lizenzverstoß zugleich einen Urheberrechtsverstoß nach sich zieht. Daher hat der Rechteinhaber nach Paragraph 97 UrhG Ansprüche auf Beseitigung, Unterlassung und Schadensersatz.

Wer ist aber Rechteinhaber und damit Anspruchsinhaber im Sinne von Paragraph 97 UrhG? Wer kann vor Gericht gegen eine Rechtsverletzung vorgehen? Grundsätzlich ist der Programmierer der Software deren Urheber und damit Anspruchsinhaber. Im Hinblick auf Software, die innerhalb eines Unternehmens entwickelt wurde, kann die Rechtsinhaberschaft auch bei dem Unternehmen selbst liegen. Bei komplexen Programmen mit einer Vielzahl von Beitragenden existiert auch eine Vielzahl von Rechteinhabern, die grundsätzlich alle als Kläger in Betracht kommen.

Prozessrechtliche Probleme können sich daraus ergeben, dass freie Software oftmals von einer großen Entwicklergemeinschaft programmiert wurde, deren Mitglieder über den gesamten Erdkreis verstreut sind. Zwar kann bei Unterlassungsansprüchen ein einzelner Programmierer relativ einfach auf Unterlassung der Rechtsverletzung hinsichtlich der gesamten Software klagen, aber bei Leistungsansprüchen wie dem Beseitigungs- und Schadensersatzanspruch muss immer eine Leistung an alle Berechtigten verlangt werden, damit nicht nur ein Einzelner Leistungen erhält, die einer Vielzahl von Personen gebühren.

Das kann aus praktischen Gründen aber unmöglich sein, etwa wenn nur ein Mitglied nicht bekannt oder erreichbar ist. Dann bleibt dem Einzelnen nur die Möglichkeit, die Leistungsklage im Hinblick auf den von ihm geschriebenen Teil zu erheben. Das eröffnet dem Beklagten wiederum die Möglichkeit, den Ansprüchen durch eine unter Umständen nur geringfügige Modifizierung zu entgehen.

Dampfwalzen zum Schutz der GPL

Innerhalb der Ansprüche nach Paragraph 97 UrhG ist zwischen den Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen auf der einen Seite und Schadensersatzansprüchen auf der anderen Seite zu unterscheiden. Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche bestehen auch bei unwissentlichen Rechtsverletzungen, für die den Verletzer kein Verschulden trifft. Wer also Software auf seiner Website zum Download anbietet, obwohl er dazu die Nutzungsrechte nicht besitzt, muss mit einem Beseitigungsanspruch des Programmierers rechnen, der ihn verpflichtet, das rechtswidrige Angebot aus dem Netz zu nehmen. Insoweit sind die Folgen finanziell noch nicht besonders gravierend.

Das kann ganz anders aussehen, wenn die Software unberechtigt auf Datenträgern vertrieben wird oder in einer sonstigen Weise verkörpert ist. Die Paragraphen 69 f, 98 Absatz 2 UrhG gewähren dem Urheber einen Anspruch auf Vernichtung der Vervielfältigungsstücke, der nur unter engen Voraussetzungen abgewehrt werden kann.

Die medienwirksamen Zerstörungen von illegalen Kopien durch Dampfwalzen könnten also auch bei GPL-Verletzungen Wirklichkeit werden. Wahlweise, aber gegen Erstattung der Herstellungskosten kann der Urheber von dem Verletzer auch die Herausgabe der Vervielfältigungsstücke verlangen.

Dies dürfte allerdings dann nicht möglich sein, wenn der Verletzer selber Rechte an der Software hat. Ohnehin wird dem Verletzer bei einer Vielzahl von Fällen ein weiterer, von der Community auch gewünschter Ausweg bleiben: Besteht die Lizenzverletzung darin, dass eine Weiterentwicklung von freier Software proprietär vertrieben wird - also gegen Lizenzgebühren oder bei geschlossenem Sourcecode -, kann der Programmierer den Beseitigungsanspruch auch anders befriedigen.

Schlupfloch: Freigabe

Indem er seine Software freigibt, erfüllt er nachträglich die Lizenzbedingungen. Denn der Urheber kann den Beseitigungsanspruch nicht auf eine bestimmte Handlung konkretisieren, wenn es unterschiedliche Möglichkeiten gibt, die Rechtsverletzung zu beseitigen.

Deshalb kann der Verletzer entscheiden, in welcher Form er der Urheberrechtsverletzung abhilft - sei es durch die Freigabe seiner Produkte oder dadurch, dass er sie in der bestehenden Form vom Markt nimmt. Der Unterlassungsanspruch unterscheidet sich auf den ersten Blick nicht wesentlich von dem Beseitigungsanspruch - mit der Ausnahme, dass er künftige Rechtsverletzungen verhindern soll, während der Beseitigungsanspruch der Beendigung eines fortdauernden Verletzungszustands dient.

Für einen Unterlassungsanspruch bedarf es der Wiederholungsgefahr, die durch eine bereits erfolgte Rechtsverletzung aber regelmäßig indiziert wird. Nach dem Motto: Wer einmal die GPL missachtet, von dem muss man dies auch künftig befürchten.

Um eine solche Wiederholungsgefahr zu beseitigen, kann der Programmierer von dem Verletzer die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verlangen. Diese Aufforderung, kurz Abmahnung genannt, ist in der Regel mit erheblichen Kosten verbunden, da die Gerichte zugunsten der Anwälte sehr hohe Streitwerte akzeptieren.

Teure Abmahnungen

Daher kann die berechtigte Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung leicht mehrere tausend Euro kosten. Unterlassungsansprüche wirken sich dadurch schmerzhaft aus. Schließlich kann von demjenigen, der gegen die Bestimmungen der GPL verstößt, Schadensersatz verlangt werden.

Dies gilt aber nur für den Fall, dass der Verletzer fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat. Ein Verschulden in diesem Sinne liegt vor allem dann vor, wenn der Verletzer durch eine Abmahnung in Kenntnis über den GPL-Verstoß gesetzt wird. Aber auch die sorglose Nutzung, etwa die Verbindung mit eigener Software, kann ausreichen.

Schadensersatz

Der Nutzer muss sich hinreichend über die Lizenzverhältnisse informieren. Schwierigkeiten kann die Berechnung des Schadensersatzanspruchs bereiten. Denn welchen materiellen Schaden hat der Programmierer, dessen Software GPL-widrig genutzt wird? Anhaltspunkte kann ein etwaiger Verletzergewinn geben, der selbstverständlich eingefordert werden kann. Wer also Embedded-Systeme verkauft, muss bei einem Lizenzverstoß einen angemessenen Anteil seines Gewinns als Schadensersatz leisten. Beim Dual Licensing [5] kann der Vergleich mit der proprietären Lizenz konkrete Hinweise dafür geben, wie der Schadensersatz anzusetzen ist.

Auch das Namensnennungsrecht der Programmierer kann bei der Schadensberechnung eine Rolle spielen. Wenn Software entgegen den Lizenzbestimmungen und unter Weglassung der entsprechenden Credit-Lists oder History-Dateien verbreitet wird, ist der wirtschaftliche Schaden zu berücksichtigen, der entsteht, weil der Entwickler mit einer gelungenen Lösung nicht auf sich aufmerksam machen kann.

FSF Europe als Anlaufstelle

Was ist also zu tun, wenn eine vermeintliche Verletzung der GPL oder einer anderen Lizenz entdeckt wird? Gefährlich wäre es, die Verstöße - seien sie bewusst oder unbewusst - auf sich beruhen zu lassen. Je mehr eine Selbstbedienungsmentalität um sich greift, die freie Software als bloßen Selbstbedienungsladen missversteht, desto deutlicher wird außerdem die Grundidee freier Software geschwächt, die jedenfalls bei Copyleft-Lizenzen auf der Freigabe von Weiterentwicklungen beruht.

Rechtsverfolgung heißt aber nicht automatisch, dass die Umwelt sofort mit teuren Abmahnungen überzogen werden muss. Die FSF hat hier eine Strategie des zunehmenden Drucks entwickelt, die bereits vielfach erfolgreich war. Das zeigt das bereits erwähnte Beispiel der Open RTLinux Patent License. Nachdem zunächst intern das Gespräch mit Victor Yodaiken gesucht wurde, trat die FSF in einem weiteren Schritt mit den kritisierten Lizenzbestimmungen an die Öffentlichkeit. Das erzeugte den erforderlichen Druck, um den Streit auf dem Verhandlungswege - ohne teuren Rechtsstreit - zu lösen [6].

Für Europa übernimmt die FSF Europe die Aufgabe der Durchsetzung der GPL und verfolgt dabei eine entsprechende Strategie. Dazu kann es auch gehören, durch so genannte Assignments die Nutzungsrechte an der Software zu sammeln, die über jene Rechte hinausgehen, die durch die GPL ohnehin an Dritte eingeräumt werden. Dadurch soll auch die Möglichkeit geschaffen werden, im Zweifel einen Rechtsstreit durch die FSF Europe im eigenen Namen führen zu können.

In vielen Fällen wird für die rechtliche Durchsetzung das Gleiche gelten wie bei der Software-Entwicklung: In dem Maße, wie die Kräfte gebündelt werden, erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit, sich durchzusetzen. (fan)

Rechtsgrundlage

Paragraph 97 UrhG: Anspruch auf Unterlassung und Schadensersatz

(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann vom Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung und, wenn dem Verletzer Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last fällt, auch auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. An Stelle des Schadenersatzes kann der Verletzte die Herausgabe des Gewinns, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, und Rechnungslegung über diesen Gewinn verlangen.

(2) Urheber, Verfasser wissenschaftlicher Ausgaben (Paragraph 70), Lichtbildner (Paragraph 72) und ausübende Künstler (Paragraph 73) können, wenn dem Verletzer Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last fällt, auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine Entschädigung in Geld verlangen, wenn und soweit es der Billigkeit entspricht.

(3) Ansprüche aus anderen gesetzlichen Vorschriften bleiben unberührt.

Infos

[1] [http://www.apache.org/docs/LICENSE]

[2] [http://www.fsf.org/copyleft/gpl.html]

[3] [http://www.mozilla.org/MPL/MPL-1.1.html]

[4] Ausführlich dazu: Metzger, " Kollision in Echtzeit", Linux-Magazin 7/01, S. 74

[5] Jaeger, "Einmal GPL, immer GPL?", Linux-Magazin 1/01, S. 68

[6] [http://www.fsf.org/philosophy/ rtlinux-patent.html]

Der Autor

Dr. Till Jaeger ist Rechtsanwalt der Kanzlei JBB-Rechtsanwälte in Berlin. Daneben gehört er der Leitung des von ihm mitgegründeten Instituts für Rechtsfragen der Freien und Open Source Software (ifrOSS) an.

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