Abmahnungen gegen freie Projekte

Die Marke als Waffe

Till Jaeger

In jüngster Zeit haben freie Entwicklerprojekte und einzelne Programmierer Abmahnungen wegen Markenverletzungen erhalten. Was steckt hinter den beiden Fällen "KIllustrator" und "Samba"? Und wie kann man sich gegen unberechtigte Ansprüche wehren? Ein kleiner Ausflug ins Markenrecht.

Immer häufiger flattert freien Entwicklerprojekten und Firmen, die mit freier Software ihr Geld verdienen, eine Abmahnung ins Haus. So geschehen bei der Universität Magdeburg, deren Mitarbeiter Kai-Uwe Sattler auf seiner Universitäts-Homepage das Open-Source-Programm KIllustrator beschrieben und zum Download angeboten hatte [1].

Nicht nur, dass die Universität zu einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert wurde, die abmahnenden Anwälte legten gleich eine Kostennote über 5000 Mark bei. Veranlasst wurde die Abmahnung von Adobe Systems, Inc. Das Unternehmen ließ verlautbaren, dass es nur beabsichtige, die Markenrechte am Adobe Illustrator zu schützen.

Nachdem die Abmahnung in Online-Foren für Wirbel sorgte, machte Adobe einen Rückzieher und bot eine gütliche Einigung an. Zuvor hatten die Anwälte von Adobe noch Sattlers Angebot abgelehnt, den Namen der Software zu ändern und dafür von Kosten verschont zu bleiben.

Verwechslungsgefahr?

Um zu verstehen, wie man sich gegen derartige Abmahnungen wehren kann, ist ein Blick auf die Funktion des Markenrechts nötig. Das Markenrecht ist im Markengesetz (MarkenG) geregelt [2]. Die Marke erfüllt drei Hauptfunktionen: Sie ermöglicht es, Waren und Dienstleistungen nach ihrer Herkunft zu unterscheiden (Unterscheidungsfunktion). Daneben soll sie das Vertrauen des Verbrauchers schützen, dass eine mit der Marke eines Unternehmens versehene Ware eine gleichbleibende Qualität aufweist (Vertrauensfunktion). Natürlich wird die Marke auch zur Werbung verwendet (Werbefunktion).

Als schutzfähige Marken nennt § 3 des Markengesetzes alle Zeichen, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Unter Zeichen sind hier insbesondere Wörter, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Hörzeichen und dreidimensionale Gestaltungen zu verstehen. Im Blickpunkt stehen dabei so genannte Wortmarken, deren Inhaber das Recht besitzt, anderen die Verwendung des entsprechenden Begriffs zu verbieten, sowie Wort-/Bildmarken. Bei Wort-/Bildmarken ist die Gestaltung der Marke im Ganzen geschützt, also das Logo selbst.

Für den Begriff an sich besteht nur Schutz, wenn der Schwerpunkt der Kennzeichnungskraft auch auf dem Wortbestandteil liegt. Daher ist im Einzelfall zu entscheiden, ob der Inhaber einer Wort-/Bildmarke nur die Verwendung des identischen oder ähnlichen Logos verbieten darf oder auch die Verwendung des Wortes unabhängig von der grafischen Gestaltung. Der Markenschutz entsteht durch die Eintragung im Markenregister oder durch die bloße Nutzung im geschäftlichen Verkehr, siehe § 4 und § 32 ff. des Markengesetzes.

(K)Illustrator

Unter der Registriernummer 1129916 findet sich im Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) die Wortmarke "ADOBE ILLUSTRATOR" [3]. Allerdings lässt das Markengesetz nicht die Proprietarisierung jedes beliebigen Begriffs zu. § 8 formuliert so genannte absolute Schutzhindernisse für Zeichen, die nicht schutzfähig sind.

Dazu gehören insbesondere solche Marken, die für eine Ware oder Dienstleistung nicht "unterscheidungskräftig" sind, die im allgemeinen Sprachgebrauch zu ihrer Bezeichnung üblich geworden sind oder die im Verkehr zur Bezeichnung ihrer Art, Beschaffenheit oder Herkunft dienen können.

So hat das DPMA den Eintrag der Wortmarke "ILLUSTRATOR" für die Waren- und Dienstleistungsklasse 16 (Schreibgeräte) ausdrücklich abgelehnt, da sie für diesen Bereich "beschreibend und nicht unterscheidungskräftig" sei.

Da drängt sich die Frage auf, ob die Verwendung der Marke "KIllustrator" für ein Zeichenprogramm im geschäftlichen Verkehr eine Verletzung von "Adobe Illustrator" sein kann. § 14 Absatz 2 des Markengesetzes verbietet ohne Zustimmung des Markeninhabers nicht nur die Benutzung von identischen Zeichen. Verboten sind auch Zeichen, für die wegen ihrer Ähnlichkeit mit der Marke die Gefahr von Verwechslungen für das Publikum besteht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Schutzweite der Marke von ihrer "Kennzeichnungskraft" abhängt. Kurz gesagt: je eigentümlicher die Marke, desto stärker der Schutz.

Bei zusammengesetzten Begriffen ist daher zu berücksichtigen, welchem Teil der eigentliche Schutz zukommt. Bei "Adobe Illustrator" liegt die Kennzeichnungskraft eindeutig auf dem Teil "Adobe", während dem Bestandteil "Illustrator" keine Unterscheidungskraft zukommt, wie das DPMA ja schon in anderem Zusammenhang für Schreibgeräte festgestellt hat. Für das Zeichenprogramm KIllustrator dürfte Entsprechendes gelten. Daher berührt die Verwendung der Bezeichnung "KIllustrator" wohl kaum die Markenrechte von Adobe, anders wäre dies etwa bei "KAdobe".

Der Schutz einer Marke bezieht sich stets nur auf bestimmte, im Einzelnen definierte Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens. So hat Linus Torvalds die Marke "Linux" unter der Registriernummer 20888936 für die Waren- und Dienstleistungsklasse 09 eintragen lassen. Diese Klasse umfasst insbesondere auch Computer und Softwareprodukte.

Daher stellt es keine Markenverletzung dar, wenn ein Unternehmen Waschmittel unter der Bezeichnung "Linux" vertreibt oder Lebensmittel. Hier besteht für den Geschäftsverkehr keine Verwechslungsgefahr - schließlich bringt niemand ein Waschmittel mit dem Betriebssystem GNU Linux in Verbindung. Anderes gilt nur, wenn die Berühmtheit einer Marke ausgenutzt wird, etwa "Coca-Cola" für einen Computer.

Samba

Einen interessanten Weg hat der Streit um die Marke "Samba" genommen. Die Echterdinger Firma "CMG Finance - Gesellschaft für Unternehmensberatung und Informatik für Finanzdienstleister mbH" mahnte im Sommer letzten Jahres einen Anbieter der Software Samba wegen einer Markenverletzung ab. Für die CMG ist unter der Registriernummer 2070029 eine Wort-/Bildmarke für die Warenklasse 09 eingetragen. Samba bezeichnet dort eine Bankensoftware (Standard Anwendung Meldewesen Banken). Gegen die Abmahnung erhob sich ein Sturm der Entrüstung, der dazu führte, dass die CMG die Abmahnung zurückzog.

Die Gefahr könnte aber wieder aktuell werden, schließlich ist zu erwarten, dass das Open-Source-Samba auch in Banken Einzug hält und dann die Verwechslungsgefahr erneut besteht. Um dem vorzubeugen, erwarb der Open-Source-Dienstleister Service Network GmbH (SerNet) die Markenrechte für den Betrag von einer Mark von der CMG und räumt nun seinerseits Unterlizenzen für jeden ein, der die Marke Samba im geschäftlichen Verkehr nutzen will [4]. Dafür werden Abwicklungskosten in Höhe von zehn Euro erhoben.

Daneben hat SerNet in Abstimmung mit Samba-Entwickler Volker Lendecke selbst das bekannte Samba-Logo als Wort-/Bildmarke für die Waren- und Dienstleistungsklasse 42 angemeldet: Diese Klasse betrifft EDV-Dienstleistungen und die Software-Erstellung. Die Anmeldung ist zulässig, da mit ihr lediglich die Dienstleistung Software-Erstellung gekennzeichnet werden darf, während die CMG-Marke die Benennung der Software als Ware schützt.

SerNet beabsichtigt mit dieser Markenanmeldung den Schutz der Marke vor "Markengrabbern". Nach eigenen Angaben ist das Samba-Logo ohne Lizenzen oder Gebühren von jedermann in der Community nutzbar.

Wege zum Schutz

Die beiden Fälle Samba und KIllustrator zeigen deutlich, dass mit zunehmender Bekanntheit und Verbreitung von freier Software auch die Gefahr von Markenstreitigkeiten steigt. Dabei können die Ansprüche berechtigt sein, wie dies offenbar bei Samba der Fall ist. Oft sind die Ansprüche aber unbegründet und dienen der bloßen Behinderung von unliebsamer Konkurrenz aus dem Lager freier Software. Die beiden Fälle zeigen auch, dass eine Verteidigungsstrategie nötig ist, die freie Projekte vor unliebsamen Überraschungen schützt. Nicht immer wird eine Firma wie SerNet einspringen und stellvertretend die Interessen der Community wahrnehmen.

Diesen Part könnte die Free Software Foundation Europe (FSF Europe) übernehmen [5]. Dort ist geplant freie Entwickler bei unberechtigter Inanspruchnahme juristisch zu unterstützen. Damit erhält die Community nicht nur eine einheitliche Stimme, potenzielle Abmahner werden auch von vornherein abgeschreckt, wenn sie die Gefahr eines Rechtsstreits mit einem ebenbürtigen Gegner befürchten müssen.

Die Streitigkeiten müssen aber nicht immer gleich auf gerichtlichem Wege beigelegt werden. Samba ist ein Beispiel dafür, dass mit Abgrenzungsvereinbarungen oder anderen vertraglichen Instrumenten ein Mit- und Nebeneinander von Markenrechtsinhabern und Markenverletzern möglich ist. Auch hier könnte die FSF Europe eine Rolle als Treuhänderin übernehmen. (fjl)

Infos

[1] Homepage von Kai-Uwe Sattler: http://wwwiti.cs.uni-magdeburg.de/~sattler/. Die KIllustrator-Seite wurde vom Netz genommen, ist aber noch im Cache von Google: http://www.google.de/search?q=cache:MVK6gCybMgQ:wwwiti.cs.uni-magdeburg.de/~sattler/killustrator.html (Update: die Cache-Seite ist auch nicht mehr da)

[2] Text des Markengesetzes: http://jurcom5.juris.de/bundesrecht/markeng

[3] Homepage des Informationssystems des DPMA: https://dpinfo.dpma.de/

[4] Die Samba-Unterlizenz, die auf elektronischem Weg abgeschlossen werden kann: http://samba.sernet.de/lizenz/

[5] Free Software Foundation Europe: http://www.fsfeurope.org

Der Autor

Till Jaeger ist Rechtsanwalt in der Kanzlei JBB-Rechtsanwälte (www.jbb-berlin.de) in Berlin. Daneben gehört er der Leitung des von ihm mitbegründeten Instituts für Rechtsfragen der Open Source Software (ifrOSS) an.

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