Die Wüste lebt: OASIS spezifiziert offene Office-Formate

Von Carsten Schulz

Die "Organisation for the Advancement of Structured Information Standards" (OASIS) hat einen technischen Arbeitskreis gegründet, dessen Ziel es ist, ein offenes, XML-basierendes Dateiformat für Office-Anwendungsprogramme zu spezifizieren und weiterzuentwickeln. Dabei sollen von vornherein ausschließlich solche Inhalte berücksichtigt werden, die lizenzgebührenfrei von jedermann genutzt und vertrieben werden können.

Hintergrund:

OASIS ist ein internationales Konsortium von mittlerweile mehr als 500 beteiligten Unternehmen, Organisationen und persönlichen Mitgliedern, mit dem Ziel, die Entwicklung, Konvergenz und Übernahme von E-Business-Standard zu fördern. Gegründet 1993 (bis 1998 zunächst unter der Bezeichnung SGML Open) beschäftigte sich OASIS zunächst ausschließlich mit der Entwicklung von Richtlinien für die Interoperabilität von Produkten, welche die Standard Generalized Markup Language (SGML) unterstützen. Mittlerweile liegen die Schwerpunkte unter anderem in den Bereichen Datensicherheit, Internetdienstleistungen, XML-Vereinheitlichung, geschäftliche Transaktionen, E-Publishing und Herstellung von Interoperabilität zwischen verschiedenen Formen elektronischer Vermarktung.

Die Aufgabe des neu gegründeten "OASIS Open Office XML Format Technical Committee" soll jetzt darin bestehen, einen Standard für die Interoperabilität von Office-Anwendungen zu entwickeln, der sich sich sowohl zur Darstellung von Textdokumenten als auch Tabellen, Diagrammen und Graphiken eignet. In einer ersten Phase liegt das Hauptgewicht dabei zunächst auf der Standardisierung der Daten für die Inhalteerstellung und -verwaltung. Spätere Phasen dienen dann der Vereinfachung des Datenaustausches zwischen allen XML-unterstützenden Applikationen, einschließlich Geschäftsprozessverwaltung, Internetdienstleistungen, Datenbanken und Suchmaschinen.

Sun hat bereits angekündigt, dem Projekt die im OpenOffice.org 1.0 enthaltene XML file format Spezifikation beisteuern zu wollen. Weitere Unternehmen und Organisationen sind jetzt dazu aufgerufen, sich zu beteiligen. Die fertigen Ergebnisse sollen anschließend jedermann lizenzgebührenfrei zur Nutzung überlassen werden. Zwar sieht die "OASIS intellectual property policy" grundsätzlich auch vor, dass Standards entwickelt werden können, die anschließend unter sogenannten Reasonable and Non-Discriminatory (RAND) Lizenzen zur Verfügung gestellt werden. Für die Entwicklung des offenen, XML-basierenden Dateiformats für Office-Anwendungsprogramme hat man sich jedoch von vornherein darauf verständigt, allein solche Beiträge zu akzeptieren, die später auch kostenlos jedermann zur Verfügung gestellt werden dürfen.

Der geplante Schritt einer Standardisierung der Speicherung von Office-Dokumenten ist sowohl aus Verbrauchersicht als auch im Hinblick auf den Wettbewerb im Softwaresektor durchaus zu begrüßen. Anwender erhalten damit die Möglichkeit, Dokumente unabhängig von Platform und Anwendungsprogramm auszutauschen und zu verwalten. Gerade dort, wo Dokumente für eine Vielzahl von Personen zugänglich gehalten werden müssen, etwa in Unternehmen und in der Verwaltung, wird zugleich eine größere Unabhängigkeit von einzelnen Softwareherstellern geschaffen. Einerseits wird von vornherein die gemeinsame Verwendbarkeit konkurrierender Produkte gewährleistet. Andererseits entfallen dort, wo ein Unternehmen des vollständigen Umstieg auf ein Konkurrenzprodukt erwägt, die vielfach erheblichen Kosten für eine Konvertierung des Dokumentenbestandes. Dass hier momentan in der Tat noch erhebliche Defizite bestehen zeigte sich gerade erneut deutlich in der Diskussion um die Einführung des Betriebssystems LINUX und der Office-Anwendung Star Office in Teilen der Schweizer Verwaltung. Die auf den Seiten des Informatikstrategieorgans Bund veröffentlichte Studie "Positionierung von Linux und Open Source-Software" (481 KB) der MetaGroup sah hier besondere Risiken eines Umstiegs gerade darin, dass im Falle von Office Applikationen die Kompatibilität mit Microsoft Office nur teilweise gegeben sei. Zwar könne ein Anwender davon ausgehen, dass einfache Texte in Word einwandfrei auch auf Star Office dargestellt würden, einfache Excel Sheets ebenso, jedoch seien komplexe Formeln in Excel, nicht unbedingt auf StarOffice lauffähig. Das Gleiche gelte für komplexe Animationen in Powerpoint.

Inwieweit allerdings gerade die marktführenden Softwarehersteller bereits sind, sich an entsprechenden Standardisierungsentwicklungen zu beteiligen oder zumindest die entwickelten Standards in den eigenen Produkten zu unterstützen, dürfte durchaus zweifelhaft sein. Solange der Rückgriff auf eigene verbreitete Formate möglich ist, dürften hier vielfach die Möglichkeiten langfristiger Kundenbindung überwiegen. Hier bleibt zu hoffen, dass verhandlungsstarke Vertragspartner aus Privatwirtschaft und öffentlicher Verwaltung durch eine entsprechende Nachfrage eine Anpassung und Standardisierung forcieren können.