GPL vor Gericht

Von Carsten Schulz

"Big Blue" IBM und der Linux-Distributor RedHat haben unabhängig voneinander Klage gegen den Softwarehersteller SCO eingereicht.
SCO hatte in den vergangenen Monaten für vielfachen Wirbel unter den Nutzern, Entwicklern und Distributoren des Betriebssystems GNU/Linux gesorgt, indem behauptet wurde, das Betriebssystem GNU/Linux enthalte UNIX System V Code des Unternehmens, den dieses nicht freigegeben habe. Linux-Nutzer müssten daher eine entgeltliche SCO-Lizenz erwerben.
Die SCO-Group hatte darüber hinaus IBM im März 2003 auf Schadensersatz in Milliardenhöhe mit der Begründung verklagt, entgegen der Lizenzvereinbarung Software vertrieben zu haben, die vom Unix Quellcode abstamme. Gestützt wurde die Klage auf die Veruntreuung von Handelsgeheimnissen, Eingriffe in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, Wettbewerbsverstöße und Vertragsbruch. Urheberrechtsverstöße wurden nach Auskunft eines Sprechers der SCO aufgrund der schwierigen Beweislage gerichtlich nicht geltend gemacht.

Hintergrund:

Die SCO-Group war in der Vergangenheit selbst als Linux-Distributor aufgetreten. Ein zentraler Punkt in beiden Verfahren könnte daher sein, ob mit der Distribution auch die Rechte am Code unter der General Public License (GPL) freigegeben wurden.
Die Verfahren wären damit möglicherweise die ersten Fälle, in denen Gerichte über die Gültigkeit und Wirksamkeit der GPL zu entscheiden hätten. Zwar war mit dem Rechtsstreit zwischen MySQL und Nusphere bereits einmal ein GPL-Fall gerichtlich anhängig gemacht worden. Dieser endete jedoch durch einen Vergleich, so dass eine Entscheidung durch Urteil unterbleiben konnte.

Allerdings ist insbesondere die IBM Klage noch sehr viel weiterreichender. Das Unternehmen macht unter anderem geltend, SCO habe mit den UnixWare und OpenServer Betriebssystemen, dem SCO Manager remote administration tool und dem Reliant HA package Patente von IBM verletzt.
Gerade dieser Vorwurf der Patentverletzung dürfte die SCO-Group stark unter Druck setzen, wird doch damit geltend gemacht, dass zentrale Teile aus dem Angebot des Unternehmens unter Verletzung fremder Rechte vermarktet werden. Hier könnte es daher durchaus denkbar sein, dass das Verfahren zügig durch einen Vergleich beendet wird.
Eine interessante Vorstellung: Die GPL erhält "Schützenhilfe" von Softwarepatenten!

Neben den Verfahren selbst ist durchaus bemerkenswert, dass der Linux-Distributor RedHat die Einrichtung eines "Open Source Now"-Fonds ankündigte und zusagte, hierfür eine Million US-Dollar zur Verfügung zu stellen. Ziel dieses Fonds ist es, die Verteidigungskosten bei Verletzungsprozessen gegen solche Unternehmen und Non-Profit Organisationen abzudecken, die Software unter der GPL entwickeln.